Kein Wechsel der Zuständigkeit für den Erlass eines Abrechnungsbescheids nach Wohnsitzwechsel des Steuerpflichtigen
BFH 12.7.2011, VII R 69/10Der Kläger ist Treuhänder in dem im März 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners. Dieser war zusammen mit seiner Ehefrau zunächst beim Finanzamt L zur Einkommensteuer veranlagt worden.
Nachdem er seinen Wohnsitz in den Zuständigkeitsbereich des Finanzamts F verlegt hatte, gab er dort Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002 bis 2004 ab. Aus den daraufhin ergangenen Einkommensteuerbescheiden ergaben sich für die Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 jeweils Erstattungsansprüche, die das Finanzamt F durch Überweisung auf das gemeinsame Konto des Insolvenzschuldners und seiner Ehefrau erfüllte.
Nachdem der Kläger vom inzwischen für den Insolvenzschuldner örtlich zuständig gewordenen beklagten Finanzamt die nochmalige Auszahlung der Erstattungsbeträge (abzgl. eines zunächst aufgerechneten, später aber dem Kläger überwiesenen Teilbetrags) verlangt hatte, erließ dieses unter dem 4.12.2007 einen Abrechnungsbescheid, mit dem es die Erstattungsansprüche aus den Veranlagungen 2003 und 2004 als durch Zahlung erfüllt feststellte.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und änderte den Abrechnungsbescheid dahin, dass dieser hinsichtlich Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für die Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 Guthaben für den Kläger i.H.v. rd. 7.200 € bzw. 1.700 € ausweist. Auf die Revision des beklagten Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
Die Entscheidung durch Abrechnungsbescheid trifft nach § 218 Abs. 2 S. 1 AO "die Finanzbehörde", und zwar diejenige, die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, um dessen Verwirklichung gestritten wird, festgesetzt hat. Im Streitfall wäre daher der vom Kläger geltend gemachte Anspruch, durch Abrechnungsbescheid festzustellen, dass die Erstattungsansprüche der Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 nicht durch Zahlung an den Insolvenzschuldner erloschen sind, gegen das Finanzamt F zu richten, aus dessen Steuerfestsetzungen sich diese Erstattungsansprüche ergeben.
Anders als das beklagte Finanzamt meint, ist die danach bestehende Zuständigkeit des Finanzamts F, die Erstattungsansprüche der Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 "abzurechnen", d.h. über die streitige Frage des Fortbestehens oder Erlöschens dieser Ansprüche durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden, nicht gem. §§ 19, 26 AO durch den Wohnsitzwechsel des Insolvenzschuldners auf das beklagte Finanzamt übergegangen. Dementsprechend muss auch das Finanzamt F diejenige Finanzbehörde i.S.d. § 218 Abs. 2 AO sein, die in Gestalt des Abrechnungsbescheids einen feststellenden Verwaltungsakt über das Bestehen oder Nichtbestehen der streitigen Ansprüche erlässt.
Da Gegenstand des Abrechnungsbescheids die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens von Zahlungsansprüchen ist, ist der im Streitfall angefochtene Abrechnungsbescheid dahin zu verstehen, dass er in seinem feststellenden Ergebnis eine noch offene Steuererstattungsschuld des beklagten Finanzamts verneint. Mit diesem Ergebnis erweist sich der angefochtene Abrechnungsbescheid als rechtmäßig, weil allenfalls das Finanzamt F, nicht aber das beklagte Finanzamt dem Kläger Steuererstattungen aus den Veranlagungszeiträumen 2003 und 2004 schuldet. Dass das beklagte Finanzamt den Abrechnungsbescheid anders begründet hat und sogar meint, dass ein solcher Erstattungsanspruch des Klägers generell nicht bestehe, ist für die Frage, ob der Abrechnungsbescheid rechtmäßig ist, ohne Bedeutung.
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