Kein strukturelles Vollzugsdefizit bei bargeldintensiven Betrieben im Jahr 2015
Kurzbesprechung
BFH v. 16.9.2021 - IV R 34/18
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Streitig war, ob bezüglich der Erfassung von Bareinnahmen aus bargeldintensiven Geschäftsbetrieben (insbesondere im Bereich der Gastronomie) im Veranlagungszeitraum 2015 (Streitjahr) ein strukturelles Vollzugsdefizit vorlag und deshalb die erzielten Bareinnahmen nur teilweise der Besteuerung unterliegen.
Das FG wies die Klage ab und auch der BFH entschied, dass im Streitjahr 2015 hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei Einkünften aus Gewerbebetrieb bei bargeldintensiven Betrieben, insbesondere bei solchen der Gastronomie, kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit bestand, das zur (ggf. partiellen) Nichtigkeit der materiellen Steuernorm hätte führen können. Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG an das BVerfG kam daher nicht in Betracht.
Bei der Beurteilung der Frage, ob in einem bestimmten Veranlagungszeitraum ein strukturelles Vollzugsdefizit besteht, sind sowohl faktische als auch normative Veränderungen zu berücksichtigen, die zusätzliche Anreize zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Erklärungspflichten geschaffen haben und die das Entdeckungsrisiko für den Steuerpflichtigen bei der Abgabe mangelhafter Erklärungen erhöht haben.
In zeitlicher Hinsicht sind dabei grundsätzlich alle solche Veränderungen in die Betrachtung einzubeziehen, die sich typischerweise auf den Vollzug innerhalb der allgemeinen vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) auswirken konnten, denn regelmäßig müsste ein hinreichend effektiver Vollzug innerhalb dieser Frist gelingen.
Im Streitjahr (2015) bestand hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (auch) bei bargeldintensiven Betrieben insbesondere im Bereich der Gastronomie kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit, das zur Nichtigkeit des § 15 EStG bezogen auf die Besteuerung des Betriebs der Steuerpflichtigen hätte führen können.
Das FG hatte zutreffend darauf hingewiesen, dass Steuerpflichtige mit Einkünften aus Gewerbebetrieb auch im Streitjahr bereits umfangreichen Erklärungspflichten unterlagen, die von der zwingenden Abgabe einer Steuererklärung mit einer Anlage EÜR bis zur Abgabe einer Bilanz reichen, und dass diese Regelungen bereits damals flankiert wurden von umfangreichen Anzeige, Aufzeichnungs- und (Beleg )Aufbewahrungspflichten (z.B. § 137, §§ 140 ff., §§ 147 ff. AO; ebenso § 22 UStG), die zur Verifikation herangezogen werden können und ggf. Anlass zu weiteren Ermittlungen z.B. im Rahmen von Außenprüfungen im Hinblick auf Manipulationen ergeben. Es bestand auch bereits im Streitjahr ein erhöhtes Entdeckungsrisiko selbst für bargeldintensive Betriebe mit offener Ladenkasse. So war bereits damals eine Außenprüfung ohne weitere Voraussetzung und nicht nur ausnahmsweise zulässig.
Zu Recht hatte das FG ferner darauf hingewiesen, dass sich auch - bei den bargeldintensiven Gewerbebetrieben Hinweise regelmäßig auch aus einer Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) ergeben können, so dass sich die Steuerpflichtigen nicht ohne weiteres darauf verlassen können, dass nach einer Außenprüfung für mindestens 70 Jahre keine weitere Prüfung erfolgt. Weiterhin gab es auch im Streitjahr mit Methoden wie z.B. dem Chi-Quadrat-Test bereits Möglichkeiten, selbst bei bargeldintensiven Betrieben mit offener Ladenkasse Manipulationen aufzudecken.
