Gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber einem Vermächtnisnehmer
Kurzbesprechung
BFH v. 6.5.2021 - II R 34/18
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 3
BewG § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 154 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
AO § 125 Abs. 1
Ein Erbfall kann mehrere Erwerbstatbestände nach § 3 des ErbStG auslösen. Im Fall des Vermächtnisses erfüllen sowohl der Erbe als auch der Vermächtnisnehmer den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Erbe erwirbt durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB), der Vermächtnisnehmer durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 ErbStG i.V.m. §§ 2147 ff. BGB). Die beiden Erwerbe erfolgen unabhängig voneinander, allerdings mindert der Wert des Vermächtnisses den steuerpflichtigen Erwerb des Erben als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Erben und Vermächtnisnehmer sind jeweils nur Steuerschuldner für ihren eigenen Erwerb (vgl. § 20 Abs. 1 ErbStG).
Gegenstand des Erwerbs eines Vermächtnisnehmers ist der schuldrechtliche Anspruch gegen den Erben. Beim sog. Sachvermächtnis ist dies der Anspruch auf Herausgabe des im Wege des Vermächtnisses zugewandten Gegenstands und nicht der Gegenstand selbst. Ungeachtet dessen ist dieser Anspruch für Zwecke der Erbschaftsteuer nach dem Steuerwert des im Wege des Vermächtnisses zugewandten Gegenstands zu bewerten.
Der Erbe hat den nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellenden Grundbesitzwert als zum Nachlass gehörend zu versteuern, kann jedoch im Gegenzug eine Verbindlichkeit aus einem Vermächtnis nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vom steuerpflichtigen Erwerb abziehen. Der Vermächtnisverbindlichkeit entspricht die Vermächtnisforderung beim Vermächtnisnehmer. Bei einem Grundstücksvermächtnis ist für den Erwerb des Erben, für den Wert der beim Erben nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG anzusetzenden Verbindlichkeit wie auch für den Erwerb des Vermächtnisnehmers jeweils derselbe, nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festgestellte Grundbesitzwert der Besteuerung zugrunde zu legen. Andernfalls müsste der Wert jeweils eigenständig ermittelt werden. Dies will § 12 Abs. 3 ErbStG mit dem Verweis auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gerade vermeiden.
Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. Die Entscheidung über die Bedeutung für die Besteuerung trifft das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer oder die Feststellung nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 zuständige Finanzamt (§ 151 Abs. 1 Satz 2 BewG). Nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BewG sind am Feststellungsverfahren beteiligt diejenigen, denen der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen ist (Nr. 1), diejenigen, die das Finanzamt zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat (Nr. 2), und diejenigen, die eine Steuer als Schuldner oder Gesamtschuldner schulden und für deren Festsetzung die Feststellung von Bedeutung ist (Nr. 3).
Inhaltsadressat der Feststellung des Grundbesitzwerts (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) ist der Erbe, weil die Feststellung für seine Besteuerung von Bedeutung ist. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die Feststellung z.B. gegenüber einer Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben erfolgt. Inhaltsadressaten der Feststellung bleiben in diesem Fall die Miterben. Die Miterben sind als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer ebenfalls am Feststellungsverfahren beteiligt.
Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben ebenfalls am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Sachvermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes, zum Nachlass gehörendes Grundstück ist. Dies folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG, denn die Vermächtnisnehmer schulden nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Erbschaftsteuer, für die die Wertfeststellung von Bedeutung ist. Die Wertfeststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG ist für die Besteuerung des Vermächtnisnehmers von Bedeutung, denn der festgestellte Grundbesitzwert ist bei der Besteuerung dessen Erwerbs durch Vermächtnis zugrunde zu legen.
Der Umstand, dass der Vermächtnisanfall einen anderen Erwerbsvorgang bildet, ist unerheblich. Vermächtnisnehmer sind darüber hinaus am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn das Finanzamt sie zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG).Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder --bei mehreren-- den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen. Die Beteiligung der Vermächtnisnehmer nach § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG spricht gerade gegen eine solche gesonderte Feststellung allein gegenüber den Vermächtnisnehmern.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob (wie im Streitfall) ein fälschlicherweise allein gegenüber einem Vermächtnisnehmer erlassener Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts mangels Bestimmtheit oder aus anderen Gründen unwirksam ist.
Lässt sich dem Bescheid zweifelsfrei entnehmen, wer Inhaltsadressat der Feststellung des Grundbesitzwerts (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) sein soll, reicht dies für die Bestimmtheit aus. Insoweit unterscheiden sich materiell-rechtliche Fehler bei der Auswahl der Feststellungsbeteiligten oder das Fehlen einzelner Feststellungsbeteiligter von der unzureichenden Bezeichnung der Feststellungsbeteiligten, z.B. bei fehlender Benennung der zu einer Erbengemeinschaft gehörenden Erben. Ist der Bescheid jedoch an einen bestimmten Inhaltsadressaten gerichtet, ist es für die Wirksamkeit ohne Bedeutung, ob der gleiche Bescheid auch gegenüber einem anderen Feststellungsbeteiligten hätte ergehen dürfen oder müssen.
Ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer ist nicht nichtig i.S.v. § 125 AO. Da der Vermächtnisnehmer an dem Feststellungsverfahren gegenüber dem Erben nach § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG beteiligt werden kann, entbehrt ein solcher Bescheid nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage. Aus diesem ergibt sich unzweifelhaft, was wem gegenüber festgestellt wird. Dass ein solcher Bescheid die übrigen Feststellungsbeteiligten, insbesondere den Erben, nicht einschließt, macht ihn nicht unwirksam.
