02.12.2021

Gewerbesteuerbefreiung von im Rahmen der praktischen Ausbildung von Psychotherapeuten erbrachten Behandlungsleistungen

Die im Rahmen der praktischen Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeuten gegenüber Krankenkassen erbrachten Behandlungsleistungen dienen nicht unmittelbar i.S. von § 3 Nr. 13 GewStG 2002 i.V.m. § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG dem Schul- und Bildungszweck der Ausbildung der angehenden Therapeuten. Entsprechendes gilt für § 3 Nr. 13 GewStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (JStG 2019, BGBl I 2019, 2451).

Kurzbesprechung
BFH v. 26.5.2021 - V R 25/20

GewStG § 3 Nr. 13, § 3 Nr. 20 Buchst e,
UStG § 4 Nr. 21 Buchst a
EGRL 112/2006 Art 132 Abs 1 Buchst i
PsychTh-APrV § 4


Nach § 3 Nr. 13 GewStG 2002 sind private Schulen und andere allgemein bildende oder berufsbildende Einrichtungen von der Gewerbesteuer befreit, soweit ihre Leistungen nach § 4 Nr. 21 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind. Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sind unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei.

Dabei bezieht sich das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" in § 4 Nr. 21 UStG nicht auf den Inhalt der Leistungen, sondern beschreibt die Art und Weise, in der die Leistungen bei der Erfüllung des Schul- und Bildungszwecks der Einrichtung eingesetzt werden müssen. Danach dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken.

Im Streitfall hatte das FG die Bedeutung des Unmittelbarkeitserfordernisses nicht hinreichend beachtet. Dieses ist nur gewahrt, wenn eine Leistung den Schul- und Bildungszweck in der Weise unmittelbar erfüllt, dass keine weitere Leistung dazwischengeschaltet ist. Da § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG auf die Zweckdienlichkeit der Leistungen abstellt, ist für die Unmittelbarkeit die Frage maßgebend, welcher wirtschaftliche Erfolg mit der Leistung herbeigeführt werden soll.

Bezweckt der Unternehmer daher mit einer Leistung, die er gegenüber einem anderen Empfänger als dem der Schul- und Bildungsleistung erbringt, einen gegenüber der Schul- und Bildungsleistung eigenständigen wirtschaftlichen Erfolg, ist die Leistung nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG steuerfrei. Deshalb dienen z.B. bei einem Übungsfriseursalon die Leistungen, mit denen Haarschnitte etc. gegen gesondertes Entgelt des Kunden an diesen erbracht werden, nicht unmittelbar dem Schulzweck. Dass diese gegenüber dem Kunden erbrachten Leistungen zugleich im Rahmen des zu den Auszubildenden bestehenden Leistungsverhältnisses dem Schulzweck dienen, genügt nicht, um auch die gegenüber dem Kunden erbrachte Leistung als unmittelbar dem Schulzweck dienend anzusehen.

Im Streitfall dienten die von der Steuerpflichtigen erbrachten Behandlungsleistungen nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck. Diese Leistungen bewirkten nicht selbst den Bildungserfolg bei den angehenden Therapeuten, sondern wurden gegenüber den Krankenkassen erbracht und waren dabei ihrer Art nach darauf gerichtet, die psychische Erkrankung der Patienten zu heilen oder zu lindern und damit für die jeweilige Krankenkasse die Dienstleistungsverpflichtung aus dem Versicherungsverhältnis zu erfüllen.

Mit den Behandlungsleistungen hatte die Steuerpflichtige demnach einen wirtschaftlichen Erfolg gerade gegenüber der jeweiligen Krankenkasse bezweckt. Zudem kommt es nicht darauf an, ob das von den Krankenkassen für die Behandlungsleistungen gezahlte Entgelt der Ausbildung der angehenden Therapeuten zugutegekommen ist. Nach dem durch § 3 Nr. 13 GewStG 2002 in Bezug genommenen Wortlaut von § 4 Nr. 21 UStG ist maßgeblich, dass die Leistung selbst unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dient. Eine über das Leistungsentgelt vermittelte nur mittelbare Dienlichkeit der Leistung für den Schul- und Bildungszweck genügt dem ebenso wenig wie ein unmittelbares Dienen des Leistungsentgelts.

Auch der Zweck der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 21 UStG, den Zugang zu Bildungsleistungen nicht durch höhere Kosten zu versperren, verlangt im hier vorliegenden gewerbesteuerrechtlichen Zusammenhang nicht ein anderes. Denn § 3 Nr. 13 GewStG 2002 bezweckt nicht dasselbe wie § 4 Nr. 21 UStG, an den die Gewerbesteuerbefreiung lediglich rechtstechnisch anknüpft. Der Zweck des § 3 Nr. 13 GewStG 2002 ist dem unterschiedlichen Steuergegenstand von Gewerbesteuer und Umsatzsteuer entsprechend nicht auf die Entlastung bestimmter Leistungen gerichtet, sondern zielt vielmehr darauf, einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit privater Bildungsträger durch die Gewerbesteuerbelastung zu begegnen, beschränkt sich dabei aber mit Blick auf die Erfüllung des übergeordneten Bildungszwecks auf deren unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Betriebsteile.

Die Behandlungsleistungen gehören auch nicht als Nebenleistung zu den nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfreien Ausbildungsleistungen, noch bilden sie mit den steuerfreien Ausbildungsleistungen einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

Eine Gewerbesteuerfreiheit ergibt sich schließlich auch nicht --unmittelbar oder im Wege der richtlinienkonformen Auslegung-- aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).

Auch für das Streitjahr 2015 hatte das FG zu Unrecht eine Steuerbefreiung der Steuerpflichtigen im Hinblick auf die von ihr erbrachten psychotherapeutischen Behandlungsleistungen angenommen. Denn die im Rahmen der praktischen Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeuten erbrachten Behandlungsleistungen dienen nicht unmittelbar i.S. von § 3 Nr. 13 GewStG i.d.F. des JStG 2019 (GewStG n.F.) dem Schul- und Bildungszweck der Ausbildung der angehenden Therapeuten.

Nach § 3 Nr. 13 GewStG n.F., der erstmals für den Erhebungszeitraum 2015 anzuwenden ist (§ 36 Abs. 2 Satz 2 GewStG n.F.), sind private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen unter weiteren Voraussetzungen von der Steuer befreit, soweit unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen erbracht werden. Durch die Neufassung der Vorschrift, die anstelle des Verweises auf § 4 Nr. 21 UStG dessen Wortlaut --mit Ausnahme des Wegfalls des Bescheinigungserfordernisses-- sprachlich leicht verändert übernimmt, sollte der Umfang der vorherigen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG 2002 gewahrt bleiben. Für die Frage, ob die von der Steuerpflichtigen erbrachten Behandlungsleistungen dem Schul- und Bildungszweck unmittelbar dienen, gelten daher die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

Die Behandlungsleistungen waren im Streitjahr 2015 auch nicht nach § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014, BGBl I 2014, 1266 (KroatienAnpG) befreit, der ebenfalls erstmals für den Erhebungszeitraum 2015 anzuwenden ist (§ 36 Abs. 1 GewStG i.d.F. des KroatienAnpG).
Verlag Dr. Otto Schmidt
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