28.01.2021

Fremdübliche Verteilung der Vertragschancen und -risiken bei einer Wertguthabenvereinbarung unter Ehegatten

Schließen Ehegatten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zusätzlich eine Wertguthabenvereinbarung i.S. des SGB IV ab, muss für diese --gesondert-- ein Fremdvergleich erfolgen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist wesentliches Indiz, ob die Vertragschancen und -risiken fremdüblich verteilt sind. Eine einseitige Verteilung zu Lasten des Arbeitgeber-Ehegatten ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer-Ehegatte unbegrenzt Wertguthaben ansparen sowie Dauer, Zeitpunkt und Häufigkeit der Freistellungsphasen nahezu beliebig wählen kann.

Kurzbesprechung
BFH v. 28.10.2020 - X R 1/19

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 u. 2
SGB 4 § 7, § 7b, § 23b


Für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkunftserzielung (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG) veranlasst oder aber durch private Zuwendungs- oder Unterhaltsüberlegungen (§ 12 Nr. 1 und 2 EStG) motiviert sind, ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten maßgebend. Zwar ist weiterhin Voraussetzung, dass die vertraglichen Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Jedoch schließt nicht mehr jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind einzelne Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen.

Angesichts des bei nahen Angehörigen vielfach fehlenden natürlichen Interessengegensatzes und der daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten muss sichergestellt sein, dass die Vertragsbeziehung und die auf ihr beruhenden Leistungen tatsächlich dem betrieblichen Bereich zuzurechnen sind. Indiz für die Zuordnung der Vertragsbeziehung zum betrieblichen Bereich ist insbesondere, ob der Vertrag sowohl nach seinem Inhalt als auch nach seiner tatsächlichen Durchführung dem entspricht, was zwischen Fremden üblich ist.

Im Zuge der erforderlichen Gesamtwürdigung erlangt der Umstand, ob die Vertragschancen und -risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind, wesentliche Bedeutung. So spricht gegen die Fremdüblichkeit, wenn das Gesamtbild der Vereinbarungen belegt, dass die weitaus meisten Chancen des Vertrags der einen Seite und die weitaus meisten Risiken der anderen Seite zugewiesen werden. Speziell bei Arbeitsverhältnissen geht die Rechtsprechung davon aus, dass Lohnzahlungen an einen im Betrieb des Steuerpflichtigen mitarbeitenden Angehörigen als Betriebsausgaben abziehbar sind, wenn der Angehörige aufgrund eines wirksamen, inhaltlich fremdüblichen Arbeitsvertrags beschäftigt wird, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt und der Steuerpflichtige seinerseits alle Arbeitgeberpflichten, insbesondere die der Lohnzahlung, erfüllt.

Für die Beurteilung der Fremdüblichkeit kann bedeutsam sein, wie der Arbeitgeber die Leistung gegenüber fremden Arbeitnehmern gestaltet hat bzw. ob er dieselbe Regelung auch bei diesen verwendet hat. Ein Betriebsausgabenabzug für eine zusätzliche Leistung an den Ehegatten des Arbeitgebers setzt damit voraus, dass zunächst das Arbeitsverhältnis steuerrechtlich anzuerkennen ist und sodann --gesondert-- auch, dass die Aufwendungen für die zusätzliche Leistung nicht auf privaten Erwägungen beruhen.

Im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist die Möglichkeit vorgesehen, eine Wertguthabenvereinbarung abzuschließen. Dazu vereinbaren der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer grundsätzlich, dass künftig fällig werdender Arbeitslohn nicht sofort ausbezahlt wird, sondern auf ein Wertguthabenkonto einbezahlt wird, um ihn im Zusammenhang mit einer vollen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung während des noch fortbestehenden Arbeitsverhältnisses auszubezahlen. Eine Wertguthabenvereinbarung unterliegt dementsprechend im Verhältnis zum Arbeitsvertrag eigenen, klar abgrenzbaren Regelungen.

Im Streitfall haben die Steuerpflichtigen (der Ehemann als Betriebsinhaber und die Ehefrau als Mitarbeiterin im Rahmen eines Ehegatten - Arbeitsverhältnisses) diese im Rahmen der geschlossenen Ergänzungsvereinbarungen zu dem Zeitwertguthabenmodell und zu der Einzahlungshöhe umgesetzt. Die Zahlungen des Ehemanns auf das Wertguthabenkonto sind somit eine zusätzliche Leistung. Es wurde ein bestimmter Teil des Lohnanspruches auf das Wertguthabenkonto einbezahlt. Insoweit ist eine gesonderte Würdigung der Fremdüblichkeit durchzuführen, die auch nach den Grundsätzen zur echten Barlohnumwandlung nicht entbehrlich ist, da vorliegend nicht lediglich ein ertragsteuerlich bereits anerkannter Lohnanspruch umgewandelt wird.

Zwar wurde im Arbeitsvertrag eine monatliche Lohnzahlung von insgesamt 1.410 € vereinbart, diese volle Lohnsumme ist in den Streitjahren aber zu keinem Zeitpunkt ausbezahlt worden. Von Anfang an war vereinbart, dass der größere Teil nicht als Barlohn geleistet werden soll.

Im Rahmen der diesbezüglich notwendigen Gesamtwürdigung hatte sich das FG nicht damit auseinandergesetzt, ob die Vertragschancen und -risiken der Wertguthabenvereinbarung in fremdüblicher Weise verteilt sind. Stattdessen geht es davon aus, dass es allein der Beurteilung des Ehemanns obliege, ob ein weit gefasstes Angebot betriebswirtschaftlich sinnvoll sei.

Weiter hat das FG den internen Betriebsvergleich rechtsfehlerhaft vorgenommen. Es nimmt fälschlicherweise an, der Ehemann habe seinen anderen Arbeitnehmern dem Zeitwertguthabenmodell vergleichbare Modelle angeboten und es begründet nicht nachvollziehbar, weshalb es ausreichend sei, dass allein die Ehefrau das Angebot einer Wertguthabenvereinbarung erhielt.

Gelangt das FG nun im zweiten Rechtsgang --was nach den bisherigen Feststellungen jedoch eher fraglich sein wird-- zu dem Ergebnis, dass die Wertguthabenvereinbarung fremdüblich ist, wären die gebildeten und vom FA nicht anerkannten Rückstellungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 HGB ertragsteuerlich anzuerkennen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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