Verlag Dr. Otto Schmidt
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 3
BewG § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 154 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
AO § 125 Abs. 1
Ein Erbfall kann mehrere Erwerbstatbestände nach § 3 des ErbStG auslösen. Im Fall des Vermächtnisses erfüllen sowohl der Erbe als auch der Vermächtnisnehmer den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Erbe erwirbt durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB), der Vermächtnisnehmer durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 ErbStG i.V.m. §§ 2147 ff. BGB). Die beiden Erwerbe erfolgen unabhängig voneinander, allerdings mindert der Wert des Vermächtnisses den steuerpflichtigen Erwerb des Erben als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Erben und Vermächtnisnehmer sind jeweils nur Steuerschuldner für ihren eigenen Erwerb (vgl. § 20 Abs. 1 ErbStG).
Gegenstand des Erwerbs eines Vermächtnisnehmers ist der schuldrechtliche Anspruch gegen den Erben. Beim sog. Sachvermächtnis ist dies der Anspruch auf Herausgabe des im Wege des Vermächtnisses zugewandten Gegenstands und nicht der Gegenstand selbst. Ungeachtet dessen ist dieser Anspruch für Zwecke der Erbschaftsteuer nach dem Steuerwert des im Wege des Vermächtnisses zugewandten Gegenstands zu bewerten.
Der Erbe hat den nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festzustellenden Grundbesitzwert als zum Nachlass gehörend zu versteuern, kann jedoch im Gegenzug eine Verbindlichkeit aus einem Vermächtnis nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vom steuerpflichtigen Erwerb abziehen. Der Vermächtnisverbindlichkeit entspricht die Vermächtnisforderung beim Vermächtnisnehmer. Bei einem Grundstücksvermächtnis ist für den Erwerb des Erben, für den Wert der beim Erben nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG anzusetzenden Verbindlichkeit wie auch für den Erwerb des Vermächtnisnehmers jeweils derselbe, nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert festgestellte Grundbesitzwert der Besteuerung zugrunde zu legen. Andernfalls müsste der Wert jeweils eigenständig ermittelt werden. Dies will § 12 Abs. 3 ErbStG mit dem Verweis auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gerade vermeiden.
Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. Die Entscheidung über die Bedeutung für die Besteuerung trifft das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer oder die Feststellung nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 zuständige Finanzamt (§ 151 Abs. 1 Satz 2 BewG). Nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BewG sind am Feststellungsverfahren beteiligt diejenigen, denen der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen ist (Nr. 1), diejenigen, die das Finanzamt zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat (Nr. 2), und diejenigen, die eine Steuer als Schuldner oder Gesamtschuldner schulden und für deren Festsetzung die Feststellung von Bedeutung ist (Nr. 3).
Inhaltsadressat der Feststellung des Grundbesitzwerts (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) ist der Erbe, weil die Feststellung für seine Besteuerung von Bedeutung ist. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die Feststellung z.B. gegenüber einer Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben erfolgt. Inhaltsadressaten der Feststellung bleiben in diesem Fall die Miterben. Die Miterben sind als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer ebenfalls am Feststellungsverfahren beteiligt.
Vermächtnisnehmer sind wie Erben und Miterben ebenfalls am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn Gegenstand des Sachvermächtnisses ein nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gesondert zu bewertendes, zum Nachlass gehörendes Grundstück ist. Dies folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG, denn die Vermächtnisnehmer schulden nach § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Erbschaftsteuer, für die die Wertfeststellung von Bedeutung ist. Die Wertfeststellung nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG ist für die Besteuerung des Vermächtnisnehmers von Bedeutung, denn der festgestellte Grundbesitzwert ist bei der Besteuerung dessen Erwerbs durch Vermächtnis zugrunde zu legen.
Der Umstand, dass der Vermächtnisanfall einen anderen Erwerbsvorgang bildet, ist unerheblich. Vermächtnisnehmer sind darüber hinaus am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn das Finanzamt sie zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG).Eine (eigene) gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten allein gegenüber dem oder --bei mehreren-- den Vermächtnisnehmern ist in §§ 151 ff. BewG nicht vorgesehen. Die Beteiligung der Vermächtnisnehmer nach § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG spricht gerade gegen eine solche gesonderte Feststellung allein gegenüber den Vermächtnisnehmern.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob (wie im Streitfall) ein fälschlicherweise allein gegenüber einem Vermächtnisnehmer erlassener Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts mangels Bestimmtheit oder aus anderen Gründen unwirksam ist.
Lässt sich dem Bescheid zweifelsfrei entnehmen, wer Inhaltsadressat der Feststellung des Grundbesitzwerts (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) sein soll, reicht dies für die Bestimmtheit aus. Insoweit unterscheiden sich materiell-rechtliche Fehler bei der Auswahl der Feststellungsbeteiligten oder das Fehlen einzelner Feststellungsbeteiligter von der unzureichenden Bezeichnung der Feststellungsbeteiligten, z.B. bei fehlender Benennung der zu einer Erbengemeinschaft gehörenden Erben. Ist der Bescheid jedoch an einen bestimmten Inhaltsadressaten gerichtet, ist es für die Wirksamkeit ohne Bedeutung, ob der gleiche Bescheid auch gegenüber einem anderen Feststellungsbeteiligten hätte ergehen dürfen oder müssen.
Ein eigenständiger Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert gegenüber einem Vermächtnisnehmer ist nicht nichtig i.S.v. § 125 AO. Da der Vermächtnisnehmer an dem Feststellungsverfahren gegenüber dem Erben nach § 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG beteiligt werden kann, entbehrt ein solcher Bescheid nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage. Aus diesem ergibt sich unzweifelhaft, was wem gegenüber festgestellt wird. Dass ein solcher Bescheid die übrigen Feststellungsbeteiligten, insbesondere den Erben, nicht einschließt, macht ihn nicht unwirksam.