Generationennachfolge-Verbund bei Nacherbschaft
Kurzbesprechung
BFH v. 16.6.2021 - X R 30/20
EStG § 22 Nr. 1 S 1 , EStG § 22 Nr. 1a , EStG § 10 Abs 1a S 1 Nr. 2 , EStG § 22 Nr. 1b , EStG § 10 Abs 1 Nr. 1a S 1 , BGB § 2100 , BGB § 2303 Abs 1 , BGB § 2306 Abs 1 S 2 Halbs 1 , BGB § 2306 Abs 2 , ZPO § 323 , EStG VZ 2014 , EStG VZ 2015 , EStG VZ 2016 , BGB § 2113 , BGB § 2114 , BGB § 2115.
Der Steuerpflichtige war zunächst mit seinem Vater (V) Miteigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses. V war an der Grundstücksgemeinschaft zu 75 %, der Steuerpflichtige zu 25 % beteiligt. V verstarb im Jahr 1989. Testamentarische Alleinerbin wurde die Stiefmutter (S) des Steuerpflichtigen, allerdings als nicht befreite Vorerbin. Als Nacherben nach dem Tod der S bestimmte V den Steuerpflichtigen. V beschwerte S mit dem Vermächtnis, dem Steuerpflichtigen "in der Zeit der Vorerbschaft" 25 % der Einnahmen aus dem vererbten Grund- und Wertpapiervermögen zukommen zu lassen. Der Steuerpflichtige setzte die Grundstücksgemeinschaft nach dem Tod des V mit S fort. Entsprechend der testamentarischen Anordnung bezog er in den Streitjahren von S aus den ihr zuzurechnenden Einnahmen aus der Vermietung des Mehrfamilienhauses.
Nachdem das FA von dem Vermächtnis erstmals im Jahr 2016 Kenntnis erlangt hatte, ging es von einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen aus und besteuerte die Zahlungen der S für die Streitjahre als sonstige Einkünfte.
So entschied auch der BFH. Die Vermächtniszahlungen erfüllen für S die Voraussetzungen eines Sonderausgabenabzugs. Es handelt sich um auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (EStG 2007). Die durch letztwillige Verfügung des V zu Gunsten des Steuerpflichtigen angeordneten Zahlungen sind dem durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geprägten Sonderrechtsinstitut einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen vergleichbar.
Von einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen wurden und werden grundsätzlich Leistungen erfasst, die anlässlich einer Betriebs- oder sonst begünstigten Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Vermögensübergeber vorbehalten worden sind. Solche, nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG 2007 als Sonderausgaben abzugsfähigen Leistungen unterscheiden sich von --steuerrechtlich grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähigen-- Unterhaltsleistungen gemäß § 12 Nr. 1 EStG durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG.
Einer lebzeitigen Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen stellt der BFH den Fall gleich, dass die Versorgungsleistungen ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung haben. Hierfür wird vorausgesetzt, dass sich der Vermögensübergeber Versorgungsleistungen für solche Personen vorbehält, die ihm gegenüber erb- oder pflichtteilsberechtigt sind, d.h. insbesondere der überlebende Ehepartner und Kinder.
Im Streitfall war das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Anordnungen des V in dessen letztwilliger Verfügung als Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 2007 anzusehen sind.
V hatte nach Maßgabe der zum Zeitpunkt des Erbfalls im Jahr 1989 geltenden Rechtslage begünstigtes Vermögen, nämlich einen Miteigentumsanteil an einer Immobilie, auf seine zweite Ehefrau S übertragen. S war der Miteigentumsanteil an der vermieteten Immobilie mit Eintritt des Erbfalls auch zivil- und steuerrechtlich zuzurechnen. Trotz der in §§ 2113 bis 2115 BGB geregelten Beschränkungen ist der Vorerbe vollwertiger Erbe und wird Eigentümer des Nachlasses, ihm gebühren die Nutzungen hieraus. Die von S erbrachten Zahlungen stellen sich zudem als Leistungen dar, die sich V als Vermögensübergeber und Erblasser zu Gunsten des Steuerpflichtigen als einer ihm gegenüber erb- bzw. pflichtteilsberechtigten Person aus dem an S übertragenen Miteigentumsanteil an der Immobilie vorbehalten hat. Die Zahlungen treten jedenfalls für die Zeit der Vorerbschaft der S an die Stelle erbrechtlicher Ansprüche des Steuerpflichtigen auf das Vermögen.
Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich von den bislang durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu entschiedenen Fällen darin, dass der Steuerpflichtige, der als grundsätzlich pflichtteilsberechtigter Abkömmling des V (§ 2303 Abs. 1 BGB) zu dessen Generationennachfolge-Verbund gehört, nicht dauerhaft und endgültig auf erbrechtliche Positionen verzichtet. Die testamentarische Anordnung des V, S als alleinige Erbin einzusetzen, schließt den Steuerpflichtigen nicht von seiner Erbenstellung aus. Als Nacherbe i.S. von § 2100 BGB ist seine Erbeinsetzung lediglich zeitlich nachrangig ausgestaltet. Er bleibt gesetzlicher Erbe erster Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB) und wird --wenn auch erst mit Eintritt des Nacherbfalls, d.h. mit dem Tod der Vorerbin S-- Gesamtrechtsnachfolger nach V (§ 2139 BGB). Vor- und Nacherbe sind beide Erben desselben Erblassers und derselben Erbschaft und folgen nur zeitlich einander nach. Fehlt es somit an einem durch Verfügung von Todes wegen erfolgten Ausschluss von der Erbfolge, kann jedenfalls ein nach § 2303 Abs. 1 BGB begründetes Pflichtteilsrecht, auf das der Steuerpflichtigen zu Gunsten von vermächtnisweise festgelegten Versorgungsleistungen hätte verzichten können, nicht bestehen.
Allerdings wird der Steuerpflichtige als Nacherbe für die --zeitlich ungewisse-- Dauer der Vorerbschaft der S hinsichtlich seines Erbrechts bei wirtschaftlicher Betrachtung beschränkt. Er ist während dieser Zeit von der Nutzung des zivilrechtlich als Sondervermögen zu behandelnden Nachlasses ausgeschlossen. Sein Anwartschaftsrecht an den Nachlassgegenständen sichert zwar die nacherbrechtliche Stellung, vermittelt für die Phase der Vorerbschaft in Bezug auf die Nutzung des Nachlasses aber keinen wirtschaftlichen Wert.
Der Zuordnung der Zahlungen der S zu Versorgungsleistungen steht nicht der Umstand entgegen, dass diese vom Kläger bei typisierender Betrachtung der zivilrechtlichen Ausgangslage nicht lebenslang, sondern lediglich für die zeitlich ungewisse Dauer der Vorerbschaft bezogen werden sollen.
Das FG hatte zudem zutreffend entschieden, dass die Zahlungen der S als abänderbare dauernde Last und nicht als gleichbleibende --nur mit dem Ertragsanteil in Ansatz zu bringende-- Leibrente gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG2007 zu berücksichtigen sind.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 22 Nr. 1 S 1 , EStG § 22 Nr. 1a , EStG § 10 Abs 1a S 1 Nr. 2 , EStG § 22 Nr. 1b , EStG § 10 Abs 1 Nr. 1a S 1 , BGB § 2100 , BGB § 2303 Abs 1 , BGB § 2306 Abs 1 S 2 Halbs 1 , BGB § 2306 Abs 2 , ZPO § 323 , EStG VZ 2014 , EStG VZ 2015 , EStG VZ 2016 , BGB § 2113 , BGB § 2114 , BGB § 2115.
Der Steuerpflichtige war zunächst mit seinem Vater (V) Miteigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses. V war an der Grundstücksgemeinschaft zu 75 %, der Steuerpflichtige zu 25 % beteiligt. V verstarb im Jahr 1989. Testamentarische Alleinerbin wurde die Stiefmutter (S) des Steuerpflichtigen, allerdings als nicht befreite Vorerbin. Als Nacherben nach dem Tod der S bestimmte V den Steuerpflichtigen. V beschwerte S mit dem Vermächtnis, dem Steuerpflichtigen "in der Zeit der Vorerbschaft" 25 % der Einnahmen aus dem vererbten Grund- und Wertpapiervermögen zukommen zu lassen. Der Steuerpflichtige setzte die Grundstücksgemeinschaft nach dem Tod des V mit S fort. Entsprechend der testamentarischen Anordnung bezog er in den Streitjahren von S aus den ihr zuzurechnenden Einnahmen aus der Vermietung des Mehrfamilienhauses.
Nachdem das FA von dem Vermächtnis erstmals im Jahr 2016 Kenntnis erlangt hatte, ging es von einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen aus und besteuerte die Zahlungen der S für die Streitjahre als sonstige Einkünfte.
So entschied auch der BFH. Die Vermächtniszahlungen erfüllen für S die Voraussetzungen eines Sonderausgabenabzugs. Es handelt sich um auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (EStG 2007). Die durch letztwillige Verfügung des V zu Gunsten des Steuerpflichtigen angeordneten Zahlungen sind dem durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geprägten Sonderrechtsinstitut einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen vergleichbar.
