Forderungsverzicht zwischen Gesellschaftern einer GmbH als freigebige Zuwendung
Kurzbesprechung
BFH v. 19.6.2024 - II R 40/21
ErbStG § 7 Abs 1 Nr. 1, § 7 Abs 8 S 1
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Ob der Bedachte bereichert ist, bestimmt sich ausschließlich nach der Zivilrechtslage. Als Bereicherung kommt dabei grundsätzlich jede Vermögensmehrung sowie jede Minderung von Schulden oder Belastungen beim Bedachten in Betracht. Auch ein Forderungsverzicht kann Gegenstand einer freigebigen Zuwendung sein.
Im Streitfall hatte das FG das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu Unrecht mit der Begründung verneint, der Verzicht des GmbH - Gesellschafters V, der die Leistungen im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung erbracht hatte, auf einen vollen Wertausgleich für seine Kapitalzuführungen führe nicht zu einer Bereicherung seiner Mitgesellschafter, weil die Kapitalrücklage jedem der Gesellschafter in Höhe ihrer Beteiligungsquoten zugestanden habe.
Die Kapitalrücklage ist zwar Bestandteil des Eigenkapitals der Gesellschaft; dieses steht allein der Gesellschaft und nicht dem Gesellschafter zu. Insbesondere erwirbt der Gesellschafter im Fall einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen nicht ein selbständiges Wirtschaftsgut "Beteiligung an der Kapitalrücklage". Die Einzahlung in die Kapitalrücklage ist vielmehr in rechtlicher Hinsicht aufzuspalten in die Zuführung von Kapital zum Vermögen der Gesellschaft (Einlage) und die anschließende Einstellung des zugeführten Betrags in die Kapitalrücklage. Nur Erstere betrifft das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft; die spätere Einstellung in die Rücklage ist ein rein gesellschaftsinterner Vorgang, der die Stellung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft nicht berührt. Deshalb entsteht auch bei Zuführung des Kapitals zu einer Kapitalrücklage nicht eine Berechtigung des Gesellschafters speziell in Bezug auf diese Rücklage, sondern die Einlage verstärkt lediglich die aus der Beteiligung erwachsende Gesellschafterstellung.
Die Zuordnung der Kapitalrücklage zum Eigenkapital der Gesellschaft schließt es jedoch nicht aus, dass Leistungen eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage in entsprechender Anwendung von § 29 Abs. 3 Satz 2, § 72 Satz 2 GmbHG in der Weise gesellschafterbezogen zugeordnet werden können, dass etwa im Fall der Liquidation oder der Auflösung der Kapitalrücklage die geleisteten Beträge nur den Gesellschaftern zustehen sollen, die die Leistung ursprünglich erbracht haben, sodass die übrigen Gesellschafter nicht über ihre Beteiligung von der eingelegten Leistung profitieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage nach der Satzung der GmbH möglich ist und die Gesellschafter wirksam einen entsprechenden Beschluss fassen. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine zivilrechtlich wirksam zustande gekommene gesellschafterbezogene Zuordnung der Kapitalrücklage grundsätzlich auch in steuerrechtlicher Hinsicht anzuerkennen.
Eine gesellschaftsrechtlich zulässige und auch in steuerrechtlicher Hinsicht anzuerkennende Vereinbarung entsprechender disquotaler Rückzahlungsansprüche in Bezug auf die Kapitalrücklage kann dazu führen, dass ein späterer Verzicht auf eine derartige Forderung im Verhältnis der Gesellschafter untereinander einen schenkungsteuerbaren Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auslöst.
Im Streitfall hatten die Gesellschafter der GmbH wirksam eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage zugunsten des V beschlossen. Daher hat V, indem er im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung der GmbH auf einen vollen Ausgleich der von ihm aufgebrachten Kapitalrücklage verzichtet hat, eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG im Verhältnis zu dem klagenden Mitgesellschafter bewirkt.
Beraterhinweis: Siehe hierzu auch inhaltsgleich BFH v. 19.6.2024 - II R 41/21, ebenfalls veröffentlicht am 10.10.2024.
