20.01.2022

Fristbeginn bei einem privaten Veräußerungsgeschäft im Fall der Selbstbenennung aufgrund eines befristeten Benennungsrechts

Ist der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Erwerberbenennungsrecht ausgestattet, kommt es zur Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Selbstbenennung (Selbsteintritt), selbst wenn der Benennungsberechtigte das Grundstück mit dem späteren Fristablauf ohnehin "automatisch" (Annahmefiktion) erworben hätte.

Kurzbesprechung
BFH v. 26. 10. 2021 - IX R 12/20

EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr. 1
BGB § 158 Abs 1


Streitig war der Fristbeginn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, wenn der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Benennungsrecht ausgestattet ist und der Steuerpflichtige sich vor Ablauf der Benennungsfrist selbst als Käufer benennt.

Die Steuerpflichtige schloss am 21.09.2000 einen notariellen Grundstückskaufvertrag, an dem das Bundesland X als "Veräußerer", die Klägerin als "Benenner", Herr ... (E) als "Erwerber" und zwei "weitere Beteiligte" beteiligt waren. Danach verkauft das Bundesland X Grundstücksteilflächen an sechs Erwerber, und zwar an E und fünf weitere noch zu benennende Erwerber. Diese erwerben jeweils einen bestimmten Miteigentumsanteil am Grundstück, haben einen Teil des Grundstückskaufpreises zu tragen und verpflichten sich zur Begründung von Wohnungseigentum sowie zur Errichtung von Einfamilienreihenhäusern. Die Benennung hatte bis zum 31.06.2002 zu erfolgen. Nach Ablauf der vorgenannten Frist gilt der Benenner als Erwerber der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benannten Miteigentumsanteile.

Die Steuerpflichtige benannte am 20.08.2001 sich selbst und den Ehemann für ein Reihenmittelhaus. Den Kaufpreis in Höhe von 63.706,24 DM entrichteten die Steuerpflichtigen am 26.02.2002. Das von den Steuerpflichtigen errichtete Haus diente der Erzielung von Vermietungseinkünften. Mit notariellem Vertrag vom 25.02.2011 veräußerten sie das Objekt zum Kaufpreis von 190.000 €.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden.

Bei einem unbedingten und nicht genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäft ist eine solche Bindung regelmäßig mit dem Vertragsabschluss gegeben. Diese Voraussetzungen können aber auch bei einem Rechtsgeschäft vorliegen, dessen Rechtswirkungen von dem Eintritt einer Bedingung abhängen. Aus dem Wesen der Bedingung und dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 BGB folgt, dass das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft tatbestandlich mit seiner Vornahme vollendet und voll gültig ist --die Parteien daher fortan bindet-- und seine Wirksamkeit mit dem Bedingungsfall ipso iure eintritt, ohne dass die Willenseinigung der Parteien noch bis dahin Bestand haben müsste; nur die Rechtswirkungen des bedingten Rechtsgeschäfts befinden sich bis zum Bedingungseintritt in der Schwebe.

Die Parteien eines bedingten Rechtsgeschäfts können die Vertragsbeziehungen nicht mehr einseitig lösen, vielmehr sind sie im Hinblick auf den aufschiebend bedingten Rechtserwerb (Anwartschaftsrecht) zur gegenseitigen Treupflicht und zur Beachtung der Schutzvorschriften der §§ 160 f. BGB verpflichtet.

Hängt die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung eines Dritten ab, so hat dies auf die zivilrechtlich entstandene und von den Vertragsparteien gewollte Bindungswirkung keinen Einfluss, wenn sich die Genehmigung nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrags oder die Wirksamkeit der Willenserklärungen bezieht, sondern Zwecke verfolgt, die außerhalb des Vertrags liegen, und auf die die Vertragsbeteiligten keinen Einfluss haben.

Für den Erwerb des streitigen Miteigentumsanteils der Steuerpflichtigen war ihre Selbstbenennung kausal und nicht der Ablauf der Benennungsfrist. In dem Grundstückskaufvertrag vom 21.09.2000 hat das Bundesland X ("Veräußerer") ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags abgegeben. Dieses Angebot war von Anfang an vollständig und damit wirksam, da aufgrund des Selbstbenennungsrechts bzw. des möglichen Eigenerwerbs im Fall der Nichtausübung des Benennungsrechts mit der Steuerpflichtigen jedenfalls ein möglicher Käufer - als eine der essentialia negotii des Kaufvertrags - feststand.

Die Steuerpflichtige war die hinreichend bestimmte Empfängerin des Angebots. Wenngleich sie sich an die festgelegten Vertragsbedingungen (z.B. den Kaufpreis) gebunden hatte, war in dem Abschluss eines Käuferbenennungsvertrags noch keine Annahme des Kaufangebots zu sehen. Eine Bindung bestand zunächst nur für den Verkäufer. Mit der Benennung eines Käufers kommt es zur Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot. Dementsprechend kommt der Kaufvertrag mit dem vom Benennungsberechtigten Benannten zustande, wenn dieser das Angebot annimmt.

Vor diesem Hintergrund hatte aber auch die Steuerpflichtige das Kaufangebot des Bundeslandes X erst mit ihrer Benennung in der notariellen Urkunde am 20.08.2001, die sie der Zivilrechtslage entsprechend als "Benenner und Erwerber" bezeichnet, bindend angenommen. Durch die Selbstbenennung (Selbsteintritt) ist es zwar nicht zu einer Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot als Zwischengeschäft gekommen. Erst durch den Selbsteintritt hat sie aber die erforderliche rechtsgeschäftliche Annahmeerklärung abgegeben und damit bindend zum Ausdruck gebracht, dass sie das Angebot annehmen und das Grundstück erwerben wolle. Vorher fehlte es an der für die Fristbestimmung in § 23 EStG maßgebenden rechtlichen Bindungswirkung. Bis zur Selbstbenennung hätte sie sich durch die einseitige Benennung eines Dritten als Erwerber einseitig von dem Kaufvertrag lösen können.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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