Inländisches Besteuerungsrecht für einen in der Schweiz ansässigen Piloten von Flugzeugen im internationalen Luftverkehr, die von einem deutschen Luftfahrtunternehmen betrieben werden
Kurzbesprechung
BFH v. 1.8.2024 - VI R 32/21
EStG § 1 Abs 4, § 19 Abs 1 S 1 Nr. 1, § 38 Abs 1 S 1, § 41a Abs 1 S 1, § 49 Abs 1 Nr. 4 Buchst. e, § 50d Abs 1 S 2
DBA CHE 1971 Art 15 Abs 3 S 1, 1971 Art 15a Abs 1, 1971 Art 15a Abs 2
AO § 37 Abs 1, § 37 Abs 2 S 1, § 218 Abs 2,
DBACHE1971Prot1989G, DBACHE1971Prot1992G
GII030067, DBACHE1971ÄndProt2010G
Der Steuerpflichtige, ein bei dem Unternehmen Z angestellter Pilot, der von seinem Arbeitgeber im internationalen Luftverkehr für Interkontinental-/Langstreckenflüge eingesetzt wird, hatte im Streitjahr (2017) seinen ausschließlichen Wohnsitz in der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweiz). Er war arbeitsvertraglich als Flugzeugführer dem Flughafen in A-Stadt (Inland) zugeordnet, von dem aus seine Starts und Landungen als Pilot im internationalen Luftverkehr erfolgten.
Das Unternehmen Z behielt im Streitjahr vom Arbeitslohn des Steuerpflichtigen Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag ein und führte diese an das FA ab. Der Steuerpflichtige begehrte vom FA die Erstattung von zu viel einbehaltener Lohnsteuer in Höhe des Betrags, um den diese die Quellensteuer von 4,5 % des Bruttobetrags der Vergütungen gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA-Schweiz 1971210 übersteige. Er war der Ansicht, er sei ein typischer Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010, da er in der Schweiz wohne und im Anschluss an seine internationalen Flugeinsätze nach der Landung in A-Stadt (Inland) in der Regel unmittelbar an seinen schweizerischen Wohnsitz zurückkehre.
Das FA lehnte den Erstattungsantrag des ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Auch der BFH wies die eingelegte Revision als unbegründet zurück.
Er entschied, dass dem Steuerpflichtigen kein Anspruch auf Erstattung der im Streitjahr einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags analog § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG zusteht. Denn er wird von dem im Inland ansässigen Unternehmen Z als Pilot im internationalen Luftverkehr eingesetzt und ist daher im Streitjahr mit den daraus erzielten Einkünften im Inland beschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG.
Das deutsche Besteuerungsrecht wird auch durch das DBA-Schweiz 1971/2010 nicht eingeschränkt. Vielmehr steht Deutschland für diese Einkünfte nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 das Besteuerungsrecht zu. Schon aufgrund seiner Tätigkeit als Pilot im internationalen Luftverkehr ist der Steuerpflichtige im Streitjahr kein Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010.
Der in der Schweiz ansässige Steuerpflichtige war im Streitjahr mit einen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig. Das Unternehmen Z war als inländischer Arbeitgeber deshalb nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst e EStG sind inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), die an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs ausgeübt wird, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird.
Der inländischen Besteuerung stand im Streitfall Abkommensrecht nicht entgegen. Nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2010 können ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffs oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr oder an Bord eines Schiffs, das der Binnenschifffahrt dient, ausgeübt wird, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Werden diese Vergütungen in diesem Staat nicht besteuert, so können sie in dem anderen Vertragstaat besteuert werden.
Der Steuerpflichtige hatte die streitigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erzielt. Das Unternehmen Z hat seine tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland, wo die Vergütungen des Steuerpflichtigen auch besteuert wurden. Aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 ergibt sich nichts anderes. Nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2010 stand Deutschland daher das Besteuerungsrecht für die aus der Pilotentätigkeit im internationalen Luftverkehr erzielten Einkünfte des Klägers im Streitfall zu.
