Jastrowsche Klausel im Berliner Testament - Besteuerung eines betagten Vermächtnisses
KurzbesprechungBGB § 1922, § 2147, § 2269
ErbStG § 3 Abs 1 Nr. 1, § 6 Abs 2, § 6 Abs 4, § 10 Abs 5 Nr. 1, § 15 Abs 3
GG Art 103 Abs 1
Im Streitfall errichteten die Eltern der Steuerpflichtigen zunächst ein sogenanntes Berliner Testament. Mit diesem in der Praxis häufig vorkommenden Testament setzten sich die Eltern gegenseitig zu Alleinerben ein, wobei der überlebende Ehegatte über den Nachlass und sein eigenes Vermögen frei verfügen konnte. Als Erben des überlebenden Ehegatten setzten die Eheleute die Steuerpflichtige und drei ihrer Schwestern ein. Ein Bruder und eine weitere Schwester wurden enterbt.
Außerdem enthielt das Testament eine sog. Jastrowsche Klausel. Diese regelte, dass für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des zuerst sterbenden Elternteils den Pflichtteil verlangt, dieses Kind auch vom Nachlass des zuletzt sterbenden Elternteils nur den Pflichtteil erhalten soll. Diejenigen Erben, die den Pflichtteil beim Tod des Erstverstorbenen nicht fordern, sollten bei Tod des länger lebenden Ehegatten aus dem Nachlass des Erstverstorbenen ein erst beim Tod des länger lebenden Ehegatten fälliges Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils erhalten.
Die enterbten Geschwister der Steuerpflichtigen machten nach dem Tod des erstverstorbenen Vaters ihren Pflichtteil geltend. Die Steuerpflichtige erwarb daher beim Tod des Vaters ein entsprechendes Vermächtnis, dass mit dem Tod der Mutter fällig wurde.
Nachdem auch die Mutter verstorben war, setzte das FA gegenüber der Steuerpflichtigen Erbschaftsteuer für den Erwerb nach der Mutter fest. Das Vermächtnis rechnete es weder dem Erwerb hinzu noch wurde es als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht. Im Einspruchsverfahren vertrat die Steuerpflichtige die Auffassung, das Vermächtnis sei bei ihr doppelt hinzugerechnet worden und deshalb als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.
Im sich anschließenden Gerichtsverfahren blieb die Steuerpflichtige sowohl vor dem FG als vor dem BFH erfolglos. Der BFH entschied, dass im Streitfall das Vermächtnis bei der Steuerpflichtigen nicht doppelt besteuert worden ist.
Der Wert des Vermächtnisses wurde zunächst einmal besteuert, nämlich nach dem Tod des Vaters bei der Mutter als dessen Alleinerbin. Da das Vermächtnis zwar damals bereits entstanden war, aber erst bei dem Tod der Mutter fällig wurde, ging der Nachlass des Vaters ungeschmälert, das heißt einschließlich des Vermögens, aus dem das Vermächtnis zu erfüllen war, auf die Mutter über. Die Mutter konnte die Vermächtnisverbindlichkeit bei ihrem Erbe nicht in Abzug bringen, weil sie mangels Fälligkeit diese Schuld nicht zu begleichen hatte.
Nach dem Tod der Mutter hatte die Steuerpflichtige das jetzt fällig gewordene Vermächtnis zu versteuern. Als Schlusserbin unterlag bei ihr außerdem der Nachlass nach der Mutter der Erbschaftsteuer. Dort konnte sie die dann fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen. Das Vermächtnis unterlag bei der Steuerpflichtigen daher nur einmal der Besteuerung.
Den Umstand, dass bezüglich des betagten Vermächtnisses im Ergebnis zweimal Erbschaftsteuer entsteht -einmal (ohne Abzugsmöglichkeit als Nachlassverbindlichkeit) bei der Mutter nach dem Tod des Vaters und ein weiteres Mal bei der Steuerpflichtigen nach dem Tod der Mutter- hat der BFH rechtlich nicht beanstandet. Denn es liegt an der Verwendung der Jastrowschen Klausel, die - um den überlebenden Ehegatten mit ausreichend Liquidität auszustatten - das Vermächtnis zwar bei Tod des Erstverstorbenen anfallen, aber erst bei Tod des länger lebenden Ehegatten fällig werden lässt.