Verlag Dr. Otto Schmidt
ErbStG § 7 Abs 1 Nr. 1, § 7 Abs 8 S 1
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Ob der Bedachte bereichert ist, bestimmt sich ausschließlich nach der Zivilrechtslage. Als Bereicherung kommt dabei grundsätzlich jede Vermögensmehrung sowie jede Minderung von Schulden oder Belastungen beim Bedachten in Betracht. Auch ein Forderungsverzicht kann Gegenstand einer freigebigen Zuwendung sein.
Im Streitfall hatte das FG das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu Unrecht mit der Begründung verneint, der Verzicht des GmbH - Gesellschafters V, der die Leistungen im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung erbracht hatte, auf einen vollen Wertausgleich für seine Kapitalzuführungen führe nicht zu einer Bereicherung seiner Mitgesellschafter, weil die Kapitalrücklage jedem der Gesellschafter in Höhe ihrer Beteiligungsquoten zugestanden habe.
Die Kapitalrücklage ist zwar Bestandteil des Eigenkapitals der Gesellschaft; dieses steht allein der Gesellschaft und nicht dem Gesellschafter zu. Insbesondere erwirbt der Gesellschafter im Fall einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen nicht ein selbständiges Wirtschaftsgut "Beteiligung an der Kapitalrücklage". Die Einzahlung in die Kapitalrücklage ist vielmehr in rechtlicher Hinsicht aufzuspalten in die Zuführung von Kapital zum Vermögen der Gesellschaft (Einlage) und die anschließende Einstellung des zugeführten Betrags in die Kapitalrücklage. Nur Erstere betrifft das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft; die spätere Einstellung in die Rücklage ist ein rein gesellschaftsinterner Vorgang, der die Stellung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft nicht berührt. Deshalb entsteht auch bei Zuführung des Kapitals zu einer Kapitalrücklage nicht eine Berechtigung des Gesellschafters speziell in Bezug auf diese Rücklage, sondern die Einlage verstärkt lediglich die aus der Beteiligung erwachsende Gesellschafterstellung.
Die Zuordnung der Kapitalrücklage zum Eigenkapital der Gesellschaft schließt es jedoch nicht aus, dass Leistungen eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage in entsprechender Anwendung von § 29 Abs. 3 Satz 2, § 72 Satz 2 GmbHG in der Weise gesellschafterbezogen zugeordnet werden können, dass etwa im Fall der Liquidation oder der Auflösung der Kapitalrücklage die geleisteten Beträge nur den Gesellschaftern zustehen sollen, die die Leistung ursprünglich erbracht haben, sodass die übrigen Gesellschafter nicht über ihre Beteiligung von der eingelegten Leistung profitieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage nach der Satzung der GmbH möglich ist und die Gesellschafter wirksam einen entsprechenden Beschluss fassen. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine zivilrechtlich wirksam zustande gekommene gesellschafterbezogene Zuordnung der Kapitalrücklage grundsätzlich auch in steuerrechtlicher Hinsicht anzuerkennen.
Eine gesellschaftsrechtlich zulässige und auch in steuerrechtlicher Hinsicht anzuerkennende Vereinbarung entsprechender disquotaler Rückzahlungsansprüche in Bezug auf die Kapitalrücklage kann dazu führen, dass ein späterer Verzicht auf eine derartige Forderung im Verhältnis der Gesellschafter untereinander einen schenkungsteuerbaren Vorgang nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auslöst.
Im Streitfall hatten die Gesellschafter der GmbH wirksam eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Zuordnung der Kapitalrücklage zugunsten des V beschlossen. Daher hat V, indem er im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung der GmbH auf einen vollen Ausgleich der von ihm aufgebrachten Kapitalrücklage verzichtet hat, eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG im Verhältnis zu dem klagenden Mitgesellschafter bewirkt.
Beraterhinweis: Siehe hierzu auch inhaltsgleich BFH v. 19.6.2024 - II R 41/21, ebenfalls veröffentlicht am 10.10.2024.