07.04.2015

Gemeinnützigkeit: Betrieb eines Hotels als steuerbegünstigter Zweckbetrieb?

In der Rechtsprechung ist bislang nicht hinreichend geklärt, ob und inwieweit Beweiserleichterungen bei Prüfung der Zwei-Drittel-Quote gem. § 66 Abs. 3 AO oder des Merkmals der "Gesamtrichtung" gem. § 65 Nr. 1 AO gewährt werden können. Von grundsätzlicher Bedeutung ist ferner die Frage, ob die Förderung der Jugendhilfe sämtliche nach dem SGB VIII möglichen Maßnahmen, auch solche der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie, auch soweit diese freiwillig von Trägern der freien Jugendhilfe durchgeführt werden, erfasst.

FG Köln 19.2.2015, 13 K 3354/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein seit 1968 eingetragener Verein und als gemeinnützige Körperschaft anerkannt. Laut seiner Satzung ist sein Zweck die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, die Förderung der Jugend- und Altenhilfe, die Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen, die Förderung der Familie und insbesondere die Förderung von Erholung und Bildung. Der Satzungszweck wird insbesondere durch die Trägerschaft und Unterhaltung einer Ferien- und Bildungsstätte (nachfolgend Hotel) verwirklicht.

Das Hotel ist mit Zimmern für Einzelpersonen, Paare (Doppelzimmer) und Familien ausgestattet, ferner gibt es spezielle Behindertenzimmer. Als Gemeinschaftsräume stehen diverse Gruppenräume, darunter mehrere Speiseräume sowie Konferenzräume, und ein - erst nach den Streitjahren 2003 und 2005 eröffnetes - Gesundheits- und Erholungszentrum zur Verfügung. Für Kinder sind eine Turnhalle sowie weitere Räume und Außenanlagen verfügbar. Das Hotel bietet ferner ein Café, eine Braustube und einen Biergarten, die auch für auswärtige Besucher nutzbar sind.

Mit dem Finanzamt stritt der Kläger darüber, ob er in den Streitjahren mit dem Betrieb des Hotels teilweise einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb unterhielt oder ob der Hotelbetrieb im vollen Umfang einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellte. Er war der Ansicht, das Finanzamt übersehe, dass § 16 SGB VIII gerade Angebote der Erholung und Bildung als Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe definiere und er - der Kläger - diese Zwecke verfolge. Angebote i.S.d. § 16 SGB VIII umfassten schon begrifflich Unterkunfts- und Verpflegungsangebote, eine Unterscheidung von unmittelbaren und mittelbaren Leistungen sehe das Gesetz nicht vor. Ebenso bestehe keine Begrenzung auf Familien in besonders belasteten Situationen. Unabhängig davon sei sein Angebot in weit stärkerem Maße als kommerzielle Hotelbetriebe auf derartige Situationen ausgelegt.

Das FG wies die gegen die Änderungsbescheide gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Das Hotel ist kein Zweckbetrieb entsprechend des in § 68 AO enthaltenen Katalogs von Zweckbetrieben. Der Kläger betreibt kein Heim und keinen Mahlzeitendienst i.S.d. § 68 Nr. 1a AO. Insbesondere liegt kein Erholungsheim vor. Der Betrieb eines Hotels mit Einzelzimmern, Doppelzimmern und Ferienwohnungen unterscheidet sich deutlich von einem Heimbetrieb i.S.d. Heimgesetzes. Da der Kläger schon kein Heim betreibt, konnte dahingestellt bleiben, ob der Betrieb überdies nicht in besonderem Maße, d.h. gem. § 66 Abs. 3 AO zu zwei Drittel seiner Leistungen, den in § 53 AO genannten Personen dient. Der Betrieb eines Hotels fällt auch nicht unter die - von den in § 53 AO genannten Personen und der Zwei-Drittel-Quote unabhängigen - Definition in § 68 Nr. 1b AO. Auch unter Berücksichtigung des vom Kläger benannten "Integrationsansatzes" liegt kein in § 68 AO genannter Zweckbetrieb vor.

Das Hotel ist auch keine als Zweckbetrieb definierte Einrichtung der Wohlfahrtspflege gem. § 66 AO. Es war schließlich nicht feststellbar, dass zwei Drittel der Leistungen an den in § 53 AO genannten Personenkreis erbracht werden. Würde man es im Streitfall oder in ähnlichen Fällen ausreichen lassen, dass eine Schätzung der Besuchergruppen eines Übernachtungs- oder Bewirtungsbetriebes diesen bereits zur Einrichtung der Wohlfahrtspflege macht, würde dies neben einer sehr streitanfälligen und kaum justiziablen Verwaltungspraxis zu erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigungen führen.

Das Hotel stellt auch keinen Zweckbetrieb nach der allgemeinen Regelung des § 65 AO dar. Es lagen schon die Voraussetzungen des § 65 Nr. 1 AO nicht vor. Da bereits diese Voraussetzungen nicht vorlagen, war es unerheblich, ob die Einordnung als Zweckbetrieb überdies an § 65 Nr. 2 AO scheiterte. Ebenso war es im Ergebnis unerheblich, ob es überdies an den Voraussetzungen des § 65 Nr. 3 AO fehlte.

In der Rechtsprechung ist bislang nicht hinreichend geklärt, ob und inwieweit Beweiserleichterungen bei Prüfung der Zwei-Drittel-Quote gem. § 66 Abs. 3 AO oder des Merkmals der "Gesamtrichtung" gem. § 65 Nr. 1 AO gewährt werden können. Von grundsätzlicher Bedeutung ist ferner die Frage, ob die Förderung der Jugendhilfe sämtliche nach dem SGB VIII möglichen Maßnahmen, auch solche der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie, auch soweit diese freiwillig von Trägern der freien Jugendhilfe durchgeführt werden, erfasst. Auch ist von grundsätzlicher Bedeutung, ob über den "Integrationsgedanken" eine erweiterte Auslegung des Gemeinnützigkeits- und Zweckbetriebskatalogs, losgelöst vom Verfahren der Anerkennung neuer gemeinnütziger Zwecke gem. § 52 Abs. 2 S. 2-3 AO, dahingehend möglich ist, dass Leistungen an eine nicht begünstigte Gruppe als Integrationsleistung an die begünstigte Gruppe verstanden werden.

Linkhinweis:

  • Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.nrwe.de - Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
  • Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
FG Köln online
Zurück