Kein Vorsteuerabzug eines Dirigenten aus den ihm gegenüber im Ausland erbrachten Vermittlungsleistungen
BFH v. 22.8.2019, V R 14/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger war im Streitjahr 2011 als Dirigent selbständig tätig. Er übt seine Tätigkeit in Konzert-, Opern- und Theaterhäusern im Inland und im Ausland aus. Die Landesdirektion Sachsen bescheinigte ihm ab 2011 unbefristet, die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG zu erfüllen. Für die Vermittlung von Engagements in Spanien, Italien und in den Niederlanden stellten zwei im übrigen Gemeinschaftsgebiet (Großbritannien und Italien) ansässige Künstleragenturen dem Kläger im Streitjahr Provisionen in Rechnung, die auch im Streitjahr bezahlt wurden.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Agenturen als im Ausland ansässige Unternehmer Vermittlungsleistungen an den Kläger erbracht hätten, die nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerbar seien. Die entsprechenden Umsatzsteuerbeträge schulde der Kläger als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 UStG. Die Beträge könnten aber nicht gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abgezogen werden, weil sie zur Verwendung für Leistungen im Ausland bezogen worden seien, die im Inland steuerfrei wären. Die Behörde setzte dementsprechend die Umsatzsteuer für das Streitjahr fest. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Der Vorsteuerabzug aus den Vermittlungsleistungen ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen, weil die vermittelten Dirigentenleistungen im Inland nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei wären.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG kann der Unternehmer die Steuer für Leistungen i.S.d. § 13b Abs. 1 und 2 UStG, die - wie hier die Vermittlungsleistungen der im Ausland ansässigen Künstleragenturen - für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Dem Leistungsempfänger wird damit der Vorsteuerabzug für die Steuer eröffnet, die er nach § 13b UStG schuldet. Der Vorsteuerabzug ist aber nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen für Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden. Danach berechtigen im Ausland ausgeführte Umsätze nur insoweit zum Vorsteuerabzug, als für diese Auslandsumsätze das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn sie im Inland bewirkt worden wären.
Auf dieser Grundlage hängt das Recht auf Vorsteuerabzug von zwei Voraussetzungen ab, nämlich zum einen davon, dass die Umsätze, die ein Steuerpflichtiger in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen bewirkt, in dem die Mehrwertsteuer für die zur Bewirkung dieser Umsätze verwendeten Gegenstände und Dienstleistungen geschuldet oder entrichtet wird, in diesem anderen Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, und zum anderen davon, dass diese Umsätze auch steuerpflichtig wären, wenn sie in dem Mitgliedstaat, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet oder entrichtet wird, bewirkt worden wären.
An der zweiten Voraussetzung fehlte es im Streitfall allerdings, so dass der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen war. Der Kläger hatte die Vermittlungsleistungen für die Ausführung von kulturellen sonstigen Leistungen verwendet, die nach § 3a Abs. 2 UStG am Sitzort der unternehmerischen Auftraggeber in den anderen Mitgliedsländern ausgeführt und dort steuerbar sind, die aber - wenn sie im Inland erbracht worden wären - unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG fallen würden. Danach sind steuerfrei solche Umsätze von - mit § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG gleichartigen - Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.
Kann der Steuerpflichtige als natürliche Person und als Dirigent eine Einrichtung sein, kommt es für die weitere Voraussetzung der Gleichartigkeit auf die Vergleichbarkeit mit den im § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen an. Diese Voraussetzung ist im Rahmen der Steuerfestsetzung grundsätzlich selbständig zu prüfen. Denn die Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG bezieht sich auf die im konditionalen zweiten Halbsatz des Satzes 2 nach dem Wort "wenn" aufgeführten Voraussetzungen. Nur insoweit tritt auch eine Bindungswirkung dieser Bescheinigung als Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO ein. Die Bescheinigung entscheidet nach § 182 AO verbindlich darüber, ob die Einrichtung die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllen.
Der Inhalt der Bescheinigung ist jedoch auch für den Begriff der Gleichartigkeit in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG heranzuziehen. Wenn danach eine natürliche Person eine Einrichtung sein kann, so ist auch die Leistung eines Dirigenten der Leistung eines Orchesters oder Kammermusikensembles gleichartig, wenn - was sich aus der Bescheinigung ergibt - der Dirigent die gleichen kulturellen Aufgaben wie ein Orchester oder wie ein Kammermusikensemble erfüllt. Beide Einrichtungen, das Orchester ebenso wie der Dirigent, wirken bei der Erbringung der Leistung - z.B. bei einem Konzert - zusammen und erfüllen ihre kulturellen Aufgaben gemeinsam. Soweit der BFH dies in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht aus § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG hergeleitet, sondern direkt aus der Richtlinie abgeleitet hat, hält er daran nicht mehr fest.
