03.04.2025

Formwechsel als Veräußerung im Sinne der Regelung über den Einbringungsgewinn II

1. Eine Veräußerung, die zur Entstehung eines Einbringungsgewinns II (§ 22 Abs. 2 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes ‑‑UmwStG‑‑ 2006) führt, liegt auch dann vor, wenn die Kapitalgesellschaft, deren Anteile im Rahmen eines qualifizierten Anteilstausches in eine andere Kapitalgesellschaft eingebracht worden sind, innerhalb von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt in eine Personengesellschaft formgewechselt wird.
2. Jedenfalls dann, wenn die eingebrachten Anteile durch den Formwechsel nicht wieder in denjenigen ertragsteuerlichen Status zurückfallen, den sie vor der Einbringung hatten, ist weder eine teleologische Reduktion des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 vorzunehmen noch ist die Besteuerung eines Einbringungsgewinns II unbillig im Sinne des § 163 der Abgabenordnung.
3. Die EU-Fusionsrichtlinie (RL 2009/133/EG) ist auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht anwendbar, wenn der nationale Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, innerstaatliche und grenzüberschreitende Fälle nicht gleich zu behandeln. Dies ist hinsichtlich der deutschen Regelung über den Anteilstausch (§ 21 UmwStG 2006) der Fall.

Kurzbesprechung
BFH v. 27.11.2024 - X R 26/22

UmwStG 2006 § 21 Abs 1, UmwStG 2006 § 21 Abs 2, UmwStG 2006 § 22 Abs 1 S 6, UmwStG 2006 § 22 Abs 2 S 1
EGRL 133/2009 Art 1 Buchst a
FGO § 99 Abs 1, FGO § 99 Abs 2, FGO § 102
AO § 163 Abs 1 S 1
GG Art 3 Abs 1
AEUmwStG 2006 Tziff 22.23


1. Formwechselnde Umwandlung nach vorherigem qualifizierten Anteilstausch

Wird eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile in die übernehmende Gesellschaft eingebracht wurden, formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt, stellt dies eine Veräußerung dieser Anteile durch die übernehmende Gesellschaft im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 dar. Der zivilrechtlich identitätswahrende Charakter des Formwechsels (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) steht dem nicht entgegen, da der ertragsteuerrechtliche Begriff der Veräußerung umwandlungssteuerspezifisch zu verstehen ist.

Der Formwechsel ist nicht nur der übernehmenden, sondern auch derjenigen Kapitalgesellschaft, deren Anteile in die übernehmende Gesellschaft eingebracht werden, als "Veräußerung" im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 anzusehen. Denn der BFH geht für § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 von einem weiten Veräußerungsbegriff aus, dem bereits bei Verwirklichung tauschähnlicher Vorgänge genügt ist, und hat zudem den Formwechsel zwischen Kapitalgesellschaft und Personengesellschaft wiederholt in unterschiedlichen Konstellationen als tauschähnlichen Vorgang betrachtet. Wird die Kapitalgesellschaft, deren Anteile eingebracht wurden, in eine Personengesellschaft formgewechselt, so gibt die übernehmende Gesellschaft ihre Anteile an der Kapitalgesellschaft hin, um dafür eine Beteiligung an der Personengesellschaft zu erhalten. Insoweit bewirkt der Formwechsel einen Tausch der Beteiligungsform.

An diesem Ergebnis ändert auch die Regelung in § 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG 2006 a.F. nichts. Denn der BFH vertritt hierzu die Auffassung, dass § 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG 2006 a.F. eine Ausnahme vom Veräußerungsbegriff für zum Buchwert vollzogene Einbringungsvorgänge enthält.

Im Streitfall war auch weder eine teleologische Reduktion des Wortlauts des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 noch ist eine teleologische Extension des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UmwStG 2006 a.F. vorzunehmen.

2. EU-Fusionsrichtlinie nicht anwendbar

Nach Art. 1 Buchst. a EU - Fusionsrichtlinie (FRL 2009) umfasst der Anwendungsbereich der Richtlinie Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensanteilen und ‑ im Streitfall einschlägig - den Austausch von Anteilen, wenn daran Gesellschaften aus zwei oder mehr Mitgliedstaaten beteiligt sind. Die letztgenannte Voraussetzung war im Streitfall jedoch nicht erfüllt, weil alle beteiligten Gesellschaften deutsche Kapitalgesellschaften und in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind. Die FRL 2009 war daher im Verfahren, das einen rein innerstaatlichen Sachverhalt betrifft, nicht anwendbar.

3. Billigkeitsantrag

Im Streitfall hatte das FG zutreffend entschieden, dass das FA eine Billigkeitsmaßnahme ermessensfehlerfrei abgelehnt hatte. Das FG hatte seine ablehnende Entscheidung ohne Rechtsverstoß darauf gestützt, dass bei einem Formwechsel der Kapitalgesellschaft, an der die eingebrachten Anteile bestehen, in eine Personengesellschaft schon die Ziel-Rechtsform, bei der es sich um ein grundlegendes Merkmal eines jeden Umwandlungsvorgangs handelt, von den in § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2, 4, 5 UmwStG 2006 a.F. genannten Vorgängen abweicht.
Verlag Dr. Otto Schmidt