Finanzamt kann an die Insolvenzmasse erstattete Beträge nicht nach § 37 Abs. 2 AO zurückverlangen
FG Düsseldorf 22.1.2013, 12 K 3560/12 AODer Kläger ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren der B-GmbH. Die von der GmbH für März 2009 und April 2009 angemeldeten Lohnsteuerbeträge zog das Finanzamt aufgrund einer erteilten Lastschrift zu den Fälligkeitsterminen ein. Auf Antrag der GmbH vom 9.6.2009 wurde am 1.9.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger focht als Insolvenzverwalter die Lohnsteuerzahlungen an. Das Finanzamt erstattete deswegen die vereinnahmten Beträge zur Insolvenzmasse.
Nach erneuter Überprüfung des Sachverhaltes gelangte es jedoch zu der Erkenntnis, dass die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung nicht vorgelegen hätten und deswegen die Insolvenzmasse keinen Erstattungsanspruch gem. § 143 Abs. 1 InsO gehabt habe. Mit auf § 37 Abs. 2 AO gestütztem Rückforderungsbescheid forderte es den Kläger zur Rückzahlung der an die Insolvenzmasse erstatteten Beträge auf.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er ist der Ansicht, das Finanzamt habe den Rückforderungsanspruch nicht durch Verwaltungsakt festsetzen dürfen, weil es sich nicht um einen öffentlich rechtlichen Anspruch handele. So wie der Insolvenzverwalter seinen Anspruch aus § 143 InsO auf Erstattung anfechtbarer Zahlungen vor den ordentlichen Gerichten verfolgen müsse, müsse das Finanzamt die Rückgewähr des zur Erfüllung eines solchen Anspruches Geleisteten im Wege des Zivilrechts geltend machen.
Das FG gab der Klage statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch von § 37 Abs. 2 AO sind nicht erfüllt.
Der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO entsteht nicht schon allein deshalb, weil eine Vermögensverschiebung zwischen dem Finanzamt und einer Privatperson erfolgt ist und dafür ein rechtlicher Grund nicht bestanden hat oder später fortgefallen ist. Die Vorschrift dient nicht dazu, Erstattungsansprüche ungeachtet des konkreten Lebenssachverhaltes in das öffentliche Recht zu transformieren. § 37 Abs. 2 AO ist vielmehr eine für das Steuerrecht spezialgesetzliche Konkretisierung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches und setzt demgemäß voraus, dass es sich um die Korrektur einer Vermögensverschiebung handelt, die gerade aufgrund der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde erfolgt ist.
Dementsprechend ist die Behörde berechtigt, die Zahlung an einen nicht Empfangsberechtigten, die zur Begleichung einer steuerlichen Verbindlichkeit geleistet wurde, nach § 37 Abs. 2 AO zurückzufordern, weil sie zur Erfüllung eines vermeintlichen Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnisses geleistet wurde. Der Erstattungsanspruch ist deswegen dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Die Erstattung von Vermögensverschiebungen außerhalb des Steuerrechtsverhältnisses kann hingegen nicht unter Hinweis auf § 37 Abs. 2 AO verlangt werden, sondern ist im ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen und nach § 812 BGB zu korrigieren.
Das Finanzamt hat vorliegend den mit dem angefochtenen Bescheid geforderten Betrag nicht zuvor an den Kläger zur Erfüllung eines Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis zurückgezahlt. Die Erstattung erfolgte in Befolgung einer - vermeintlich oder tatsächlich - sich aus § 143 Abs. 1 InsO ergebenden, bürgerlich-rechtlichen Verpflichtung. Dies schließt die Rückforderung der solchermaßen erstatteten Beträge durch Verwaltungsakt aus. Das Finanzamt ist verpflichtet, etwaige Ansprüche vor den Zivilgerichten durchzusetzen.
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