17.06.2013

Kein Anspruch auf Vorläufigkeitsvermerk wegen Mindestbesteuerung

Eine Ermessensreduzierung auf Null für die Setzung eines Vorläufigkeitsvermerks setzt voraus, dass durch die Sachlage des Einzelfalls die Ermessensgrenzen so eingeengt sind, dass nur eine bestimmte Entscheidung möglich ist, während jede andere notwendig zu einem Ermessensfehler führen müsste. Dies ist etwa gegeben im Fall von Wertungewissheiten bei der Anschaffung abschreibbarer Wirtschaftsgüter oder Ungewissheit über das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht bei der Prüfung, ob eine steuerrelevante Tätigkeit im Rahmen der Einkunftsarten ausgeübt wird.

FG Köln 11.4.2013, 13 K 889/12
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine im Jahr 1997 gegründete GmbH. Während sie zunächst als Holdinggesellschaft gegründet wurde, wird nun als Geschäftsgegenstand eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Umwelt angegeben. Sie ist sowohl körperschaftsteuerliche als auch gewerbesteuerliche Organträgerin weiterer GmbHs. Im Streitjahr 2004 waren es vier Organgesellschaften.

Die Klägerin gab auf der Basis ihres Jahresabschlusses zum 31.12.2004 beim Finanzamt die Steuererklärungen für das Streitjahr ab und wurde im Wesentlichen erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2004 sowie zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer und zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 veranlagt. Dabei flossen die Ergebnisse der Organgesellschaften in die entsprechenden Besteuerungsgrundlagen bei der Klägerin ein.

Auf der Basis der Außenprüfungsergebnisse erließ das Finanzamt später geänderte Bescheide. Die Parteien stritten im Folgenden über die Frage, ob die Steuerbehörde verpflichtet ist, im Hinblick auf eine mögliche Definitivbelastung der Klägerin durch einen späteren Wegfall von Verlustvorträgen die streitbefangenen, unter Anwendung der Mindestbesteuerungsvorschriften durchgeführten, Veranlagungen mit einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk zu versehen.

Das FG sprach sich dagegen aus und wies die Klage ab. Es ließ allerdings wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum BFH zu.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der sog. Mindestbesteuerung gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 2 EStG, § 10a GewStG für vorläufig erklärt werden.

Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung der fortentwickelten BFH-Rechtsprechung zur Mindestbesteuerung sowie der dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerde bestand keine Ermessensreduzierung auf Null für das Finanzamt. Danach wäre nur die Setzung eines Vorläufigkeitsvermerks im Hinblick auf die möglichen Folgen einer Definitivsituation, also dem Fall, dass aus der zeitlichen Streckung der Verlustausgleichsmöglichkeit zu einem späteren Zeitpunkt der völlige Ausschluss eines Verlustausgleichs folgt, rechtmäßig. Die Klägerin begehrte die Setzung des Vorläufigkeitsvermerks im Hinblick auf die Möglichkeit, dass - aus der Perspektive des Veranlagungszeitraums - in der Zukunft, - aus der Perspektive des gerichtlichen Entscheidungszeitpunkts - möglicherweise in der Vergangenheit oder auch in der Zukunft ein Sachverhalt verwirklicht wurde oder werden wird, der den Definitiveffekt auslöst. Hinsichtlich des so verstandenen Antrages bestand für den Beklagten keine Ermessensreduktion auf Null.

Dies galt zunächst für die Möglichkeit, nach § 165 Abs. 1 S. 1 AO einen Vorläufigkeitsvermerk wegen ungewisser Tatsachen zu setzen. Denn eine derartige Ermessensreduzierung auf Null setzt voraus, dass durch die Sachlage des Einzelfalls die Ermessensgrenzen so eingeengt sind, dass nur eine bestimmte Entscheidung möglich ist, während jede andere notwendig zu einem Ermessensfehler führen müsste. Eine solche Situation war im Streitfall jedoch nicht gegeben. Anwendungsfälle sind vielmehr Wertungewissheiten bei der Anschaffung abschreibbarer Wirtschaftsgüter oder Ungewissheit über das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht bei der Prüfung, ob eine steuerrelevante Tätigkeit im Rahmen der Einkunftsarten ausgeübt wird. Im vorliegenden Fall ging es jedoch um die Frage, ob ein aus der Perspektive des Steuerentstehungszeitpunktes (Ablauf des 31.12.2004) in der Zukunft möglicherweise eintretendes Ereignis aus verfassungsrechtlichen Gründen auf den Veranlagungszeitraum zurückwirken wird und dort zu einer veränderten Steuerfestsetzung führen muss.

Es war im Zeitpunkt der Entscheidung aber vollkommen unklar, ob jemals ein Lebenssachverhalt verwirklicht wird, durch den ein Definitiveffekt hinsichtlich der von der Klägerin zum Bilanzstichtag vorgetragenen Verluste ausgelöst werden könnte. Zwar besteht in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einvernehmen, dass insoweit Fälle der Ermessensreduktion auf Null denkbar sind, etwa bei einer allgemeinen Weisung zur Setzung des Vorläufigkeitsvermerks in vergleichbaren Fällen oder wenn ansonsten die Notwendigkeit bestünde, ein Klageverfahren nach § 74 FGO auszusetzen. Die Finanzbehörden sind aber gehalten, von der Möglichkeit der Vorläufigkeitsfestsetzung nur dann Gebrauch zu machen, soweit sie hierzu angewiesen wurden.

Auch danach bestand hier keine Ermessensreduzierung auf Null, denn eine allgemeine Anweisung zur Setzung von Vorläufigkeitsvermerken in den Fällen eines Definitiveffekts bzgl. der Mindestbesteuerung konnte nicht festgestellt werden. Nach Überzeugung des Gerichtes bestand auch keine Verpflichtung, das vorliegende Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen, wenn der Vorläufigkeitsvermerk nicht gesetzt wird.

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