Investitionsabzugsbetrag für Maschinenwerkzeuge bei Auftragsproduktion
BFH v. 3.12.2020 - IV R 16/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine KG und stellt selbst Produkte her. Sie hat eine einzige Betriebsstätte, die im Inland liegt. Ihren Gewinn ermittelt sie durch Betriebsvermögensvergleich. Zur Herstellung von Bauteilen für ein neu entwickeltes Produkt benötigte die Klägerin im Streitjahr 2013 Spritzgussformen. Solche Spritzgussformen werden als "Werkzeuge" in universelle Spritzgussmaschinen zur Produktion spezieller Kunststoffformteile eingesetzt.
Die Klägerin beauftragte im Jahr 2013 ein darauf spezialisiertes Unternehmen, die Firma A, mit der Planung und Herstellung der Werkzeuge für 81.250 € netto. A sollte später auch die Kunststoffformteile - wie bei Kleinserien branchenüblich unter Zurverfügungstellung der benötigten Werkzeuge - nach Staffelpreisen liefern und deshalb die Werkzeuge im Besitz behalten. Die neuen Werkzeuge, Konstruktionszeichnungen und Datenblätter gingen nach Abnahme und Bezahlung in das Eigentum der Klägerin über.
A vergab den Auftrag zur Herstellung der Werkzeuge an einen Subunternehmer in Italien (Y), der diese auftragsgemäß herstellte. Die neuen Werkzeuge blieben auch nach dem Eigentumserwerb durch die Klägerin zunächst bei Y. Später beauftragte die Klägerin im Einverständnis mit A die Firma B mit der Herstellung der Kunststoffformteile. B beauftragte ihrerseits ein anderes italienisches Unternehmen (Z) mit der Produktion und Lieferung der bestellten Kunststoffformteile nach Deutschland. A und B veranlassten, dass Z dafür die erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung standen und wiesen Y an, die Werkzeuge dorthin zu liefern. Nach Abschluss der ersten Produktion der Kunststoffformteile verblieben die zugelieferten Werkzeuge auf Wunsch der Klägerin im Lager der Z, um dort - wie es branchenüblich ist - für etwaige Folgeaufträge zur Verfügung zu stehen; die Werkzeuge durfte Z nicht anderweitig einsetzen.
Die bestellten Kunststoffformteile wurden aus Italien über B an die Klägerin geliefert. Nach den zwischen der Klägerin und A abgeschlossenen Vereinbarungen müssen A bzw. deren Subunternehmen die Werkzeuge auf Verlangen der Klägerin auch ohne einen gerichtlichen Titel herausgeben. Seither bestellt die Klägerin jährlich einmal die Kunststoffformteile bei B, die diese bei Z herstellen und von dieser liefern lässt. Die Werkzeuge werden dafür für etwa eine Woche pro Jahr tatsächlich genutzt und in der übrigen Zeit bei Z für die Klägerin gelagert.
Nach einer Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Ansicht, es liege eine unentgeltliche Überlassung der Werkzeuge an Z in Italien vor, so dass die erforderliche Nutzung in einer inländischen Betriebsstätte der Klägerin nicht gegeben sei. Dies hatte zur Folge, dass sich die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 1 EStG um einen Betrag von 1.167 € erhöhten. Im Ergebnis stieg dadurch der laufende Gesamthandsgewinn der Klägerin im Streitjahr 2012 um 28.000 € und im Streitjahr 2013 um 9.483 €.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Klägerin die Werkzeuge i.S.d. § 7g EStG "in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich betrieblich nutzt" und der von ihr im Streitjahr 2012 in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG und die im Streitjahr 2013 in Anspruch genommene Gewinnminderung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG sowie die Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 EStG nicht nach § 7g Abs. 4 EStG rückgängig zu machen sind.
Eine die Begünstigung des § 7g EStG ausschließende langfristige Nutzungsüberlassung liegt nur vor, wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen entgeltlich oder unentgeltlich zur grundsätzlich eigenverantwortlichen Nutzung überlassen wird, wie dies typisch für die Überlassung eines Wirtschaftsguts im Rahmen eines Miet-, Pacht- oder Leihverhältnisses ist. Die mit der Voraussetzung einer Nutzung in einer Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen geforderte räumliche Bindung des Wirtschaftsguts an den Betrieb des Investors zeigt sich insbesondere darin, dass der Investor die tatsächliche Gewalt über das Wirtschaftsgut hat oder - im Fall der kurzfristigen Nutzungsüberlassung - jedenfalls innerhalb kurzer Zeit wiedererlangt. Das Wirtschaftsgut bleibt damit im "Einflussbereich" des Steuerpflichtigen und behält dadurch die erforderliche räumliche Bindung zu seinem Betrieb.
