Irrtümliche Zuwendung und Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis (vGA)
Kurzbesprechung
BFH v. 22.11.2023 - I R 9/20
KStG § 8 Abs 3 S 2
VGA sind Vermögensminderungen (verhinderte Vermögensmehrungen), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst sind, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirken und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung stehen.
Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Zudem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.
Im Streitfall lag eine verhinderte Vermögensmehrung vor, die als solche zu einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG führen kann. Der BFH konnte jedoch nicht abschließend darüber entscheiden, ob die verhinderte Vermögensmehrung auf Seiten der Steuerpflichtigen ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis gehabt hatte. Denn zur Annahme einer vGA bedarf es ‑ so wie bei einer offenen Gewinnausschüttung ‑ eines Zuwendungswillens. Denn subjektive Entschuldigungsgründe können unabhängig vom verobjektivierenden Maßstab des ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters die "konkrete" Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis entfallen lassen.
Die vom FG im Streitfall vertretene Rechtsauffassung, dass in Fällen, in denen der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer irrtumsbedingt gehandelt habe, weder ein Anlass noch eine Rechtfertigung dafür bestehe, vom Maßstab des ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters abzuweichen, teilt der BFH nicht. Denn der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter ist eine idealtypische Denkfigur, die alle Gegebenheiten des Geschäftsvorfalls kennt und sich infolgedessen per definitionem nicht in einem Irrtum befinden kann.
Legt der Gesellschafter-Geschäftsführer vielmehr glaubhaft dar, dass eine Vermögensverschiebung an ihn nicht stattfinden sollte und dass damit kein Zuwendungsbewusstsein vorhanden war, ist der konkrete betriebliche Veranlassungszusammenhang gesichert und man gelangt bei der Prüfung nicht mehr zu einer "Umdeutung" infolge des gedachten Norm-Verhaltens eines typisierten sorgfältig handelnden Geschäftsführers. In derartigen Ausnahmefällen ist es daher möglich, dass es dem Gesellschafter-Geschäftsführer gelingt, entgegenstehende Vermutungen des Fremdvergleichs durch einen konkreten Veranlassungsnachweis zu widerlegen.
Fehlt es an jeglichem finalen Zuwendungswillen in Richtung eines Vermögenstransfers zu Lasten der Gesellschaft und zugunsten des Gesellschafters und steht fest, dass die Vorteilsverschiebung nicht aus gesellschaftlichen Gründen erfolgt ist, kann eine vGA wegen fehlender konkreter Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis ausscheiden.
Im Streitfall hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall an das FG zur weiteren Sachverhaltsermittlung und erneuten Entscheidung zurück. Denn das FG durfte die Frage, ob die Gesellschafter - Geschäftsführerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung tatsächlich einem Irrtum über den Inhalt des Beschlusses unterlag, nicht unaufgeklärt lassen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
KStG § 8 Abs 3 S 2
VGA sind Vermögensminderungen (verhinderte Vermögensmehrungen), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst sind, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirken und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung stehen.
Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Zudem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.
Im Streitfall lag eine verhinderte Vermögensmehrung vor, die als solche zu einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG führen kann. Der BFH konnte jedoch nicht abschließend darüber entscheiden, ob die verhinderte Vermögensmehrung auf Seiten der Steuerpflichtigen ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis gehabt hatte. Denn zur Annahme einer vGA bedarf es ‑ so wie bei einer offenen Gewinnausschüttung ‑ eines Zuwendungswillens. Denn subjektive Entschuldigungsgründe können unabhängig vom verobjektivierenden Maßstab des ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters die "konkrete" Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis entfallen lassen.
Die vom FG im Streitfall vertretene Rechtsauffassung, dass in Fällen, in denen der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer irrtumsbedingt gehandelt habe, weder ein Anlass noch eine Rechtfertigung dafür bestehe, vom Maßstab des ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters abzuweichen, teilt der BFH nicht. Denn der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter ist eine idealtypische Denkfigur, die alle Gegebenheiten des Geschäftsvorfalls kennt und sich infolgedessen per definitionem nicht in einem Irrtum befinden kann.
Legt der Gesellschafter-Geschäftsführer vielmehr glaubhaft dar, dass eine Vermögensverschiebung an ihn nicht stattfinden sollte und dass damit kein Zuwendungsbewusstsein vorhanden war, ist der konkrete betriebliche Veranlassungszusammenhang gesichert und man gelangt bei der Prüfung nicht mehr zu einer "Umdeutung" infolge des gedachten Norm-Verhaltens eines typisierten sorgfältig handelnden Geschäftsführers. In derartigen Ausnahmefällen ist es daher möglich, dass es dem Gesellschafter-Geschäftsführer gelingt, entgegenstehende Vermutungen des Fremdvergleichs durch einen konkreten Veranlassungsnachweis zu widerlegen.
Fehlt es an jeglichem finalen Zuwendungswillen in Richtung eines Vermögenstransfers zu Lasten der Gesellschaft und zugunsten des Gesellschafters und steht fest, dass die Vorteilsverschiebung nicht aus gesellschaftlichen Gründen erfolgt ist, kann eine vGA wegen fehlender konkreter Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis ausscheiden.
Im Streitfall hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall an das FG zur weiteren Sachverhaltsermittlung und erneuten Entscheidung zurück. Denn das FG durfte die Frage, ob die Gesellschafter - Geschäftsführerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung tatsächlich einem Irrtum über den Inhalt des Beschlusses unterlag, nicht unaufgeklärt lassen.