06.03.2025

Kein Recht zur Verweigerung einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO bei unverhältnismäßigem Aufwand

1. Der Verantwortliche kann dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung nicht entgegenhalten, dass die Auskunft einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.
2. Ein Auskunftsbegehren gilt nicht bereits als exzessiv, wenn die betroffene Person Auskunft zu ihren personenbezogenen Daten begehrt, ohne dieses Begehren in sachlicher beziehungsweise zeitlicher Hinsicht zu beschränken.
3. Ein Auskunftsanspruch ist grundsätzlich dann erfüllt, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Auskunftsschuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen.

Kurzbesprechung
BFH v. 14.1.2025 - IX R 25/22

EUV 2016/679 Art 15 Abs 1, EUV 2016/679 Art 15 Abs 3, EUV 2016/679 Art 15 Abs 4, EUV 2016/679 Art 14 Abs 5, EUV 2016/679 Art 12 Abs 5
AO § 32c Abs 1 Nr. 3, AO § 32c Abs 3
BGB § 275 Abs 2, BGB § 259 Abs 2, BGB § 260 Abs 2
AEUV Art 267 Abs 3


Streitig war, in welchem Umfang der Steuerpflichtige vom FA Auskunft nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verlangen kann.

Der Steuerpflichtige ist Vorstand einer AG (Z-AG). Zudem war er an einer damit im Zusammenhang stehenden atypisch stillen Gesellschaft (Z-atypisch still) beteiligt. Die Prozessbevollmächtigte des Steuerpflichtigen beantragte unter Bezugnahme auf die Datenschutz-Grundverordnung "die Überlassung von Ablichtungen aller gespeicherten Informationen" der Z-AG, worauf das FA verschiedene Übersichten (Grunddaten, Bescheiddaten, eDaten) übersandte.

Diesbezüglich rügte die Prozessbevollmächtigte, dass nicht alle gemäß Art. 15 DSGVO vorzulegenden Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien, die bei der Finanzverwaltung vorhanden seien. Das FA wertete dies als Antrag auf allumfassende Akteneinsicht, der an Amtsstelle zugestimmt wurde. Hierauf beantragte die Prozessbevollmächtigte Auskunft nach Art. 15 DSGVO bezüglich des Steuerpflichtigen. Das FA erklärte diesbezüglich seine Bereitschaft zur Akteneinsicht zur Erfüllung des Auskunftsbegehrens. Eine Übersendung aller Akten wurde jedoch abgelehnt.

Nach erfolglosem Klageverfahren machte der Steuerpflichtige im Revisionsverfahren die Verletzung materiellen Rechts (Art. 15 DSGVO) und Verfahrensfehler geltend. Das Auskunftsbegehren sei insbesondere auch auf die Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten gerichtet. Dieses sei bislang nicht ‑ auch nicht teilweise - erfolgt. Das Auflisten behördeninterner Vorgänge, deren Inhalt sich nicht erschließe, stelle keine Auskunftserteilung dar. Dem Auskunftsbegehren könne nicht der Einwand unverhältnismäßigen Aufwands entgegengehalten werden. Ferner sei sein Auskunftsbegehren auch nicht als exzessiv zu bezeichnen.

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies den Streitfall an das FG zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurück. Das FG hatte zwar zu Recht entschieden, dass dem Steuerpflichtigen dem Grunde nach ein Anspruch auf Auskunft über die ihn betreffenden und vom FA verarbeiteten personenbezogenen Daten zusteht. Rechtsfehlerhaft war das FG jedoch davon ausgegangen, das FA könne der Auskunftserteilung entgegenhalten, dass diese mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden sei und das Auskunftsbegehren exzessiv sei. Der BFH entschied wie folgt:
  1. Dem Steuerpflichtigen steht dem Grunde nach ein Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO gegenüber dem FA zu, denn die Verarbeitung personenbezogener Daten des Steuerpflichtigen durch das FA unterliegt den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung.
  2. Dem Steuerpflichtigen als betroffener Person im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO steht nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 1 DSGVO das Recht auf Auskunft gegenüber dem FA als Verantwortlichem im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO über die vom FA verarbeiteten, ihn betreffenden personenbezogenen Daten sowie über die in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO genannten Informationen dem Grunde nach zu.
  3. Außerdem hat der Steuerpflichtige dem Grunde nach gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO Anspruch auf Übersendung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind.
  4. Unzureichende Soll-Angaben im Sinne von § 32c Abs. 2 AO rechtfertigen keine Ablehnung des Auskunftsbegehrens im Sinne von Art. 15 DSGVO.
  5. Der Auffassung des FG, dass der Auskunftsanspruch wegen unverhältnismäßigen Aufwands nicht bestehe, folgt der BFH nicht. Denn eine entsprechende Einschränkung des Auskunftsanspruchs ergibt sich nicht aus der Datenschutz-Grundverordnung. Eine Einschränkung des Auskunftsanspruchs bei unverhältnismäßigem Aufwand für die Auskunftserteilung ergibt sich ferner nicht aus den Vorschriften des nationalen Rechts.
  6. Auch teilt der BFH die vom FG vertretene Auffassung nicht, dass das Auskunftsbegehren aufgrund eines exzessiven Antrags im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 und 3 DSGVO ausgeschlossen sei.

