Gewinnerhöhende Auflösung einer § 6b EStG-Rücklage bei Verschmelzung
Kurzbesprechung
BFH v. 29.4.2020 - XI R 39/18
EStG § 6b Abs. 1, § 6b Abs. 3 S. 1, § 6b Abs. 3 S. 3, § 6b Abs. 3 S. 5, § 6b Abs. 7
UmwStG 2006 § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 2 S. 1, § 12 Abs. 3
AO § 157 Abs. 1 S. 1, § 165 Abs. 1 S. 3
FGO § 94
Streitig war, ob eine Rücklage nach § 6b EStG bei einer Rechtsvorgängerin einkommenserhöhend aufzulösen ist, wenn sich dem Tag des Ablaufs der (bei ihr ungenutzten) Reinvestitionsfrist der Stichtag einer rückwirkenden Verschmelzung auf eine Rechtsnachfolgerin, deren Tochtergesellschaft investiert, unmittelbar anschließt.
Der BFH entschied, dass im Zuge der (rückwirkenden) Verschmelzung der B-GmbH auf die Steuerpflichtige (ebenfalls eine GmbH) die vormals bei der B-GmbH gebildete Rücklage mit dem verbliebenen Teilbetrag nicht auf die Steuerpflichtige übergehen konnte, da zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen für eine (zwingende) Auflösung der Rücklage erfüllt waren. Diese Auflösung ist (ebenso wie der Ansatz eines Zuschlags) bei der Steuerfestsetzung für das Streitjahr (gegenüber der Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolgerin der B-GmbH) einkommens- und gewerbeertragserhöhend zu berücksichtigen.
Die Einkommen der B-GmbH als der übertragenden und der Steuerpflichtigen als der übernehmenden Gesellschaft sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 so zu ermitteln, als ob das Vermögen der B-GmbH mit Ablauf des Stichtags der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), auf die Steuerpflichtige übergegangen wäre. Dies gilt auch für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006).
Allerdings hatte das FG angenommen, dass die Rücklage zum Ende der Reinvestitionsfrist "bei der B-GmbH nicht mehr vorhanden war". Es fehle eine gesetzliche Grundlage für die Auffassung, dass das letzte reguläre Wirtschaftsjahr der B-GmbH eine logische Sekunde vor Ablauf des 30.06.2011 geendet habe und der Vermögensübergang auf die Steuerpflichtige erst im Anschluss daran in der letzten Sekunde des 30.06.2011 erfolgt sei. Dies betreffe gerade die Fälle, in denen (wegen der Identität der Zeitpunkte) die Steuerbilanz zur Umwandlungsbilanz erklärt werden könne (es werden nicht zwei Bilanzen erstellt); im Übrigen bestehe keine chronologische Reihenfolge, auch wenn in der Literatur angenommen werde, dass die Gewinnermittlungsbilanz der Umwandlungsbilanz "gedanklich" vorgeschaltet sei.
Nicht zuletzt würde es der Wertung von § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG widersprechen, den Reinvestitionszeitraum von 48 Monaten wegen der Verschmelzung zu verkürzen; vielmehr finde in entsprechender Anwendung der zu § 6 Abs. 3 EStG ergangenen Rechtsprechung eine "Verklammerung" des auf die Rechtsvorgängerin entfallenden Reinvestitionszeitraums (48 Monate abzüglich einer logischen Sekunde) und des auf die Rechtsnachfolgerin entfallenden Reinvestitionszeitraums (eine logische Sekunde) zu einem Gesamtzeitraum von 48 Monaten statt. Die Beteiligten wären daher auch in diesem Falle so zu stellen, als ob die Reinvestitionsfrist erst mit Ablauf der letzten Sekunde des 30.06.2011 geendet hätte. Dies sei auch damit begründet, dass sowohl ein Übertragungsgewinn bzw. -verlust (§ 11 UmwStG 2006) als auch ein Übernahmegewinn bzw. -verlust sowie ein etwaiger Übernahmefolgegewinn (§ 12 UmwStG 2006) noch in dem (hier:) am 30.06.2011 endenden Wirtschaftsjahr bei dem jeweiligen Beteiligten der Umstrukturierung zu erfassen gewesen wäre.
