Gebäudebewertung: Berücksichtigung von Sanierungskosten in einem Sachverständigengutachten
BFH 24.10.2017, II R 40/15Der Kläger hatte Ende 2007 von seiner Mutter ein Grundstück geschenkt bekommen, auf dem sich ein um das Jahr 1900 erbautes Miethaus mit insgesamt 23 vermieteten Wohneinheiten und einer leer stehenden Wohnung befand. Eine durchgreifende Sanierung oder Modernisierung hatte seit der Errichtung des Gebäudes nicht stattgefunden.
Der Kläger reichte beim Finanzamt im Mai 2010 eine Bedarfswerterklärung nebst Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ein. In diesem Gutachten ermittelte der Sachverständige einen Ertragswert von 800.000 €, von dem er pauschale Kosten für die Beseitigung eines Reparaturstaus von 170.000 € abzog und so einen bereinigten Ertragswert/Verkehrswert von 630.000 € berechnete. Nach Angaben des Sachverständigen habe das Gebäude insgesamt einen verbrauchten baulichen Zustand aufgewiesen. Außerdem schloss der Sachverständige, dass sich die Ausstattung von 16 der 24 Wohneinheiten größtenteils noch im Zustand nach Erstellung des Gebäudes befunden habe. Für die Gebäudehülle und die 16 Wohnungen sei nach überschlägiger Schätzung von einem Investitionsbedarf von mindestens 170.000 € auszugehen. Auf die 16 Wohnungen entfalle ein Anteil von ca. 116.000 €.
Das Finanzamt stellte einen nach § 146 Abs. 2 u. 4 BewG berechneten Grundbesitzwert von 782.000 € auf den 28.12.2007 für Zwecke der Schenkungsteuer fest. Das vorgelegte Gutachten war nach Meinung der Behörde nicht anzuerkennen, weil es hinsichtlich der pauschal geschätzten Reparatur- und Instandsetzungskosten nicht plausibel sei. Während des Einspruchsverfahrens konnte die Bausachverständige des Finanzamtes vier Wohnungen des Objekts besichtigen. Sie berechnete den Reparatur- und Instandsetzungsbedarf für insgesamt sieben renovierungsbedürftige Wohnungen mit ca. 101.000 € und ermittelte einen Verkehrswert i.H.v. 699.000 € (800.000 € ./. 101.000 €). Infolgedessen setzte das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung den Grundbesitzwert auf 699.000 € herab und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision des Klägers vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Ein höherer als der vom Finanzamt bereits vorgenommene Abzug der geltend gemachten Renovierungskosten kommt mangels Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks nicht in Betracht.
Weist der Steuerpflichtige im Rahmen der Bedarfbewertung nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit im Besteuerungszeitpunkt niedriger ist als der nach den §§ 145 bis 149 BewG ermittelte Wert, ist gem. § 138 Abs. 4 S. 1 BewG der gemeine Wert als Grundbesitzwert festzustellen. Der Steuerpflichtige trägt insoweit die Nachweislast. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann.
Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften ordnungsgemäß erstellt wurde. Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Einem Gutachten, das - bei Fehlen bewertungsrechtlicher Sonderregelungen - diesen Vorgaben entspricht, wird regelmäßig zu folgen sein.
Bebaute Grundstücke für Produktions- und Dienstleistungszwecke sind regelmäßig im Ertragswertverfahren sachgerecht zu bewerten. Dies gilt insbesondere für Grundstücke, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr im Hinblick auf ihre Rentierlichkeit gehandelt werden (wie im Streitfall z.B. Mietwohngrundstücke). Bauschäden sind im Ertragswertverfahren nur insoweit zu berücksichtigen, als sie sich auf den Verkehrswert des bebauten Grundstücks auswirken.
Hat ein bebautes Grundstück trotz hohen Alters eine notwendige durchgreifende Sanierung oder Modernisierung nicht erfahren (Instandhaltungsrückstau), liegt eine objektbezogene Beeinträchtigung des Bauwerks und damit ein Bauschaden vor. Weist ein Objekt Bauschäden auf, sind der Wertermittlung entsprechend dem geplanten Bauzustand eines mangelfreien Objekts die nachhaltig erzielbaren Erträge (§ 17 WertV), die nachhaltig anfallenden Bewirtschaftungskosten (§ 18 WertV) einschließlich der laufenden Instandhaltungskosten nach § 18 Abs. 4 WertV sowie die ggf. auf der Grundlage einer Modernisierung verlängerte Restnutzungsdauer (§ 16 Abs. 4 WertV) zu Grunde zu legen und das Ergebnis der Wertermittlung um die aufzuwendenden Kosten zu vermindern.