Das ist nicht mehr der Fall, wenn das Wirtschaftsgut langfristig an einen Anderen überlassen wird und dieser, wie im Fall eines Miet-, Pacht- oder Leihvertrags, das Wirtschaftsgut in dieser Zeit zu eigenen Zwecken nutzen und den Nutzungsüberlassenden von der Nutzung des Wirtschaftsguts und damit auch von der tatsächlichen Gewalt über das Wirtschaftsgut langfristig ausschließen kann. Bei langfristiger Überlassung verbleiben die Wirtschaftsgüter daher im Betrieb bzw. der Betriebsstätte des Nutzungsberechtigten, unabhängig davon, ob der Investor den Einsatz der überlassenen Wirtschaftsgüter z.B. durch bestimmte Weisungsmöglichkeiten, Zutritts- oder Kontrollbefugnisse beeinflussen kann.
Im Streitfall lagen die Verhältnisse dagegen anders, denn es ging um spezielle Werkzeuge der Klägerin, die die Herstellerfirmen ausschließlich zur Herstellung der von der Steuerpflichtigen benötigten Bauteile nutzen durften. Eine anderweitige Nutzung der Werkzeuge war ihnen vertraglich untersagt. Sie hatten gegenüber der Klägerin auch kein Besitzrecht, sondern waren zur jederzeitigen Herausgabe der Werkzeuge auf deren Verlangen verpflichtet.
Anders als im Fall einer langfristigen Nutzungsüberlassung aufgrund eines Miet-, Pacht- oder Leihvertrags hatte die Klägerin jederzeit die Möglichkeit, die tatsächliche Gewalt über die Werkzeuge innerhalb kurzer Zeit wiederzuerlangen. Diese Umstände rechtfertigen es, noch von einer Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betrieb der Klägerin auszugehen. Insoweit ist der erforderliche räumliche Bezug des Wirtschaftsguts zum Betrieb des Investors funktional zu verstehen.
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Die Klägerin ist eine KG und stellt selbst Produkte her. Sie hat eine einzige Betriebsstätte, die im Inland liegt. Ihren Gewinn ermittelt sie durch Betriebsvermögensvergleich. Zur Herstellung von Bauteilen für ein neu entwickeltes Produkt benötigte die Klägerin im Streitjahr 2013 Spritzgussformen. Solche Spritzgussformen werden als "Werkzeuge" in universelle Spritzgussmaschinen zur Produktion spezieller Kunststoffformteile eingesetzt.
Die Klägerin beauftragte im Jahr 2013 ein darauf spezialisiertes Unternehmen, die Firma A, mit der Planung und Herstellung der Werkzeuge für 81.250 € netto. A sollte später auch die Kunststoffformteile - wie bei Kleinserien branchenüblich unter Zurverfügungstellung der benötigten Werkzeuge - nach Staffelpreisen liefern und deshalb die Werkzeuge im Besitz behalten. Die neuen Werkzeuge, Konstruktionszeichnungen und Datenblätter gingen nach Abnahme und Bezahlung in das Eigentum der Klägerin über.
A vergab den Auftrag zur Herstellung der Werkzeuge an einen Subunternehmer in Italien (Y), der diese auftragsgemäß herstellte. Die neuen Werkzeuge blieben auch nach dem Eigentumserwerb durch die Klägerin zunächst bei Y. Später beauftragte die Klägerin im Einverständnis mit A die Firma B mit der Herstellung der Kunststoffformteile. B beauftragte ihrerseits ein anderes italienisches Unternehmen (Z) mit der Produktion und Lieferung der bestellten Kunststoffformteile nach Deutschland. A und B veranlassten, dass Z dafür die erforderlichen Werkzeuge zur Verfügung standen und wiesen Y an, die Werkzeuge dorthin zu liefern. Nach Abschluss der ersten Produktion der Kunststoffformteile verblieben die zugelieferten Werkzeuge auf Wunsch der Klägerin im Lager der Z, um dort - wie es branchenüblich ist - für etwaige Folgeaufträge zur Verfügung zu stehen; die Werkzeuge durfte Z nicht anderweitig einsetzen.