 

  • Das FG hatte rechtsfehlerhaft eine Ausnahme von der dem FA für die Annahme eines exzessiven Antrags obliegenden Nachweispflicht angenommen, da sich die zur Unbegründetheit des Antrags führenden Umstände bereits aus dem Antrag ergeben sollen und damit offensichtlich seien. Andernfalls liefe die Nachweispflicht des Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DSGVO ins Leere. Dabei verkennt das FG, dass das Verweigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b DSGVO nur besteht, wenn der Antrag offenkundig unbegründet oder exzessiv ist.
     
  • Im Übrigen kann ein Auskunftsbegehren nicht bereits als exzessiv gelten, wenn die betroffene Person Auskunft zu ihren personenbezogenen Daten begehrt, ohne ‑ wie im Streitfall - dieses Begehren in sachlicher beziehungsweise zeitlicher Hinsicht (weitestgehend) zu beschränken.
     
  • Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO besteht ein Anspruch auf Auskunft über sämtliche personenbezogenen Daten, die der Verantwortliche verarbeitet. Nur so wird dem Zweck des Art. 15 DSGVO hinreichend Rechnung getragen, es der betroffenen Person durch die Wahrnehmung des Auskunftsrechts in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Dem stünde es entgegen, wenn der Verantwortliche die Auskunft verweigern könnte, wenn die betroffene Person ihr Auskunftsrecht unbeschränkt geltend macht.
     
  • Ein Exzess des Antrags kann auch nicht damit begründet werden, dass das FA dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Akteneinsicht angeboten hat. Die Möglichkeit zur Akteneinsicht erweist sich als ein Aliud im Vergleich zu dem Begehren auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten. Während das Recht auf Akteneinsicht die temporäre Möglichkeit zur Einsicht in die gesamte Verwaltungsakte beinhaltet, betrifft Art. 15 DSGVO nicht die gesamte Verwaltungsakte, sondern ist auf die dauerhafte Überlassung der darin enthaltenen personenbezogenen Daten und nur ausnahmsweise unter bestimmten Umständen auf die Überlassung von Auszügen von Verwaltungsakten gerichtet. Zudem betrifft das Recht auf Akteneinsicht einen Einblick in die Originalakte zu erhalten, während Art. 15 DSGVO auf die Erteilung von Auskünften und die Zurverfügungstellung von Kopien gerichtet ist.
     
  • Auch kann es für die Annahme eines Exzesses nicht darauf ankommen, dass der Steuerpflichtigen nach der Überzeugung des FG mit seinem Auskunftsbegehren andere Zwecke verfolge als die, denen die Datenschutz-Grundverordnung dient. Soweit es der betroffenen Person freisteht, Auskunft nach Art. 15 DSGVO auch ohne eine Begründung ihres Begehrens zu verlangen, kann ein exzessiver Antrag nicht deshalb angenommen werden, dass die betroffene Person mit ihrem Auskunftsbegehren andere Zwecke als die der Datenschutz-Grundverordnung verfolgt. Vielmehr wäre es widersprüchlich, wenn ein Verweigerungsrecht entstünde, weil die betroffene Person ihr Auskunftsersuchen nicht hinsichtlich der Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft begehrt wird, näher präzisiert.
     
  • Letztlich kann auch kein exzessiver Antrag allein deswegen angenommen werden, dass der Steuerpflichtige in seinem Auskunftsersuchen die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, nicht näher bezeichnet hat. Soweit § 32c Abs. 2 AO eine entsprechende Vorgabe enthält, handelt es sich hierbei um eine bloße Sollvorschrift, an die keine Rechtsfolge geknüpft ist.


Unter Anwendung der vorstehend geschilderten Maßstäbe fehlte es im Streitfall an Feststellungen, inwieweit das Auskunftsbegehren des Steuerpflichtigen bereits erfüllt wurde. Diese muss das FG nun im zweiten Rechtsgang nachholen. Eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV hält der BFH für nicht erforderlich, da die Rechtslage eindeutig ist.

Verlag Dr. Otto Schmidt