Grundsätze über Verpächterwahlrecht gelten auch bei Beendigung einer unechten Betriebsaufspaltung
BFH v. 17.4.2019 - IV R 12/16
Der Sachverhalt:
Der J und sein Sohn (der Kläger) waren ehemalige Gesellschafter der P-GbR, an der sie jeweils hälftig beteiligt waren. Die GbR vermietete seit Mai 2002 ein bebautes Grundstück zur betrieblichen Nutzung an die P-GmbH. Das Grundstück befand sich im Bruchteilseigentum der beiden Gesellschafter. An der P-GmbH waren J zu 48,8 % und der Kläger zu 51,2 % beteiligt. Die P-GmbH handelte mit Textilien, die von ihrer ausländischen Tochtergesellschaft P hergestellt wurden. Zum 30.1.2008 übertrug J seinen Anteil an der P-GmbH unentgeltlich auf den Kläger.
Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der P-GbR vertraten die Prüfer die Ansicht, die Betriebsaufspaltung zwischen der P-GbR und der P-GmbH habe zum 30.1.2008 wegen Wegfalls der personellen Verflechtung geendet. Dadurch sei es zu einer Betriebsaufgabe für die P-GbR gekommen, die zu einem Aufgabegewinn in Höhe der stillen Reserven in den Anteilen an der P-GmbH und der stillen Reserven des Grundstücks geführt habe. Das Finanzamt schloss sich der Auffassung an und erließ einen entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid 2008 für die P-GbR.
Der Kläger rügte diesbezüglich die die Verletzung von § 15 Abs. 2 EStG. An das Ende der Betriebsaufspaltung habe sich eine Betriebsverpachtung angeschlossen. Es dürfte kein Aufgabegewinn, sondern nur laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt werden. Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Gründe:
Ein Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn ist weder für die P-GbR noch für den Kläger oder J festzustellen. Für die P-GbR sind ausschließlich laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb festzustellen.
Zwar führt der Wegfall der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung grundsätzlich zu einer Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 EStG. Eine Ausnahme hiervon und von der dadurch ausgelösten Zwangsprivatisierung des bisherigen Betriebsvermögens des Besitzunternehmens ist jedoch aufgrund einer zweckgerecht einschränkenden Auslegung des in § 16 Abs. 3 EStG normierten Betriebsaufgabetatbestandes u.a. dann geboten, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen vorgelegen haben.
Die Verpachtung eines Gewerbebetriebs führt dann nicht zwangsläufig zur Betriebsaufgabe und damit der Aufdeckung der stillen Reserven, wenn der Gewerbetreibende zwar seine werbende Tätigkeit einstellt, aber entweder den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet und der Steuerpflichtige gegenüber den Finanzbehörden nicht klar und eindeutig die Aufgabe des Betriebs erklärt (sog. Verpächterwahlrecht). Die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung ergaben sich hier noch aus den von der BFH-Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. Die gesetzliche Regelung zur Betriebsverpachtung in § 16 Abs. 3b EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 fand noch keine Anwendung.
Nach den Rechtsprechungsgrundsätzen reicht es demnach für eine gewerbliche Betriebsverpachtung aus, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden. Welche der Betriebsgegenstände als wesentliche Betriebsgrundlagen in Betracht kommen, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des betreffenden Betriebs. Maßgebend ist dabei auf die sachlichen Erfordernisse des Betriebs abzustellen (sog. funktionale Betrachtungsweise). Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse des verpachtenden, nicht des pachtenden Unternehmens.
Eine Verpachtung wesentlicher Wirtschaftsgüter kann nur dann einer Betriebsverpachtung im Ganzen gleichstehen, wenn der Verpächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses den Betrieb wieder in bisheriger Weise fortsetzen könnte. Wird lediglich ein Betriebsgrundstück, ggf. in Verbindung mit Betriebsvorrichtungen, verpachtet, so liegt nur dann eine Betriebsverpachtung vor, wenn das Grundstück die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Für Groß- und Einzelhandelsunternehmen wird nach der neueren BFH-Rechtsprechung angenommen, dass die gewerblich genutzten Räume regelmäßig den wesentlichen Betriebsgegenstand bilden und dem Gewerbe das Gepräge geben - anders als etwa bei dem produzierenden Gewerbe.
Im vorliegenden Fall erfüllte die Tätigkeit der P-GbR nach Ende der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung. Denn die P-GbR vermietete ihre einzige wesentliche Betriebsgrundlage - das Betriebsgrundstück - weiterhin an die P-GmbH, ohne eine Betriebsaufgabeerklärung abzugeben. Dem stand auch nicht entgegen, dass die zuvor bestehende Betriebsaufspaltung eine sog. "unechte" Betriebsaufspaltung war. Während bei einer "echten" Betriebsaufspaltung ein ursprünglich einheitlicher Betrieb des Steuerpflichtigen in ein operativ tätiges Betriebsunternehmen und ein Besitzunternehmen, das dem Betriebsunternehmen wesentliche Teile des Anlagevermögens zur Nutzung überlässt, aufgespalten wird, sind im Fall der "unechten" Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsunternehmen nicht aus einem einheitlichen Betrieb hervorgegangen. Beide Arten der Betriebsaufspaltung sind steuerrechtlich gleich zu behandelt. Das gilt auch für die Anwendung der Grundsätze zur Betriebsverpachtung und dem daraus folgenden Recht, den Betrieb ungeachtet der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit fortzuführen und es zu einer Betriebsaufgabe nur bei ausdrücklicher Erklärung kommen zu lassen.