Dieser Ansicht, die auch in der Literatur geteilt wird, folgt der BFH nicht, denn sie steht dem Wortlaut und dem Regelungszweck des § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG entgegen. Der Grundsatz des sog. Doppelausweises des Betriebsvermögens ist vielmehr dahin zu verstehen, dass er nur solche Wirtschaftsgüter betreffen kann, die auch beim Übernehmer nach den steuerrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen angesetzt werden können. Insoweit gibt § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG aber vor, dass dann, wenn "eine Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden (ist), ... sie in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen" ist. Und dies muss im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten bei der Erstellung der Steuerbilanz umgesetzt werden mit der Folge, dass die Rücklage mit dem Schluss des vierten Wirtschaftsjahres aufgelöst sein muss und daher nicht mehr passiviert werden und nicht übergehen kann.
Darüber hinaus konnte auch die Übernehmerin eine Gewinnübertragung nicht mehr vor dem Ablauf der Reinvestitionsfrist vornehmen. Es kommt auch nicht zu einer Verkürzung des von § 6b EStG eingeräumten Reinvestitionszeitraums um eine logische Sekunde; denn die Übertragungsbilanz der B-GmbH war auf die letzte Sekunde des 30.06.2011 aufzustellen, nicht auf einen davor liegenden (fiktiven) Zeitpunkt.
Nichts anderes würde auch ohne Verschmelzung gelten, wenn die Rücklage wegen des Ablaufs der Reinvestitionsfrist aufgelöst würde. Denn durch die Verklammerung von Rumpf-Wirtschaftsjahren beim Übertragenden und beim Übernehmer soll in der Situation der unentgeltlichen Betriebsübertragung sichergestellt werden, dass die Reinvestitionsfrist einen Zeitraum von 48 Monaten umfassen kann, was zugleich gewährleistet, dass der Rechtsnachfolger bezüglich der Rücklage gemäß § 6b EStG tatsächlich in die Rechtsposition des Betriebsübergebers eintritt. Eine Verkürzung der Frist infolge umstrukturierungsbedingter Rumpf-Wirtschaftsjahre besteht im Streitfall bereits nicht. Darüber hinaus ist die Rechtsposition der übertragenden B-GmbH dadurch gekennzeichnet, dass eine Fortführung der Rücklage nach den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen mit Ablauf des Übertragungsstichtags ausgeschlossen ist.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 6b Abs. 1, § 6b Abs. 3 S. 1, § 6b Abs. 3 S. 3, § 6b Abs. 3 S. 5, § 6b Abs. 7
UmwStG 2006 § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 2 S. 1, § 12 Abs. 3
AO § 157 Abs. 1 S. 1, § 165 Abs. 1 S. 3
FGO § 94
Streitig war, ob eine Rücklage nach § 6b EStG bei einer Rechtsvorgängerin einkommenserhöhend aufzulösen ist, wenn sich dem Tag des Ablaufs der (bei ihr ungenutzten) Reinvestitionsfrist der Stichtag einer rückwirkenden Verschmelzung auf eine Rechtsnachfolgerin, deren Tochtergesellschaft investiert, unmittelbar anschließt.
Der BFH entschied, dass im Zuge der (rückwirkenden) Verschmelzung der B-GmbH auf die Steuerpflichtige (ebenfalls eine GmbH) die vormals bei der B-GmbH gebildete Rücklage mit dem verbliebenen Teilbetrag nicht auf die Steuerpflichtige übergehen konnte, da zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen für eine (zwingende) Auflösung der Rücklage erfüllt waren. Diese Auflösung ist (ebenso wie der Ansatz eines Zuschlags) bei der Steuerfestsetzung für das Streitjahr (gegenüber der Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolgerin der B-GmbH) einkommens- und gewerbeertragserhöhend zu berücksichtigen.
Die Einkommen der B-GmbH als der übertragenden und der Steuerpflichtigen als der übernehmenden Gesellschaft sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 so zu ermitteln, als ob das Vermögen der B-GmbH mit Ablauf des Stichtags der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), auf die Steuerpflichtige übergegangen wäre. Dies gilt auch für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006).