Die bestellten Kunststoffformteile wurden aus Italien über B an die Klägerin geliefert. Nach den zwischen der Klägerin und A abgeschlossenen Vereinbarungen müssen A bzw. deren Subunternehmen die Werkzeuge auf Verlangen der Klägerin auch ohne einen gerichtlichen Titel herausgeben. Seither bestellt die Klägerin jährlich einmal die Kunststoffformteile bei B, die diese bei Z herstellen und von dieser liefern lässt. Die Werkzeuge werden dafür für etwa eine Woche pro Jahr tatsächlich genutzt und in der übrigen Zeit bei Z für die Klägerin gelagert.
Nach einer Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Ansicht, es liege eine unentgeltliche Überlassung der Werkzeuge an Z in Italien vor, so dass die erforderliche Nutzung in einer inländischen Betriebsstätte der Klägerin nicht gegeben sei. Dies hatte zur Folge, dass sich die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 1 EStG um einen Betrag von 1.167 € erhöhten. Im Ergebnis stieg dadurch der laufende Gesamthandsgewinn der Klägerin im Streitjahr 2012 um 28.000 € und im Streitjahr 2013 um 9.483 €.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Klägerin die Werkzeuge i.S.d. § 7g EStG "in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich betrieblich nutzt" und der von ihr im Streitjahr 2012 in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG und die im Streitjahr 2013 in Anspruch genommene Gewinnminderung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG sowie die Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 EStG nicht nach § 7g Abs. 4 EStG rückgängig zu machen sind.
Eine die Begünstigung des § 7g EStG ausschließende langfristige Nutzungsüberlassung liegt nur vor, wenn das Wirtschaftsgut einem Anderen entgeltlich oder unentgeltlich zur grundsätzlich eigenverantwortlichen Nutzung überlassen wird, wie dies typisch für die Überlassung eines Wirtschaftsguts im Rahmen eines Miet-, Pacht- oder Leihverhältnisses ist. Die mit der Voraussetzung einer Nutzung in einer Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen geforderte räumliche Bindung des Wirtschaftsguts an den Betrieb des Investors zeigt sich insbesondere darin, dass der Investor die tatsächliche Gewalt über das Wirtschaftsgut hat oder - im Fall der kurzfristigen Nutzungsüberlassung - jedenfalls innerhalb kurzer Zeit wiedererlangt. Das Wirtschaftsgut bleibt damit im "Einflussbereich" des Steuerpflichtigen und behält dadurch die erforderliche räumliche Bindung zu seinem Betrieb.
Das ist nicht mehr der Fall, wenn das Wirtschaftsgut langfristig an einen Anderen überlassen wird und dieser, wie im Fall eines Miet-, Pacht- oder Leihvertrags, das Wirtschaftsgut in dieser Zeit zu eigenen Zwecken nutzen und den Nutzungsüberlassenden von der Nutzung des Wirtschaftsguts und damit auch von der tatsächlichen Gewalt über das Wirtschaftsgut langfristig ausschließen kann. Bei langfristiger Überlassung verbleiben die Wirtschaftsgüter daher im Betrieb bzw. der Betriebsstätte des Nutzungsberechtigten, unabhängig davon, ob der Investor den Einsatz der überlassenen Wirtschaftsgüter z.B. durch bestimmte Weisungsmöglichkeiten, Zutritts- oder Kontrollbefugnisse beeinflussen kann.
Im Streitfall lagen die Verhältnisse dagegen anders, denn es ging um spezielle Werkzeuge der Klägerin, die die Herstellerfirmen ausschließlich zur Herstellung der von der Steuerpflichtigen benötigten Bauteile nutzen durften. Eine anderweitige Nutzung der Werkzeuge war ihnen vertraglich untersagt. Sie hatten gegenüber der Klägerin auch kein Besitzrecht, sondern waren zur jederzeitigen Herausgabe der Werkzeuge auf deren Verlangen verpflichtet.
Anders als im Fall einer langfristigen Nutzungsüberlassung aufgrund eines Miet-, Pacht- oder Leihvertrags hatte die Klägerin jederzeit die Möglichkeit, die tatsächliche Gewalt über die Werkzeuge innerhalb kurzer Zeit wiederzuerlangen. Diese Umstände rechtfertigen es, noch von einer Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betrieb der Klägerin auszugehen. Insoweit ist der erforderliche räumliche Bezug des Wirtschaftsguts zum Betrieb des Investors funktional zu verstehen.