Hemmung der Festsetzungsverjährung bei strafbarem Bezug von Kindergeld
BFH 26.6.2014, III R 21/13Der Kläger hatte seit Februar 2000 Kindergeld für seine Tochter bezogen. Ab August 2001 lebte er mit ihr in Spanien, wobei er in Deutschland zunächst noch seine Wohnung beibehielt. Im Juni 2004 meldete er sich nach Spanien ab, ohne dies der Familienkasse mitzuteilen. In der Folgezeit begründete er im Inland weder einen neuen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Hiervon erfuhr die Familienkasse erst im Februar 2011. Sie stellte die Zahlungen ein und hob die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab August 2001 nach § 70 Abs. 2 EStG auf.
Die hiergegen unmittelbar erhobene Klage wurde als Einspruch an die Familienkasse zurückgegeben und von dieser mit als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob der Kläger erneut Klage. In der Folgezeit beschränkte die Familienkasse die Aufhebung auf den Zeitraum Juni 2004 bis Februar 2011. Der Kläger nahm die Klage für den Zeitraum Januar 2006 bis Februar 2011 zurück, so dass nur noch die Aufhebung des Kindergeldes für den Zeitraum Juni 2004 bis Dezember 2005 strittig war.
Das FG gab der Klage insoweit statt. Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Der Aufhebungsbescheid der Familienkasse war rechtmäßig.
Aufgrund der Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes und des Fehlens eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland war der Kläger spätestens ab Juni 2004 nicht mehr anspruchsberechtigt. Entgegen § 68 Abs. 1 S. 1 EStG hatte er es unterlassen, der Familienkasse seinen endgültigen Wegzug mitzuteilen. Damit ließ er die Familienkasse pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis. Mit dem nach § 31 S. 3 EStG als Steuervergütung gewährten Kindergeld erlangte der Kläger für sich einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil gem. § 370 Abs. 4 S. 2 i.V.m. § 378 Abs. 1 AO. Die unterbliebene Mitteilung war ursächlich für die Auszahlung des Kindergeldes bis Februar 2011. Der Kläger handelte zudem leichtfertig, so dass der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO erfüllt war. Infolgedessen lief die lief die reguläre Festsetzungsfrist von vier Jahren nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO nicht ab.
Der Ablauf der Festsetzungsfrist war gehemmt, da die Verfolgung der vom Kläger begangenen Steuerordnungswidrigkeit noch nicht verjährt war. Nach § 171 Abs. 7 i.V.m. § 169 Abs. 2 S. 2 AO endet die Festsetzungsfrist in Fällen der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist. Die ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfolgung leichtfertiger Steuerverkürzungen verjährt gem. § 384 AO in fünf Jahren. Sie beginnt, sobald die Handlung beendet ist; tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.
"Handlung" war im vorliegenden Fall das Unterlassen der Mitteilung an die Familienkasse über den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen, das für die Weitergewährung des Kindergeldes bis zur letztmaligen Zahlung im Februar 2011 kausal war. Der Erfolg der Handlung i.S.v. § 31 Abs. 3 S. 2 OWiG trat erst mit der letzten Auszahlung ein. Diese Sichtweise steht in Einklang mit der BGH-Rechtsprechung zur Gewährung fortlaufender Leistungen aufgrund einer (einzigen) betrügerischen Falscherklärung. Entgegen der Rechtsauffassung des FG stellt nicht jede monatliche Auszahlung eine beendete Ordnungswidrigkeit dar, was zur Folge hätte, dass mit der Beendigung auch die Verfolgungsverjährung begänne.
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