Linkhinweis:
BFH online
Der Kläger war im Streitjahr 2011 als Dirigent selbständig tätig. Er übt seine Tätigkeit in Konzert-, Opern- und Theaterhäusern im Inland und im Ausland aus. Die Landesdirektion Sachsen bescheinigte ihm ab 2011 unbefristet, die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG zu erfüllen. Für die Vermittlung von Engagements in Spanien, Italien und in den Niederlanden stellten zwei im übrigen Gemeinschaftsgebiet (Großbritannien und Italien) ansässige Künstleragenturen dem Kläger im Streitjahr Provisionen in Rechnung, die auch im Streitjahr bezahlt wurden.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Agenturen als im Ausland ansässige Unternehmer Vermittlungsleistungen an den Kläger erbracht hätten, die nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerbar seien. Die entsprechenden Umsatzsteuerbeträge schulde der Kläger als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 UStG. Die Beträge könnten aber nicht gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abgezogen werden, weil sie zur Verwendung für Leistungen im Ausland bezogen worden seien, die im Inland steuerfrei wären. Die Behörde setzte dementsprechend die Umsatzsteuer für das Streitjahr fest. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Der Vorsteuerabzug aus den Vermittlungsleistungen ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen, weil die vermittelten Dirigentenleistungen im Inland nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG steuerfrei wären.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG kann der Unternehmer die Steuer für Leistungen i.S.d. § 13b Abs. 1 und 2 UStG, die - wie hier die Vermittlungsleistungen der im Ausland ansässigen Künstleragenturen - für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Dem Leistungsempfänger wird damit der Vorsteuerabzug für die Steuer eröffnet, die er nach § 13b UStG schuldet. Der Vorsteuerabzug ist aber nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen für Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden. Danach berechtigen im Ausland ausgeführte Umsätze nur insoweit zum Vorsteuerabzug, als für diese Auslandsumsätze das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn sie im Inland bewirkt worden wären.
Auf dieser Grundlage hängt das Recht auf Vorsteuerabzug von zwei Voraussetzungen ab, nämlich zum einen davon, dass die Umsätze, die ein Steuerpflichtiger in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen bewirkt, in dem die Mehrwertsteuer für die zur Bewirkung dieser Umsätze verwendeten Gegenstände und Dienstleistungen geschuldet oder entrichtet wird, in diesem anderen Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, und zum anderen davon, dass diese Umsätze auch steuerpflichtig wären, wenn sie in dem Mitgliedstaat, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet oder entrichtet wird, bewirkt worden wären.
An der zweiten Voraussetzung fehlte es im Streitfall allerdings, so dass der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausgeschlossen war. Der Kläger hatte die Vermittlungsleistungen für die Ausführung von kulturellen sonstigen Leistungen verwendet, die nach § 3a Abs. 2 UStG am Sitzort der unternehmerischen Auftraggeber in den anderen Mitgliedsländern ausgeführt und dort steuerbar sind, die aber - wenn sie im Inland erbracht worden wären - unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG fallen würden. Danach sind steuerfrei solche Umsätze von - mit § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG gleichartigen - Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.
Kann der Steuerpflichtige als natürliche Person und als Dirigent eine Einrichtung sein, kommt es für die weitere Voraussetzung der Gleichartigkeit auf die Vergleichbarkeit mit den im § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen an. Diese Voraussetzung ist im Rahmen der Steuerfestsetzung grundsätzlich selbständig zu prüfen. Denn die Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG bezieht sich auf die im konditionalen zweiten Halbsatz des Satzes 2 nach dem Wort "wenn" aufgeführten Voraussetzungen. Nur insoweit tritt auch eine Bindungswirkung dieser Bescheinigung als Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO ein. Die Bescheinigung entscheidet nach § 182 AO verbindlich darüber, ob die Einrichtung die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllen.
Der Inhalt der Bescheinigung ist jedoch auch für den Begriff der Gleichartigkeit in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG heranzuziehen. Wenn danach eine natürliche Person eine Einrichtung sein kann, so ist auch die Leistung eines Dirigenten der Leistung eines Orchesters oder Kammermusikensembles gleichartig, wenn - was sich aus der Bescheinigung ergibt - der Dirigent die gleichen kulturellen Aufgaben wie ein Orchester oder wie ein Kammermusikensemble erfüllt. Beide Einrichtungen, das Orchester ebenso wie der Dirigent, wirken bei der Erbringung der Leistung - z.B. bei einem Konzert - zusammen und erfüllen ihre kulturellen Aufgaben gemeinsam. Soweit der BFH dies in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht aus § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG hergeleitet, sondern direkt aus der Richtlinie abgeleitet hat, hält er daran nicht mehr fest.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.