30.04.2013

Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg (§ 9 Nr. 2a S. 1 GewStG) nach Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 verfassungsgemäß

Die mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 erfolgte Erhöhung der Mindestbeteiligungsquote des § 9 Nr. 2a S.1 GewStG (sog. Schachtelprivileg) von 10 auf 15 Prozent ist verfassungsgemäß. Die Mindestbeteiligungsquote ist zu beziehen auf die kapitalmäßige Beteiligung an der Gesellschaft, allein eine Beteiligung an ihrem Gewinn zu mehr als 15 Prozent reicht nicht aus.

Schleswig-Holsteinisches FG 31.1.2013, 1 K 82/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine GmbH, war mit 3.000 € am Stammkapital an einer Holding-GmbH (Holding) beteiligt, das insgesamt 30.000 € umfasste, und an dem außerdem die X-GmbH (21.000 €) und die Y-GmbH (6.000 €) beteiligt waren. Die Holding hielt sämtliche Anteile an der H-GmbH. Der von der Y-GmbH gehaltene Geschäftsanteil an der Holding wurde im Jahre 2008 eingezogen, anstelle des eingezogenen Anteils wurde ein neuer Geschäftsanteil i.H.v. 6.000 € geschaffen, der der Holding als eigener zustand. Hinsichtlich der mit den eigenen Anteilen verbundenen Gewinnbezugsrechte erfolgte eine "Zuschreibung" entsprechend deren Beteiligungen bei der Klägerin und bei der X-GmbH (1:7). Der Gesellschaftsvertrag der Holding wurde geändert. Hinsichtlich der Beschlussfassung galt nicht mehr wie vorher das Mehrheits-, sondern das Einstimmigkeitsprinzip. Unverändert blieb allerdings die Regelung, dass sich die Stimmrechtsverteilung nach den Anteilen am Stammkapital bemaß.

Die Y-GmbH wehrte sich - auch gerichtlich - gegen die Einziehung ihres Geschäftsanteils, die Streitigkeiten wurden später im Wege eines Vergleichs beigelegt. Die Klägerin und die X-GmbH hatten angesichts der zu erwartenden Auseinandersetzung mit der Y-GmbH diverse Gesellschafterbeschlüsse gefasst und auch mehrere schuldrechtliche Vereinbarungen abgeschlossen. Letztere beinhalteten u.a., dass der Gewinn der Holding nicht im Verhältnis der kapitalmäßigen Beteiligungen, sondern im Verhältnis 20 zu 80 Prozent zwischen der Klägerin und der X-GmbH verteilt werden sollte. Im Jahre 2009 gründeten beide die A-GmbH, an der die Klägerin zu 20 Prozent und die X-GmbH zu 80 Prozent beteiligt waren. Die von der Holding gehaltenen Anteile an der H-GmbH wurden auf die A-GmbH übertragen. Die Klägerin erhielt im Erhebungszeitraum 2009 von der Holding eine Dividendenausschüttung.

Das Finanzamt nahm bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages i.H.v. 95 Prozent des Ausschüttungsbetrages eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG vor. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie macht geltend, sie sei angesichts der zwischen ihr und der X-GmbH getroffenen Vereinbarungen als zu 20 Prozent an der Holding beteiligt anzusehen. Wegen des sog. gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs gem. § 9 Nr. 2a GewStG komme daher eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG nicht in Betracht.

Das FG wies die Klage ab. Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Az. I R 12/13 geführt.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat dem seitens der Klägerin erklärten Gewerbeertrag zu Recht gem. § 8 Nr. 5 GewStG 95 Prozent des Ausschüttungsbetrages hinzugerechnet.

Im Hinblick auf § 9 Nr. 2a GewStG gilt, dass allein eine Beteiligung am Gewinn in Höhe der Mindestbeteiligungsquote nicht ausreicht, sondern auf die Höhe der kapitalmäßigen Beteiligung abzustellen ist. Zwar ist insofern nicht allein die nominelle Beteiligung am Stammkapital maßgeblich. Vielmehr sind Anteile i.S.d. § 9 Nr. 2a GewStG all jene, die eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen sowie am Gewinn und Verlust der Gesellschaft vermittelten, ungeachtet der Begründung etwaiger Stimmrechte. Insbes. mögliches verdecktes Eigenkapital und Genussrechte können insofern zu berücksichtigen sein. Allerdings ist vorliegend weder das eine noch das andere gegeben, so dass allein auf das Stammkapital abzustellen ist.

Bei der Ermittlung der Beteiligungsquote sind die eigenen Anteile der Holding allerdings nicht zu berücksichtigen. Daher ergibt sich selbst für den Fall, dass die Einziehung der Anteile der Y-GmbH zum Beginn des Erhebungszeitraums bereits rechtwirksam gewesen sein sollte, eine Beteiligung von weniger als 15 Prozent. Anderes ergibt sich auch nicht aus den zwischen der Klägerin und der X-GmbH getroffenen Vereinbarungen. Weder ist durch sie das wirtschaftliche Eigentum der Klägerin an weiteren Geschäftsanteilen an der Holding begründet worden, noch wurde der Klägerin ein weiterer Anteil am Vermögen vermittelt.

Das wirtschaftliche Eigentum von GmbH-Anteilen kann zwar grundsätzlich auch aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen übertragen werden, wenn dem Erwerber auf ihrer Grundlage die mit dem Erwerb der Anteile verbundenen wesentlichen Rechte, insbes. das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht, zustehen. Jedenfalls an letzterem fehlt es hier jedoch, weil die Klägerin und die X-GmbH keine von der Ausgangslage (Bindung an die Beteiligung am Stammkapital) abweichende Regelung darüber getroffen haben, wem die Stimmrechte hinsichtlich welcher Anteile zustehen. Auch eine etwa aufgrund der schuldrechtlichen Vereinbarungen erfolgte weitergehende Beteiligung der Klägerin am Gesellschaftsvermögen der Holding lässt sich nicht feststellen.

Diesem Ergebnis steht der Sinn und Zweck des Schachtelprivilegs nicht entgegen, der in der Vermeidung einer Doppelbelastung mit Gewerbesteuer besteht. Zwar ist mit Blick auf diese Zweckrichtung auch denkbar, eine Kürzung um Gewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften ohne Rücksicht auf die Beteiligungshöhe zuzulassen. Es ist bei der Rechtsanwendung aber zu akzeptieren, dass der Gesetzgeber sich anders entschieden hat. Denn bei dem Schachtelprivileg handelt es sich um einen Steuerbegünstigungstatbestand, hinsichtlich dessen Ausgestaltung dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum offen steht. Das gilt in gleicher Weise für die mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 erfolgte Erhöhung der Mindestbeteiligungsquote von 10 auf 15 Prozent zum 1.1.2008. Es gibt auch keinen Vertrauenstatbestand, der besagt, dass sich eine bestehende Gesetzeslage sich auch künftig nicht ändern wird.

Linkhinweis:

Schleswig-Holsteinisches FG NL vom 28.3.2013
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