Auch nach der Grenzgängerregelung des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 ergibt sich keine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Denn die Voraussetzungen sind bei der vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeit als Pilot eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr von vornherein nicht erfüllt. Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2010 ist nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahrs an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010). Im Streitfall stand der Grenzgängereigenschaft bereits entgegen, dass der Steuerpflichtige abkommensrechtlich keinen Arbeitsort in dem anderen Vertragstaat - hier Deutschland - gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 hat, von dem aus er regelmäßig an seinen Wohnsitz in der Schweiz zurückkehrt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 1 Abs 4, § 19 Abs 1 S 1 Nr. 1, § 38 Abs 1 S 1, § 41a Abs 1 S 1, § 49 Abs 1 Nr. 4 Buchst. e, § 50d Abs 1 S 2
DBA CHE 1971 Art 15 Abs 3 S 1, 1971 Art 15a Abs 1, 1971 Art 15a Abs 2
AO § 37 Abs 1, § 37 Abs 2 S 1, § 218 Abs 2,
DBACHE1971Prot1989G, DBACHE1971Prot1992G
GII030067, DBACHE1971ÄndProt2010G
Der Steuerpflichtige, ein bei dem Unternehmen Z angestellter Pilot, der von seinem Arbeitgeber im internationalen Luftverkehr für Interkontinental-/Langstreckenflüge eingesetzt wird, hatte im Streitjahr (2017) seinen ausschließlichen Wohnsitz in der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweiz). Er war arbeitsvertraglich als Flugzeugführer dem Flughafen in A-Stadt (Inland) zugeordnet, von dem aus seine Starts und Landungen als Pilot im internationalen Luftverkehr erfolgten.
Das Unternehmen Z behielt im Streitjahr vom Arbeitslohn des Steuerpflichtigen Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag ein und führte diese an das FA ab. Der Steuerpflichtige begehrte vom FA die Erstattung von zu viel einbehaltener Lohnsteuer in Höhe des Betrags, um den diese die Quellensteuer von 4,5 % des Bruttobetrags der Vergütungen gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA-Schweiz 1971210 übersteige. Er war der Ansicht, er sei ein typischer Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010, da er in der Schweiz wohne und im Anschluss an seine internationalen Flugeinsätze nach der Landung in A-Stadt (Inland) in der Regel unmittelbar an seinen schweizerischen Wohnsitz zurückkehre.
Das FA lehnte den Erstattungsantrag des ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Auch der BFH wies die eingelegte Revision als unbegründet zurück.
Er entschied, dass dem Steuerpflichtigen kein Anspruch auf Erstattung der im Streitjahr einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags analog § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG zusteht. Denn er wird von dem im Inland ansässigen Unternehmen Z als Pilot im internationalen Luftverkehr eingesetzt und ist daher im Streitjahr mit den daraus erzielten Einkünften im Inland beschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG.
Das deutsche Besteuerungsrecht wird auch durch das DBA-Schweiz 1971/2010 nicht eingeschränkt. Vielmehr steht Deutschland für diese Einkünfte nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 das Besteuerungsrecht zu. Schon aufgrund seiner Tätigkeit als Pilot im internationalen Luftverkehr ist der Steuerpflichtige im Streitjahr kein Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010.
Der in der Schweiz ansässige Steuerpflichtige war im Streitjahr mit einen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig. Das Unternehmen Z war als inländischer Arbeitgeber deshalb nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst e EStG sind inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), die an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs ausgeübt wird, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird.
Der inländischen Besteuerung stand im Streitfall Abkommensrecht nicht entgegen. Nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2010 können ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffs oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr oder an Bord eines Schiffs, das der Binnenschifffahrt dient, ausgeübt wird, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Werden diese Vergütungen in diesem Staat nicht besteuert, so können sie in dem anderen Vertragstaat besteuert werden.
Der Steuerpflichtige hatte die streitigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erzielt. Das Unternehmen Z hat seine tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland, wo die Vergütungen des Steuerpflichtigen auch besteuert wurden. Aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 ergibt sich nichts anderes. Nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2010 stand Deutschland daher das Besteuerungsrecht für die aus der Pilotentätigkeit im internationalen Luftverkehr erzielten Einkünfte des Klägers im Streitfall zu.
Auch nach der Grenzgängerregelung des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 ergibt sich keine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Denn die Voraussetzungen sind bei der vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeit als Pilot eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr von vornherein nicht erfüllt. Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2010 ist nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahrs an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010). Im Streitfall stand der Grenzgängereigenschaft bereits entgegen, dass der Steuerpflichtige abkommensrechtlich keinen Arbeitsort in dem anderen Vertragstaat - hier Deutschland - gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 hat, von dem aus er regelmäßig an seinen Wohnsitz in der Schweiz zurückkehrt.