Allerdings hatte das FG angenommen, dass die Rücklage zum Ende der Reinvestitionsfrist "bei der B-GmbH nicht mehr vorhanden war". Es fehle eine gesetzliche Grundlage für die Auffassung, dass das letzte reguläre Wirtschaftsjahr der B-GmbH eine logische Sekunde vor Ablauf des 30.06.2011 geendet habe und der Vermögensübergang auf die Steuerpflichtige erst im Anschluss daran in der letzten Sekunde des 30.06.2011 erfolgt sei. Dies betreffe gerade die Fälle, in denen (wegen der Identität der Zeitpunkte) die Steuerbilanz zur Umwandlungsbilanz erklärt werden könne (es werden nicht zwei Bilanzen erstellt); im Übrigen bestehe keine chronologische Reihenfolge, auch wenn in der Literatur angenommen werde, dass die Gewinnermittlungsbilanz der Umwandlungsbilanz "gedanklich" vorgeschaltet sei.
Nicht zuletzt würde es der Wertung von § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG widersprechen, den Reinvestitionszeitraum von 48 Monaten wegen der Verschmelzung zu verkürzen; vielmehr finde in entsprechender Anwendung der zu § 6 Abs. 3 EStG ergangenen Rechtsprechung eine "Verklammerung" des auf die Rechtsvorgängerin entfallenden Reinvestitionszeitraums (48 Monate abzüglich einer logischen Sekunde) und des auf die Rechtsnachfolgerin entfallenden Reinvestitionszeitraums (eine logische Sekunde) zu einem Gesamtzeitraum von 48 Monaten statt. Die Beteiligten wären daher auch in diesem Falle so zu stellen, als ob die Reinvestitionsfrist erst mit Ablauf der letzten Sekunde des 30.06.2011 geendet hätte. Dies sei auch damit begründet, dass sowohl ein Übertragungsgewinn bzw. -verlust (§ 11 UmwStG 2006) als auch ein Übernahmegewinn bzw. -verlust sowie ein etwaiger Übernahmefolgegewinn (§ 12 UmwStG 2006) noch in dem (hier:) am 30.06.2011 endenden Wirtschaftsjahr bei dem jeweiligen Beteiligten der Umstrukturierung zu erfassen gewesen wäre.
Dieser Ansicht, die auch in der Literatur geteilt wird, folgt der BFH nicht, denn sie steht dem Wortlaut und dem Regelungszweck des § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG entgegen. Der Grundsatz des sog. Doppelausweises des Betriebsvermögens ist vielmehr dahin zu verstehen, dass er nur solche Wirtschaftsgüter betreffen kann, die auch beim Übernehmer nach den steuerrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen angesetzt werden können. Insoweit gibt § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG aber vor, dass dann, wenn "eine Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden (ist), ... sie in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen" ist. Und dies muss im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten bei der Erstellung der Steuerbilanz umgesetzt werden mit der Folge, dass die Rücklage mit dem Schluss des vierten Wirtschaftsjahres aufgelöst sein muss und daher nicht mehr passiviert werden und nicht übergehen kann.
Darüber hinaus konnte auch die Übernehmerin eine Gewinnübertragung nicht mehr vor dem Ablauf der Reinvestitionsfrist vornehmen. Es kommt auch nicht zu einer Verkürzung des von § 6b EStG eingeräumten Reinvestitionszeitraums um eine logische Sekunde; denn die Übertragungsbilanz der B-GmbH war auf die letzte Sekunde des 30.06.2011 aufzustellen, nicht auf einen davor liegenden (fiktiven) Zeitpunkt.
Nichts anderes würde auch ohne Verschmelzung gelten, wenn die Rücklage wegen des Ablaufs der Reinvestitionsfrist aufgelöst würde. Denn durch die Verklammerung von Rumpf-Wirtschaftsjahren beim Übertragenden und beim Übernehmer soll in der Situation der unentgeltlichen Betriebsübertragung sichergestellt werden, dass die Reinvestitionsfrist einen Zeitraum von 48 Monaten umfassen kann, was zugleich gewährleistet, dass der Rechtsnachfolger bezüglich der Rücklage gemäß § 6b EStG tatsächlich in die Rechtsposition des Betriebsübergebers eintritt. Eine Verkürzung der Frist infolge umstrukturierungsbedingter Rumpf-Wirtschaftsjahre besteht im Streitfall bereits nicht. Darüber hinaus ist die Rechtsposition der übertragenden B-GmbH dadurch gekennzeichnet, dass eine Fortführung der Rücklage nach den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen mit Ablauf des Übertragungsstichtags ausgeschlossen ist.