Investitionszulage: Fortbestehen der KMU-Eigenschaft während des Verbleibenszeitraums
KurzbesprechungInvZulG 2005 § 2 Abs. 7 Satz 1, Abs. 1
InvZulG 2007 § 5 Abs. 2 Satz 1
InvZulG 1999 § 2 Abs. 7
Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 erhöht sich die Investitionszulage für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen i.S. des § 2 Abs. 1 InvZulG 2005 entfällt, auf 25 % der Bemessungsgrundlage, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben, der zusätzlich die Begriffsdefinition für kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1996 Nr. L 107, S. 4), ersetzt durch die Empfehlung der Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunter-nehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (Amtsblatt der Europäischen Union 2003 Nr. L 124, S. 36), erfüllt.
Im Streitfall wurde die Klägerin im Jahr 2007 in eine Holding eingebracht. Dadurch verlor sie die KMU Eigenschaft. Nachdem die KMU Eigenschaft nicht während des gesamten fünfjäh-rigen Bindungszeitraums vorlag, hatte sie keinen Anspruch auf eine nach § 2 Abs. 7 Satz 1 InvZulG 2005 erhöhte Investitionszulage. Denn § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2005 setzt entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben 20.1. 2006 - IV C 3 - InvZ 1015 - 1/06, BStBl I 2006, 119, Rz 125, 128) nicht nur voraus, dass der Betrieb die für einen KMU Betrieb erforderlichen Größenmerkmale zu Beginn des Wirtschaftsjahres des Investitionsabschlusses einhält. Vielmehr müssen die Größenmerkmale auch während des gesamten fünfjährigen Verbleibenszeitraums weiterhin erfüllt sein.
Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift, die für eine Auslegung, wonach die Größenmerkmale nur zu einem bestimmten Stichtag erfüllt sein müssen, keinen Anhaltspunkt enthält.
Für die Auslegung spricht nach Auffassung des BFH auch der Vergleich des § 2 Abs. 7 InvZulG 2005 mit dessen Nachfolgenorm. § 5 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 2007 bestimmt, dass sich die Investitionszulage erhöht, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Bindungszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben, der im Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens zusätzlich die Begriffsdefinition für KMU erfüllt. Im Gegensatz zu der im Streitfall maßgebenden Gesetzesfassung wurde daher in der Nachfolgeregelung ein Stichtag, nämlich der "Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens", ausdrücklich benannt.
Für die Auslegung des BFH spricht ferner der systematische Zusammenhang des KMU Erfordernisses zu den übrigen Begünstigungsvoraussetzungen. Auch diese Begünstigungsvoraussetzungen müssen unabhängig davon, ob sie sich auf das Wirtschaftsgut selbst oder auf den Betrieb beziehen, nicht nur zu Beginn des Wirtschaftsjahres des Investitionsabschlusses, sondern während des gesamten Bindungszeitraums erfüllt sein. Deshalb muss der Zeitraumbezug (als Regel) auch nicht bei jeder einzelnen Begünstigungsvoraussetzung, wie im Streitfall der KMU-Eigenschaft, im Gesetzeswortlaut wiederholt werden, wenn für eine Stichtagsbetrachtung (als Ausnahme) jeglicher Bezugspunkt im Wortlaut fehlt.
Das Gesetz enthält auch keine Anhaltspunkte für einen von den übrigen Begünstigungsvoraussetzungen abweichenden Zweck des KMU Erfordernisses. Die Begünstigungsvoraussetzungen bezwecken eine zielgenaue Förderung bestimmter Betriebe, um hierdurch die Wirtschaftstätigkeit und die Entstehung von Arbeitsplätzen in diesen Bereichen zu unterstützen. So reicht es für den Fortbestand des Anspruchs auf Investitionszulage nicht aus, dass ein gefördertes Wirtschaftsgut zu Beginn des Bindungszeitraums die Wirtschaftstätigkeit im Fördergebiet erheblich gefördert und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beigetragen hat, wenn es während des Bindungszeitraums in einen Betrieb außerhalb des Fördergebiets verlagert wird. Ebenso entfällt der Anspruch auf Investitionszulage, wenn ein Wirtschaftsgut während des gesamten Bindungszeitraums die Wirtschaftstätigkeit fördert und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt, der Betrieb aber noch während des Bindungszeitraums die Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe einbüßt. Dem entspricht es, die erhöhte Investitionszulage entfallen zu lassen, wenn der Betrieb während des Bindungszeitraums seine KMU Eigenschaft verliert.
Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch der in den Gesetzesmaterialien zu § 2 InvZulG 2005 angeführte Fall, dass ein bewegliches Wirtschaftsgut vor Ablauf der Verbleibensfrist aus dem nutzenden Betrieb ausscheidet (z.B. durch Veräußerung oder langfristige Nutzungsüberlassung) und in einem anderen Betrieb verbleibt, der kein KMU ist. Dies ist zulagenschädlich, obwohl die erhöhte Förderung zu Beginn des Bindungszeitraums ihren Zweck erfüllt hat.
BFH, Urteil vom 21.12. 2017, III R 14/16, veröffentlicht am 25.4.2018