Ist dem schlechten Zustand eines Gebäudes bei den nachhaltig erzielbaren Erträgen, den nachhaltig anfallenden Bewirtschaftungskosten und der Restnutzungsdauer nicht Rechnung getragen worden, können Instandsetzungskosten nach § 19 S. 1 WertV durch Abschläge oder in anderer Weise zu berücksichtigen sein. Ein Abzug von Sanierungskosten in voller Höhe kann z.B. bei zwingend erforderlichen Maßnahmen gerechtfertigt sein. Aus dem Gutachten muss sich dann aber ergeben, wie sich die Mängel und Schäden - insbesondere unter Berücksichtigung des Alters des Gebäudes - auf den Verkehrswert auswirken.
Ein Sachverständigengutachten ist zudem nur ordnungsgemäß, wenn die tatsächlichen Grundlagen der Wertermittlung schlüssig nachvollziehbar sind. Dazu gehört eine hinreichende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen. Der Gutachter muss aus den festgestellten Fakten seine Schlussfolgerungen ziehen und diese zusammen mit den von ihm für richtig erkannten Annahmen im Gutachten dokumentieren. Allgemeine Verweise, wie z.B. auf eine sachverständige Feststellung oder auf eine jahrelange Erfahrung, sind dagegen nicht ausreichend. Der Sachverständige darf daher von einer bestimmten Voraussetzung nur ausgehen, wenn er diese durch festgestellte Tatsachen belegen kann.
Sind dem Sachverständigen die für die Beurteilung maßgeblichen Umstände nicht bekannt, muss er sie ermitteln oder beim Auftraggeber erfragen. Bleibt dies erfolglos, so darf der Sachverständige zwar sein Gutachten auf Unterstellungen aufbauen; er muss dies jedoch in dem Gutachten kenntlich machen. Allerdings kann die Übernahme von ungeprüften Angaben des Auftraggebers dazu führen, dass die Plausibilität des gesamten Gutachtens in Frage zu stellen ist. Ein Gutachten, das nur auf der Darstellung eines Beteiligten beruht und ohne eigene Ermittlungen des Sachverständigen abgegeben wird, ist von vornherein nicht zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks geeignet.
Hier war das vom Kläger vorgelegte Gutachten zum Nachweis eines höheren Abzugs von Instandsetzungskosten und damit eines niedrigeren Werts des Grundstücks nicht geeignet, da ihm nicht zu entnehmen war, inwieweit sich der Verkehrswert des Grundstücks aufgrund des Reparaturstaus mindert. Im Gutachten war zwar ausgeführt, dass die zügige Beseitigung des aufgezeigten Reparatur- und Instandhaltungsrückstaus an den 16 Wohneinheiten des Mietwohngrundstücks zur langfristigen Sicherung der Mieteinnahmen unabdingbar sei. Gleichzeitig weist der Sachverständige aber darauf hin, dass je nach Art und Umfang dieser Arbeiten unter Umständen eine Erhöhung der Mietzinsen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten denkbar sei. Dies zeigt, dass auch der Sachverständige davon ausgeht, dass die nachhaltig erzielbare Miete nach der Renovierung höher als vor der Renovierung ist. Damit ist der wegen des Instandsetzungsbedarfs vorgenommene Abschlag vom Ertragswert jedenfalls der Höhe nach nicht gerechtfertigt.
Im Übrigen genügte das Gutachten auch wegen unzureichender Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen nicht den rechtlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Gutachten. Denn der Sachverständige hatte im Gutachten ausgeführt, das Objekt habe bei der Ortsbesichtigung im Außenbereich und exemplarisch im Innenbereich besichtigt werden können. Das FG hatte hieraus zutreffend den Schluss gezogen, dass der Sachverständige nur die seinerzeit leer stehende Wohnung besichtigt habe. Im Hinblick auf die Bedeutung der Anzahl der renovierungsbedürftigen Wohnungen sei aber gerade deren Angabe notwendig gewesen, um die weiteren Erwägungen des Gutachters nachvollziehen zu können. Den Investitionsbedarf für insgesamt 16 Wohnungen habe der Sachverständige letztlich aus den Angaben des Eigentümers sowie nach überschlägiger Schätzung aus eigener langjähriger Tätigkeit als Architekt bestimmt.
Da der Aufwand für die Renovierung von 16 Wohnungen von ca. 116.000 € den größten Teil des vom Gutachter angenommenen Instandsetzungsbedarfs von 170.000 € ausmachte, lagen insoweit keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen durch den Gutachter vor. Die vom Finanzamt vorgenommene Kürzung des Reparaturaufwands, das für sieben Wohnungen Renovierungskosten berücksichtigt hatte, war zutreffend.
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