Gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2013
Niedersächsisches FG 28.10.2015, 3 K 420/14Der Kläger ist Steuerberater und erzielt daraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Das Finanzamt folgte zunächst den Angaben des Klägers in der Einkommensteuererklärung 2013 mit dem Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG (Günstigerprüfung) sowie dem Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalt für bestimmte Kapitaleinkünfte. Er hatte zugleich angegeben, dass Abgeltungssteuer und Nebenleistungen nicht einbehalten worden waren. Das Finanzamt erließ unter dem 22.8.2014 erklärungsgemäß den Einkommensteuerbescheid. Nach der Darstellung des "Einkommens / zu versteuernden Einkommens" enthält der Bescheid u.a. folgende Angaben:
"Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden (Abgeltungssteuer)
Kapitalerträge 36 €
Verrechnung von Verlustvorträgen aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) -36 €
Kapitalerträge i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG 0 €
zu versteuern nach dem Grundtarif 3.250 €
ab Ermäßigung für Handwerkerleistungen 12 €
zu versteuern nach § 32d Abs. 1 EStG 0 €
festzusetzende Einkommensteuer 3.238 € "
In dem zeitgleich ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013 minderte das Finanzamt den Verlustvortrag für Einkünfte aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) um die vorgenannten 36 € und stellte den verbleibenden Verlustvortrag insoweit mit 10.389 € fest. Beide Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO. Bereits unter dem 8.9.2014 hob das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung für den Bescheid über Einkommensteuer 2013 wieder auf. Der Kläger erhob - zunächst ohne Begründung - fristgerecht Einsprüche gegen die beiden Steuerbescheide.
Mit Schreiben vom 1.10.2014 machte der Kläger erstmals geltend, durch insgesamt drei Wertpapierkäufe (Optionsscheine - DAX Puts), die letztlich wegen der anders verlaufenden Entwicklung des DAX verfallen seien, im Streitjahr aus den vergeblichen Anschaffungskosten einen Verlust von 7.060 € erlitten zu haben. Dieser Verlust sei weder in den Erträgnisaufstellungen der Bank noch in dem bei der Bank geführten "Verlusttopf" berücksichtigt worden, weil die Bank sich nach der Rechtslage nicht für berechtigt gehalten habe, solche Verluste zu berücksichtigen.
Er beantragte, die realisierten Kapitalverluste im Rahmen der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013 gem. § 20 Abs. 6 S. 3 und 4 EStG noch zu berücksichtigen. Zugleich nahm er seinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 zurück. Das Finanzamt wies den Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid zurück
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.
Die Gründe:
Der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da das Finanzamt den insoweit änderbaren Bescheid nicht geändert hat und die zusätzlichen Verluste des Klägers i.H.v. 7.060 € nicht bei dem verbleibenden Verlustabzug nach § 10d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus Kapitalvermögen (ohne die Veräußerung von Aktien) festgestellt hat. Das Finanzamt war nicht gem. § 10d Abs. 4 S. 4 EStG gehindert, einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013 zu erlassen, da es sich im Streitfall nicht um Besteuerungsgrundlagen handelte, die den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums zu Grunde gelegt worden sind.
Durch die Neufassung des § 10d Abs. 4 S. 4 und 5 EStG mit dem JStG 2010 hat der Gesetzgeber grundsätzlich als Voraussetzungen für eine Änderung der Verlustfeststellung die Änderbarkeit des entsprechenden Steuerbescheides eingeführt. Die Besteuerungsgrundlagen des bestandskräftigen Steuerbescheides sind zwingend im Verlustfeststellungsbescheid zu berücksichtigen. Andererseits werden die Einkünfte aus Kapitalvermögen durch die Einführung der Abgeltungssteuer in § 32d EStG regelmäßig nicht mehr im Steuerbescheid selbst erfasst. Lediglich durch einen Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG (Günstigerprüfung) können solche Einkünfte im Einzelfall, wenn die Günstigerprüfung zu einem für den Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis führt, bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens einbezogen werden. Insoweit werden sie dann auch Besteuerungsgrundlagen für die Steuerfestsetzung im Einkommensteuerbescheid. Vorliegend sind die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen nicht in die Steuerfestsetzung des Einkommensteuerbescheides eingeflossen. Eine Bindungswirkung an den Einkommensteuerbescheid ist nicht eingetreten.
Die Aufwendungen des Klägers für die durch Zeitablauf wertlos gewordenen Optionen (Dax Puts) sind als Veräußerungsverlust i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. Abs. 4 S. 5 EStG i.H.v. 7.060 € steuermindernd bei der Feststellung des verbleibenden Verlustabzug zu berücksichtigen und dementsprechend festzustellen. Nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich erlangt. Termingeschäft im Sinne dieser Vorschrift ist auch das Optionsgeschäft. Hierzu zählen auch Call- und Put-Optionen. Diese Rechte werden beendigt, wenn es zu einem Differenzausgleich führt.
Kommt es aber - wie bei Derivatgeschäften üblicherweise - nicht zu einem Basisgeschäft, wird das Termingeschäft anderweitig beendet, z.B. durch einen Barausgleich. Dieser Barausgleich ist der Differenzausgleich i.S.d. vorgenannten Norm. Das Gesetz erfasst mit dem Barausgleich nicht nur eine positive Differenz, sondern folgerichtig auch eine negative Differenz als Verlust, Vorteil ist auch der Nachteil, soweit er auf den Basisgeschäft beruht. Wird eine solche Option nicht ausgeübt und als wertlos von der Bank ausgebucht, bleibt das Termingeschäft zwar ohne Differenzausgleich im Basisgeschäft. Da aber auch eine negative Differenz steuerbar wäre, muss es für das Weniger - das Nichtausüben einer wirtschaftlich wertlosen Option - schon wegen des Gebots der Gleichbehandlung des Gleichartigen (Art. 3 Abs. 1 GG) ebenso sein, mit der Folge der Abziehbarkeit der Optionsprämien als Werbungskosten.
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