30.03.2011

Gesellschafter-Geschäftsführer: Kein Zufluss von Arbeitslohn bei Gehaltsverzicht ohne wirtschaftlichen Ausgleich

Verzichtet ein Gesellschafter-Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft auf bestehende oder künftige Entgeltansprüche, so fließen ihm insoweit keine Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu, als er dadurch eine tatsächliche Vermögenseinbuße erleidet. Etwas anderes gilt nur, wenn der verzichtende Gesellschafter den Erlass gewährt und dadurch eine (verdeckte) Einlage leistet; denn hierdurch erleidet er keine Vermögenseinbuße, sondern bewirkt eine Umschichtung seines Vermögens.

BFH 3.2.2011, VI R 4/10
Der Sachverhalt:
Streitig ist die Nachversteuerung vertraglich zugesagten, aber nicht zur Auszahlung gebrachten Weihnachtsgeldes. Der Kläger ist Rechtsnachfolger einer GmbH, an deren Kapital er und seine Ehefrau mit je 50 Prozent beteiligt waren. Im Gesellschaftsvertrag war vereinbart, dass Gesellschafterbeschlüsse der einfachen Mehrheit bedürfen, wobei die Abstimmung nach Geschäftsanteilen erfolgte. Mit Anstellungsvertrag von November 1995 wurde der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Er war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

Er hatte Anspruch auf ein Gehalt von mtl. 6.000 DM. Darüber hinaus wurde ihm ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehaltes zugesichert. Obwohl sich die GmbH nicht in Zahlungsschwierigkeiten befand, wurde dem Kläger das vereinbarte Weihnachtsgeld in den Jahren 1998 bis 2001 nicht ausgezahlt. Entsprechende Nachträge zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag hierzu wurden nicht vorgenommen. Unstreitig hatte die Gesellschaft das Weihnachtsgeld auch weder als Aufwand gebucht noch dafür entsprechende Passivposten in ihrer Bilanz ausgewiesen.

Das Finanzamt nahm im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung die GmbH mit Haftungsbescheid für Lohn- und Kirchensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag der Jahre 1998 bis 2002 in Anspruch, soweit für das Weihnachtsgeld keine Lohnsteuer einbehalten worden war. Es war der Auffassung, dass bei einem beherrschenden Gesellschafter nach der Rechtsprechung BFH eine Forderung bei Fälligkeit als zugeflossen gelte und dies auch vorliegend für das vertraglich zugesagte Weihnachtsgeld gelten müsse, nachdem der Kläger darauf nicht klar, eindeutig und im Voraus verzichtet habe.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der angefochtene Haftungsbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Die GmbH war wegen des streitigen Weihnachtsgeldes nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.

Nach § 38 Abs. 3 S. 1 EStG hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und abzuführen (§ 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Nach § 38 Abs. 2 S. 2 EStG entsteht die Lohnsteuer jedoch erst in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Da sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet, kann das Zufließen i.S.d. § 11 EStG nicht fingiert werden. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung hiervon lediglich bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft. Bei diesen wird angenommen, dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen können und ihnen damit entsprechende Einnahmen zugeflossen sind.

Hingegen sind nach der Rechtsprechung des BFH keine Einnahmen zugeflossen, wenn der Gläubiger (Gesellschafter) gegenüber dem Schuldner (Gesellschaft) auf bestehende oder künftige Ansprüche ohne Ausgleich verzichtet und dadurch eine Vermögenseinbuße erleidet. Etwas anderes gilt nur, wenn der verzichtende Gesellschafter den Erlass gewährt und dadurch eine (verdeckte) Einlage leistet. Denn hierdurch erleidet er keine Vermögenseinbuße, sondern bewirkt eine Umschichtung seines Vermögens. Nach diesen Grundsätzen hat das FG vorliegend im Ergebnis zutreffend darauf erkannt, dass dem Kläger das streitige Weihnachtsgeld weder tatsächlich noch bei Fälligkeit oder im Wege einer verdeckten Einlage zugeflossen ist. Insbes. gelten die von der GmbH nicht ausgezahlten Beträge dem Kläger nicht mit Fälligkeit des Weihnachtsgeldes als zugeflossen. Denn die Grundsätze über den Zufluss von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter sind vorliegend nicht anzuwenden.

Zum einen haben sich die streitigen Beträge bei der Ermittlung des Einkommens der GmbH nicht ausgewirkt. Denn sie sind unstreitig in den Büchern der Gesellschaft nicht als Gehaltsaufwand erfasst worden. Schon deshalb kommt vorliegend ein Zufluss bei Fälligkeit nicht in Betracht. Zum anderen war der Kläger im Haftungszeitraum kein beherrschender Gesellschafter der GmbH. Dies verkennt das Finanzamt. Der Kläger war nach den nicht angefochtenen Feststellungen des FG lediglich zu 50 Prozent am Stammkapital der GmbH beteiligt und besaß keine Stimmrechtsmehrheit. In einem solchen Fall ist der Gesellschafter kein beherrschender.

Zwar kein ein Gesellschafter, der nicht mehr als 50 Prozent der Gesellschaftsanteile hält, nach ständiger Rechtsprechung einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden, wenn er mit anderen gleichgerichtete materielle, d.h. finanzielle Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirkt, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen. Im Streitfall liegen aber keine Hinweise auf ein diesbezügliches Verhalten vor. Allein der Umstand, dass die Gesellschafter Eheleute sind, kann eine entsprechende Vermutung jedenfalls nicht begründen.

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