Gewinnerzielungsabsicht bei den Einkünften aus § 17 EStG und Gestaltungsmissbrauch bei gezielter Herbeiführung von Veräußerungsverlusten
KurzbesprechungEStG § 3 Nr. 40 Buchst c, § 17 Abs 1 S 1, § 17 Abs 2 S 1, § 17 Abs 2 S 6, § 17 Abs 2a S 5, § 52 Abs 25a S 1
AO § 42
GmbHG § 15 Abs 2
HGB § 255 Abs 1 S 1, § 272 Abs 2 Nr. 1, § 272 Abs 2 Nr. 4
EmoFöuaÄndG Art 2 Nr. 10, Art 2 Nr. 25 Buchst f
Im Streitfall ging es um folgende, vom BFH entschiedene Problembereiche:
- Wie ist eine Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen des § 17 EStG zu beurteilen?
- Welche steuerlichen Auswirkungen hat ein für einen bestimmten Geschäftsanteil gezahltes Aufgeld?
- Wann ist die Herbeiführung eines Verlusts im Sinne von § 17 EStG rechtsmissbräuchlich (§ 42 AO)?
1. Gewinnerzielungsabsicht
Bei der Ermittlung des Einkommens sind nach allgemeinen Grundsätzen nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen. Fehlt es an der Absicht der Einkünfteerzielung, liegen keine steuerbaren Einkünfte vor § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ordnet die Veräußerung von Anteilen an einer im Privatvermögen gehalten Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unter den dort genannten Voraussetzungen den gewerblichen Einkünften im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu. Deswegen sind die Grundaussagen des § 2 Abs. 1 EStG über die Steuerbarkeit des Einkommens bei Anwendung des § 17 EStG vorgegeben.
Der Steuerpflichtige muss die Anteile an der Gesellschaft mit der Absicht, Gewinne zu erzielen, erwerben und halten. Von einer solchen Gewinnerzielungsabsicht ist bei den Einkünften aus § 17 EStG im Regelfall auszugehen, selbst wenn die Beteiligung nur kurze Zeit gehalten wurde. Denn § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gibt keine Mindestdauer für das Halten der Beteiligung vor, sondern lässt es genügen, dass der Steuerpflichtige zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung tatbestandsmäßig an der Kapitalgesellschaft beteiligt war.
An einer Gewinnerzielungsabsicht fehlt es (nur), wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass aufgrund der individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft und/oder ihrer Gesellschafter auch langfristig mit positiven Einkünften nicht zu rechnen ist oder dass rein persönliche Gesichtspunkte ‑ wie freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen ‑ für die Beteiligung des Steuerpflichtigen bestimmend waren.
Veräußerungsverluste, die generiert werden, um steuerliche Vorteile zu erzielen, stellen im Regelfall nicht die Gewinnerzielungsabsicht in Frage, sondern sind dahin zu würdigen, ob rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO missbraucht wurden (siehe nachfolgend unter 3.).
Der BFH stellte klar, dass sich die Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte Beteiligung an der Kapitalgesellschaft beziehen muss. Eine Einzelbetrachtung jedes veräußerten Geschäftsanteils ist dagegen ausgeschlossen. Denn auch der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass sich die Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte Beteiligung des Steuerpflichtigen an der jeweiligen Kapitalgesellschaft beziehen muss, ansonsten hätte es der mit § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG eingeführten Regelung nicht bedurft.
2. Aufgeld
Ein Aufgeld, das ein Erwerber neuer Geschäftsanteile aufgrund der getroffenen Einlagevereinbarung über dem Nennbetrag der Einlage hinaus an eine Kapitalgesellschaft zu leisten hat und welches gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB in der Bilanz der Gesellschaft als Kapitalrücklage ausgewiesen werden muss, ist Bestandteil der Gegenleistung, die der Erwerber aufbringen muss, um die Beteiligungsrechte zu erwerben.
Der BFH entschied, dass gerade wegen der zivilrechtlichen Selbständigkeit jedes Geschäftsanteils das Aufgeld nur demjenigen Anteil als Anschaffungskosten zuzurechnen ist, für deren Erwerb es aufzubringen war. Dies gilt selbst dann, wenn die Summe aus dem Nennbetrag des neuen Anteils und des Aufgelds den Verkehrswert des neuen Anteils übersteigt (sog. Überpari-Emission).
Im Streitfall war daher das von der Steuerpflichtigen für den Erwerb eines Geschäftsanteils gezahlte Aufgeld jedenfalls für das Streitjahr 2015 nicht auf sämtliche von ihr gehaltenen Anteile zu verteilen. Denn § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG, der diese Rechtsfolge anordnet, gilt erstmals für Veräußerungen nach dem 31.07.2019 (§ 52 Abs. 25a Satz 1 EStG).
3. Gestaltungsmissbrauch
Im Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 EStG steht es einem Steuerpflichtigen grundsätzlich frei, ob, wann und an wen er seine Anteile veräußert. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt. Denn die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts steht nicht nur im Einklang mit § 17 EStG, sondern entspricht auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit; sie ist damit nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 42 AO.
Abweichendes kann jedoch gelten, wenn ein "Verlust" nur dadurch entsteht, dass die Beteiligten einen unzutreffenden, die Wertverhältnisse des zur Veräußerung bestimmten Kapitalgesellschaftsanteils in krasser Weise verfehlenden Kaufpreis vereinbaren; denn in diesem Fall ist der "Verlust" nicht durch eine den Kapitalgesellschaftsanteilen innewohnende Wertminderung, sondern durch einen Verkauf von Anteilen weit unter Wert zustande gekommen.
Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige in Bezug auf den veräußerten Geschäftsanteil einen realen Verlust erlitten, der im Streitjahr ihre Leistungsfähigkeit gemindert hatte. Diese verlustgenerierende Gestaltung ist noch nicht unangemessen im Sinne von § 42 Abs. 2 Satz 1 AO.
Zum einen unterliegt es der Disposition des Steuerpflichtigen, Veräußerungsgeschäfte so zu gestalten, dass er sich steuerlich möglichst günstig steht. Dies schließt die Freiheit ein, der Gesellschaft Kapital in einer steuerlich vorteilhaften Weise zuzuführen. Zum anderen ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass der Steuerpflichtige selbst entscheiden kann, welchen Geschäftsanteil seiner Beteiligung er veräußert. Dies gilt unabhängig davon, ob die Veräußerung an einen fremden Dritten oder an einen nahen Angehörigen erfolgt.
Auch das Motiv des Gesetzgebers zur Einfügung des § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG zwingt nach Auffassung des BFH nicht zu dem Schluss, dass die Zahlung eines Aufgelds im Rahmen einer Kapitalerhöhungsmaßnahme mit Blick auf anstehende Veräußerungen als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO anzusehen ist.