Das FG hatte auch zu Recht darauf abgestellt, dass den Veranlagungsstellen anders als in den vom BVerfG entschiedenen Fällen zur Zinsbesteuerung und zu den Spekulationsgeschäften auch Kontrollmaterialien zur Verfügung stehen, die zur Verifikation der erklärten Einkünfte herangezogen werden können, wie etwa die Verprobung der erklärten Daten mit den Daten der Vorjahre oder anhand der jährlich aktualisierten Richtsatzsammlungen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
GG Art. 3 Abs. 1
Streitig war, ob bezüglich der Erfassung von Bareinnahmen aus bargeldintensiven Geschäftsbetrieben (insbesondere im Bereich der Gastronomie) im Veranlagungszeitraum 2015 (Streitjahr) ein strukturelles Vollzugsdefizit vorlag und deshalb die erzielten Bareinnahmen nur teilweise der Besteuerung unterliegen.
Das FG wies die Klage ab und auch der BFH entschied, dass im Streitjahr 2015 hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei Einkünften aus Gewerbebetrieb bei bargeldintensiven Betrieben, insbesondere bei solchen der Gastronomie, kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit bestand, das zur (ggf. partiellen) Nichtigkeit der materiellen Steuernorm hätte führen können. Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG an das BVerfG kam daher nicht in Betracht.
Bei der Beurteilung der Frage, ob in einem bestimmten Veranlagungszeitraum ein strukturelles Vollzugsdefizit besteht, sind sowohl faktische als auch normative Veränderungen zu berücksichtigen, die zusätzliche Anreize zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Erklärungspflichten geschaffen haben und die das Entdeckungsrisiko für den Steuerpflichtigen bei der Abgabe mangelhafter Erklärungen erhöht haben.
In zeitlicher Hinsicht sind dabei grundsätzlich alle solche Veränderungen in die Betrachtung einzubeziehen, die sich typischerweise auf den Vollzug innerhalb der allgemeinen vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) auswirken konnten, denn regelmäßig müsste ein hinreichend effektiver Vollzug innerhalb dieser Frist gelingen.
Im Streitjahr (2015) bestand hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (auch) bei bargeldintensiven Betrieben insbesondere im Bereich der Gastronomie kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit, das zur Nichtigkeit des § 15 EStG bezogen auf die Besteuerung des Betriebs der Steuerpflichtigen hätte führen können.
Das FG hatte zutreffend darauf hingewiesen, dass Steuerpflichtige mit Einkünften aus Gewerbebetrieb auch im Streitjahr bereits umfangreichen Erklärungspflichten unterlagen, die von der zwingenden Abgabe einer Steuererklärung mit einer Anlage EÜR bis zur Abgabe einer Bilanz reichen, und dass diese Regelungen bereits damals flankiert wurden von umfangreichen Anzeige, Aufzeichnungs- und (Beleg )Aufbewahrungspflichten (z.B. § 137, §§ 140 ff., §§ 147 ff. AO; ebenso § 22 UStG), die zur Verifikation herangezogen werden können und ggf. Anlass zu weiteren Ermittlungen z.B. im Rahmen von Außenprüfungen im Hinblick auf Manipulationen ergeben. Es bestand auch bereits im Streitjahr ein erhöhtes Entdeckungsrisiko selbst für bargeldintensive Betriebe mit offener Ladenkasse. So war bereits damals eine Außenprüfung ohne weitere Voraussetzung und nicht nur ausnahmsweise zulässig.
Zu Recht hatte das FG ferner darauf hingewiesen, dass sich auch - bei den bargeldintensiven Gewerbebetrieben Hinweise regelmäßig auch aus einer Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) ergeben können, so dass sich die Steuerpflichtigen nicht ohne weiteres darauf verlassen können, dass nach einer Außenprüfung für mindestens 70 Jahre keine weitere Prüfung erfolgt. Weiterhin gab es auch im Streitjahr mit Methoden wie z.B. dem Chi-Quadrat-Test bereits Möglichkeiten, selbst bei bargeldintensiven Betrieben mit offener Ladenkasse Manipulationen aufzudecken.
Das FG hatte auch zu Recht darauf abgestellt, dass den Veranlagungsstellen anders als in den vom BVerfG entschiedenen Fällen zur Zinsbesteuerung und zu den Spekulationsgeschäften auch Kontrollmaterialien zur Verfügung stehen, die zur Verifikation der erklärten Einkünfte herangezogen werden können, wie etwa die Verprobung der erklärten Daten mit den Daten der Vorjahre oder anhand der jährlich aktualisierten Richtsatzsammlungen.