Von einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen wurden und werden grundsätzlich Leistungen erfasst, die anlässlich einer Betriebs- oder sonst begünstigten Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Vermögensübergeber vorbehalten worden sind. Solche, nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG 2007 als Sonderausgaben abzugsfähigen Leistungen unterscheiden sich von --steuerrechtlich grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähigen-- Unterhaltsleistungen gemäß § 12 Nr. 1 EStG durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG.
Einer lebzeitigen Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen stellt der BFH den Fall gleich, dass die Versorgungsleistungen ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung haben. Hierfür wird vorausgesetzt, dass sich der Vermögensübergeber Versorgungsleistungen für solche Personen vorbehält, die ihm gegenüber erb- oder pflichtteilsberechtigt sind, d.h. insbesondere der überlebende Ehepartner und Kinder.
Im Streitfall war das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Anordnungen des V in dessen letztwilliger Verfügung als Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 2007 anzusehen sind.
V hatte nach Maßgabe der zum Zeitpunkt des Erbfalls im Jahr 1989 geltenden Rechtslage begünstigtes Vermögen, nämlich einen Miteigentumsanteil an einer Immobilie, auf seine zweite Ehefrau S übertragen. S war der Miteigentumsanteil an der vermieteten Immobilie mit Eintritt des Erbfalls auch zivil- und steuerrechtlich zuzurechnen. Trotz der in §§ 2113 bis 2115 BGB geregelten Beschränkungen ist der Vorerbe vollwertiger Erbe und wird Eigentümer des Nachlasses, ihm gebühren die Nutzungen hieraus. Die von S erbrachten Zahlungen stellen sich zudem als Leistungen dar, die sich V als Vermögensübergeber und Erblasser zu Gunsten des Steuerpflichtigen als einer ihm gegenüber erb- bzw. pflichtteilsberechtigten Person aus dem an S übertragenen Miteigentumsanteil an der Immobilie vorbehalten hat. Die Zahlungen treten jedenfalls für die Zeit der Vorerbschaft der S an die Stelle erbrechtlicher Ansprüche des Steuerpflichtigen auf das Vermögen.
Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich von den bislang durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu entschiedenen Fällen darin, dass der Steuerpflichtige, der als grundsätzlich pflichtteilsberechtigter Abkömmling des V (§ 2303 Abs. 1 BGB) zu dessen Generationennachfolge-Verbund gehört, nicht dauerhaft und endgültig auf erbrechtliche Positionen verzichtet. Die testamentarische Anordnung des V, S als alleinige Erbin einzusetzen, schließt den Steuerpflichtigen nicht von seiner Erbenstellung aus. Als Nacherbe i.S. von § 2100 BGB ist seine Erbeinsetzung lediglich zeitlich nachrangig ausgestaltet. Er bleibt gesetzlicher Erbe erster Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB) und wird --wenn auch erst mit Eintritt des Nacherbfalls, d.h. mit dem Tod der Vorerbin S-- Gesamtrechtsnachfolger nach V (§ 2139 BGB). Vor- und Nacherbe sind beide Erben desselben Erblassers und derselben Erbschaft und folgen nur zeitlich einander nach. Fehlt es somit an einem durch Verfügung von Todes wegen erfolgten Ausschluss von der Erbfolge, kann jedenfalls ein nach § 2303 Abs. 1 BGB begründetes Pflichtteilsrecht, auf das der Steuerpflichtigen zu Gunsten von vermächtnisweise festgelegten Versorgungsleistungen hätte verzichten können, nicht bestehen.
Allerdings wird der Steuerpflichtige als Nacherbe für die --zeitlich ungewisse-- Dauer der Vorerbschaft der S hinsichtlich seines Erbrechts bei wirtschaftlicher Betrachtung beschränkt. Er ist während dieser Zeit von der Nutzung des zivilrechtlich als Sondervermögen zu behandelnden Nachlasses ausgeschlossen. Sein Anwartschaftsrecht an den Nachlassgegenständen sichert zwar die nacherbrechtliche Stellung, vermittelt für die Phase der Vorerbschaft in Bezug auf die Nutzung des Nachlasses aber keinen wirtschaftlichen Wert.
Der Zuordnung der Zahlungen der S zu Versorgungsleistungen steht nicht der Umstand entgegen, dass diese vom Kläger bei typisierender Betrachtung der zivilrechtlichen Ausgangslage nicht lebenslang, sondern lediglich für die zeitlich ungewisse Dauer der Vorerbschaft bezogen werden sollen.
Das FG hatte zudem zutreffend entschieden, dass die Zahlungen der S als abänderbare dauernde Last und nicht als gleichbleibende --nur mit dem Ertragsanteil in Ansatz zu bringende-- Leibrente gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG2007 zu berücksichtigen sind.