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Der J und sein Sohn (der Kläger) waren ehemalige Gesellschafter der P-GbR, an der sie jeweils hälftig beteiligt waren. Die GbR vermietete seit Mai 2002 ein bebautes Grundstück zur betrieblichen Nutzung an die P-GmbH. Das Grundstück befand sich im Bruchteilseigentum der beiden Gesellschafter. An der P-GmbH waren J zu 48,8 % und der Kläger zu 51,2 % beteiligt. Die P-GmbH handelte mit Textilien, die von ihrer ausländischen Tochtergesellschaft P hergestellt wurden. Zum 30.1.2008 übertrug J seinen Anteil an der P-GmbH unentgeltlich auf den Kläger.
Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der P-GbR vertraten die Prüfer die Ansicht, die Betriebsaufspaltung zwischen der P-GbR und der P-GmbH habe zum 30.1.2008 wegen Wegfalls der personellen Verflechtung geendet. Dadurch sei es zu einer Betriebsaufgabe für die P-GbR gekommen, die zu einem Aufgabegewinn in Höhe der stillen Reserven in den Anteilen an der P-GmbH und der stillen Reserven des Grundstücks geführt habe. Das Finanzamt schloss sich der Auffassung an und erließ einen entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid 2008 für die P-GbR.
Der Kläger rügte diesbezüglich die die Verletzung von § 15 Abs. 2 EStG. An das Ende der Betriebsaufspaltung habe sich eine Betriebsverpachtung angeschlossen. Es dürfte kein Aufgabegewinn, sondern nur laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt werden. Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Gründe:
Ein Aufgabe- oder Veräußerungsgewinn ist weder für die P-GbR noch für den Kläger oder J festzustellen. Für die P-GbR sind ausschließlich laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb festzustellen.
Zwar führt der Wegfall der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung grundsätzlich zu einer Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 EStG. Eine Ausnahme hiervon und von der dadurch ausgelösten Zwangsprivatisierung des bisherigen Betriebsvermögens des Besitzunternehmens ist jedoch aufgrund einer zweckgerecht einschränkenden Auslegung des in § 16 Abs. 3 EStG normierten Betriebsaufgabetatbestandes u.a. dann geboten, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im Ganzen vorgelegen haben.
Die Verpachtung eines Gewerbebetriebs führt dann nicht zwangsläufig zur Betriebsaufgabe und damit der Aufdeckung der stillen Reserven, wenn der Gewerbetreibende zwar seine werbende Tätigkeit einstellt, aber entweder den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet und der Steuerpflichtige gegenüber den Finanzbehörden nicht klar und eindeutig die Aufgabe des Betriebs erklärt (sog. Verpächterwahlrecht). Die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung ergaben sich hier noch aus den von der BFH-Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. Die gesetzliche Regelung zur Betriebsverpachtung in § 16 Abs. 3b EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 fand noch keine Anwendung.
Nach den Rechtsprechungsgrundsätzen reicht es demnach für eine gewerbliche Betriebsverpachtung aus, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden. Welche der Betriebsgegenstände als wesentliche Betriebsgrundlagen in Betracht kommen, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des betreffenden Betriebs. Maßgebend ist dabei auf die sachlichen Erfordernisse des Betriebs abzustellen (sog. funktionale Betrachtungsweise). Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse des verpachtenden, nicht des pachtenden Unternehmens.
Eine Verpachtung wesentlicher Wirtschaftsgüter kann nur dann einer Betriebsverpachtung im Ganzen gleichstehen, wenn der Verpächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses den Betrieb wieder in bisheriger Weise fortsetzen könnte. Wird lediglich ein Betriebsgrundstück, ggf. in Verbindung mit Betriebsvorrichtungen, verpachtet, so liegt nur dann eine Betriebsverpachtung vor, wenn das Grundstück die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Für Groß- und Einzelhandelsunternehmen wird nach der neueren BFH-Rechtsprechung angenommen, dass die gewerblich genutzten Räume regelmäßig den wesentlichen Betriebsgegenstand bilden und dem Gewerbe das Gepräge geben - anders als etwa bei dem produzierenden Gewerbe.
Im vorliegenden Fall erfüllte die Tätigkeit der P-GbR nach Ende der Betriebsaufspaltung die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung. Denn die P-GbR vermietete ihre einzige wesentliche Betriebsgrundlage - das Betriebsgrundstück - weiterhin an die P-GmbH, ohne eine Betriebsaufgabeerklärung abzugeben. Dem stand auch nicht entgegen, dass die zuvor bestehende Betriebsaufspaltung eine sog. "unechte" Betriebsaufspaltung war. Während bei einer "echten" Betriebsaufspaltung ein ursprünglich einheitlicher Betrieb des Steuerpflichtigen in ein operativ tätiges Betriebsunternehmen und ein Besitzunternehmen, das dem Betriebsunternehmen wesentliche Teile des Anlagevermögens zur Nutzung überlässt, aufgespalten wird, sind im Fall der "unechten" Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsunternehmen nicht aus einem einheitlichen Betrieb hervorgegangen. Beide Arten der Betriebsaufspaltung sind steuerrechtlich gleich zu behandelt. Das gilt auch für die Anwendung der Grundsätze zur Betriebsverpachtung und dem daraus folgenden Recht, den Betrieb ungeachtet der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit fortzuführen und es zu einer Betriebsaufgabe nur bei ausdrücklicher Erklärung kommen zu lassen.
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- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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