30.04.2019

Kein Verschiebung des Zeitpunkts der Verlustrealisierung (§ 17 Abs. 4 EStG) durch späteren Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens

Eine Verschiebung des Zeitpunkts der Verlustrealisierung i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG durch einen späteren Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 213 InsO kommt nicht in Betracht

FG Düsseldorf v. 29.1.2019 - 13 K 1070/17 E
Der Sachverhalt:
Der Kläger war zur Hälfte am Stammkapital der 1988 gegründeten B-GmbH beteiligt. Darüber hinaus betrieb er ein gewerbliches Einzelunternehmen, in dessen Rahmen er Vermietung tätigte, und zwar u.a. an die GmbH. Im Jahr 2005 führte das Finanzamt eine Betriebsprüfung bei der GmbH für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2001 durch. Im Juni 2008 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter führte in einem Bericht aus, dass die GmbH spätestens ab dem 31.12.2000, wahrscheinlich aber schon früher bilanziell und rechtlich überschuldet gewesen sei. Stille Reserven hätten, entgegen der Darstellung im Jahresabschluss auf den 31.12.2002, nicht existiert. Eine Fortführung des Unternehmens sei ausgeschlossen. Der Geschäftsbetrieb sei im April 2007 eingestellt worden. Nennenswerte liquide Mittel seien nicht vorhanden.

Im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens verhandelte der Kläger mit den Gläubigern der GmbH über einen teilweisen Forderungsverzicht. Mit Schreiben vom 20.6.2013 beantragte die GmbH die Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger gem. § 213 InsO. Da jedoch ein bestimmter Gläubiger der GmbH nicht zu einem Forderungsverzicht bereit war und im August 2013 mitgeteilt hatte, dass er keine Einverständniserklärung abgeben werde, kam es nicht zu einer Einstellung des Insolvenzverfahrens.

Seine Einkommensteuererklärung für 2012 gab der Kläger im März 2015 ab. Darin erklärte er einen Verlust aus der Auflösung der GmbH gem. § 17 Abs. 4 EStG i.H.v. rd. 600.000 €. Das Finanzamt teilte dem Kläger mit, dass nicht erkennbar sei, warum der Verlust in zeitlicher Hinsicht in 2012 zu berücksichtigen sei. Im Einkommensteuerbescheid für 2012 lehnte das Finanzamt die Berücksichtigung des geltend gemachten Verlustes ab. Die Einkommensteuererklärung für 2013 gab der Kläger im März 2015 ab. Das FA veranlagte ihn mit Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 27.4.2016. Am selben Tag ergingen Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide für 2015 und 2016. Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide für 2012 und 2013 sowie die Vorauszahlungsbescheide 2015 und 2016.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Die Gründe:
Die in der Hauptsache begehrte Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 4 EStG im Streitjahr 2013 ist nicht möglich. Ein solcher Auflösungsverlust hätte bereits in einem früheren Veranlagungszeitraum geltend gemacht werden müssen. Eine Verschiebung des Realisationszeitpunkts in das Streitjahr 2013 kommt insbesondere nicht vor dem Hintergrund in Betracht, dass in diesem Jahr die von der GmbH begehrte Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 213 InsO endgültig gescheitert ist.

Ein Auflösungsverlust steht fest, wenn der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) feststehen. Gleiches gilt, wenn sicher ist, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheidet und wenn die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen feststehen. Wird ein Insolvenzverfahren durchgeführt, kommt i.d.R. keine Verlustrealisierung vor Abschluss des Liquidationsverfahrens in Betracht. Denn ein Veräußerungsgewinn oder -verlust ist erst realisiert, wenn der Insolvenzverwalter die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens oder das Unternehmen im Ganzen veräußert und mit dem letzten Geschäftsvorfall die Grundlage für die Schlussverteilung geschaffen hat.

Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, zu dem der Auflösungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Insolvenzverfahrens liegen. Voraussetzung ist auch in diesem Fall, dass feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten und Aufgabekosten für den Gesellschafter anfallen werden. Darüber hinaus muss feststehen, dass die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war, denn in diesem Fall kann auch eine Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden. Die letztgenannte Voraussetzung liegt vor, wenn aufgrund des Inventars und der Insolvenzeröffnungsbilanz oder einer Zwischenrechnungslegung ohne weitere Ermittlungen und mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird.

Schließlich muss die Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass die Gesellschaft fortgeführt wird. Eine Sanierung und Fortführung im Rahmen eines Insolvenzplans darf daher nicht in Betracht. Nach § 1 InsO sind die Erhaltung des Unternehmens in Ausführung eines Insolvenzplans und die Liquidation gleichrangige Ziele des Verfahrens. Gelingt aber die Sanierung der Gesellschaft, kommt es nicht zu einer Vollbeendigung und damit auch nicht zu einer Realisierung eines Auflösungsverlustes der Gesellschafter. Die vorgenannten Voraussetzungen sind aus Ex-ante-Sicht zu beurteilen; nachträgliche Ereignisse wie der tatsächliche Ausgang eines Insolvenzverfahrens sind nicht zu berücksichtigen

Bei der Frage, ob der Auflösungsverlust zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits feststeht, handelt es sich letztlich um eine Wahrscheinlichkeitsprognose. Wenn der BFH daher das Feststehen des Auflösungsverlustes u.a. davon abhängig macht, dass sich aus einer "Zwischenrechnungslegung des Insolvenzverwalters die endgültige Bewertung des Schuldnervermögens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergeben muss", muss dieser Maßstab auch für die Voraussetzung gelten, dass die Fortsetzung der Gesellschaft ausgeschlossen sein muss. Im Streitfall war eine solche Fortsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.

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