24.06.2021

Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen bei Herstellung immaterieller Wirtschaftsgüter

Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass Miet- oder Pachtaufwendungen, die ohne das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG nach § 255 Abs. 2 und 2a HGB Herstellungskosten immaterieller Wirtschaftsgüter wären, die bereits im Jahr der Herstellung aus dem Anlagevermögen ausscheiden, nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG hinzugerechnet werden, obwohl eine Hinzurechnung bei der Herstellung materieller Wirtschaftsgüter unterbleiben würde.

Kurzbesprechung
BFH v. 12.11.2020 - III R 38/17

GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. d, § 8 Nr. 1 Buchst. e
EStG § 5 Abs. 2
HGB § 247 Abs. 2, § 255
GG Art. 3 Abs. 1


Nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG werden zur Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 Satz 1 GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb u.a. ein Viertel der Summe aus einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, sowie der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

Der Tatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG differenziert nicht nach dem Ort der Belegenheit der Wirtschaftsgüter oder der Ansässigkeit des Vermieters. Die Regelung betrifft daher auch Nutzungsentgelte, die an im Ausland ansässige Vermieter/Verpächter oder für eine Nutzungsüberlassung im Ausland gezahlt werden. Gegenstand der Hinzurechnung sind Miet- und Pachtzinsen im Sinne des bürgerlichen Rechts (§§ 535 ff.). Der Nutzungsvertrag muss daher seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Miet- oder Pachtverhältnis i.S. des bürgerlichen Rechts sein.

Der BFH entschied, dass gegen die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Die bisher höchstrichterlich nicht erörterte Frage, ob die Hinzurechnung insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als Miet- und Pachtzinsen bei Steuerpflichtigen, die immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens herstellen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet werden, während eine Hinzurechnung unterbleibt, wenn Steuerpflichtige materielle Wirtschaftsgüter herstellen und die Miet- und Pachtzinsen als Teil der Herstellungskosten aktivieren, hat er ausdrücklich verneint.

Im Streitfall hatte das FG jedoch zu Unrecht entschieden, dass die Entgelte i.S. von § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG für die Benutzung der "unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen", geleistet wurden. Der BFH hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall an das FG zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurück.

Der Begriff des Anlagevermögens ist nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu bestimmen. Anlagevermögen sind danach die Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen (§ 247 Abs. 2 HGB). Das sind die zum Gebrauch im Betrieb und nicht zum Verbrauch oder Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter.

Für die Hinzurechnung nach § 8 GewStG ist darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen des Mieters oder Pächters gehörten, wenn er ihr Eigentümer wäre. Diese Fiktion ist auf den Zweck des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG zurückzuführen, durch die Hinzurechnung i.S. einer Finanzierungsneutralität einen objektivierten Ertrag des Gewerbebetriebs zu ermitteln. Die Frage, ob das fiktiv im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende Wirtschaftsgut zu dessen Anlagevermögen gehören würde, orientiert sich maßgeblich an der Zweckbestimmung im Betrieb, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt, sich andererseits aber an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss.

Gemeint ist, dass es sich bei dem überlassenen Wirtschaftsgut der Art nach um Anlagevermögen handeln muss, wobei es ausreicht, wenn es dazu gewidmet ist, auf Dauer eine Nutzung im Geschäftsbetrieb zu ermöglichen. Insoweit spricht insbesondere die Verwendung des Wirtschaftsguts als Produktionsmittel für die Zuordnung zum Anlagevermögen, während eine Verwendung als zu veräußerndes Produkt eine Zuordnung zum Umlaufvermögen nahe legt.

Die Prüfung muss daher den Geschäftsgegenstand des Unternehmens in den Blick nehmen und sich so weit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren. Die Fiktion darf nicht weiter reichen, als es die Vorstellung eines das Miet- oder Pachtverhältnis ersetzenden Eigentums gebietet.

Ein Gegenstand kann zwar auch dann dem Anlagevermögen zuzuordnen sein, wenn er nur kurzfristig gemietet oder gepachtet wird; dies gilt selbst dann, wenn sich das Miet- oder Pachtverhältnis lediglich auf Tage oder Stunden erstreckt. Insoweit darf für die Einordnung als Anlagevermögen die Zeitkomponente "dauernd" nicht als reiner Zeitbegriff im Sinne von "immer" oder "für alle Zeiten" verstanden werden. Das setzt indessen voraus, dass der Steuerpflichtige derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb benötigt.

Eine Zuordnung zum (fiktiven) Anlagevermögen scheidet danach aus, wenn der Steuerpflichtige die angemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb hätte vorhalten müssen, sondern sie jeweils nur im Zusammenhang mit einem konkreten Produkt und daher "flüchtig" benötigt; sie würden dann nicht zu seinem dem Betrieb auf Dauer gewidmeten Betriebskapital gehören.

Im Streitfall hat sich die Abgrenzung zwischen fiktivem Anlage- oder Umlaufvermögen daher daran zu orientieren, ob das zeitlich begrenzte (fiktive) Eigentum an den angemieteten beweglichen und unbeweglichen Sachen nach den betrieblichen Verhältnissen der Steuerpflichtigen dazu bestimmt ist, der dauerhaften Herstellung neuer Produkte zu dienen, oder ob die Nutzung sich mit der Herstellung eines Produktes --d.h. hier: eines Filmes-- gleichsam verbraucht. Zum Zwecke der Würdigung könnte mithin erwogen werden, ob das jeweils angemietete Wirtschaftsgut --ähnlich wie z.B. die Werkzeuge eines Handwerkers, der Maschinenpark eines Fabrikanten, das Hotel eines Hoteliers, die Kanzleiräume und die Büroausstattung eines Rechtsanwalts oder Ausstellungsräume und Vorführwagen eines Autohändlers-- zur Erzeugung von Leistungen und Produkten eingesetzt wird, oder ob es --wie Beton, Heizungsanlagen und Badezimmerobjekte bei einem Bauunternehmen oder von einem Reiseveranstalter bezogene Reisevorleistungen-- gleichsam Bestandteil des "Produktes Film" wird.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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