19.08.2011

Kein zwangsläufiger Gestaltungsmissbrauch bei inkongruenter Gewinnausschüttung

Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO liegt nicht vor, wenn anlässlich einer unentgeltlich vereinbarten Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft eine Gewinnausschüttung ausschließlich zugunsten des ausscheidenden Gesellschafters erfolgt. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt insbesondere nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zu Grunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll, ansonsten aber nicht.

FG Münster 12.4.2011, 1 K 3117/08 F
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war Gesellschafterin einer KG. Zu ihrem Sonderbetriebsvermögen gehörte eine 40 %-ige Beteiligung an einer GmbH. Im September 2000 übertrug die Klägerin ihre GmbH-Beteiligung unentgeltlich auf den Mitgesellschafter, der sodann Alleingesellschafter wurde. Zugleich beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH die Ausschüttung von in der Vergangenheit erzielten Gewinnen - und zwar ausschließlich zugunsten der Klägerin. Die Gesellschafter hatten die Gewinnverteilung sowie die Gewinnverwendung zuvor entsprechend geregelt.

Das Finanzamt vertrat hinsichtlich der Abtretung des Gesellschaftsanteils durch die Klägerin die Auffassung, es handele sich um eine entgeltliche Übertragung. Bei der Gewinnausschüttung an die Klägerin handele es sich um einen sog. "inkongruente" Gewinnausschüttung, die sich als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO darstelle. Die Klägerin sei lediglich mit 40 % am Stammkapital der GmbH beteiligt gewesen, die Gewinnausschüttung allerdings zu 100 % auf sie entfallen. Das Finanzamt nahm daher in Höhe von 60 % der Gewinnausschüttung eine verdeckte Kaufpreiszahlung an und stellt e einen entsprechenden Veräußerungsgewinn fest.

Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnausschüttung zugunsten der Klägerin war gesellschaftsrechtlich zulässig und konnte steuerrechtlich nicht als rechtsmissbräuchliche Gestaltung gem. § 42 AO angesehen werden.

Die Höhe der Ausschüttung hatte sich an den in der Vergangenheit auf die Klägerin entfallenden Gewinnen orientiert. Das von der Klägerin erstrebte Ziel, anlässlich ihres Ausscheidens den ihr zustehenden Anteil am Gewinn der GmbH zu vereinnahmen, war sowohl durch eine entgeltliche Veräußerung als ebenso - wie tatsächlich vollzogen - durch eine zeitlich inkongruente Dividendenausschüttung erreichbar gewesen. Der von den Gesellschaftern der GmbH vorliegend gewählte Weg der Ausschüttung der auf die Klägerin entfallenden Gewinne mit anschließender Abtretung der so "entwerteten" Gesellschaftsanteile ohne Gegenleistung aus wirtschaftlichen Erwägungen konnte aus diesem Grund nicht als fiktives Veräußerungsgeschäft eingeordnet werden.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung liegt ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 Satz 1 AO a.F. vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche und sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt insbesondere nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zu Grunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll, ansonsten aber nicht.

Die im Streitfall gewählte Rechtsgestaltung konnte weder in ihren einzelnen Schritten noch insgesamt als unangemessen beurteilt werden. Nach dem Grundsatz in § 29 Abs. 3 S. 3 GmbHG steht den GmbH-Gesellschaftern der auszuschüttende Gewinn entsprechend dem Verhältnis der Nennbeträge ihrer Geschäftsanteile zum Gesamtstammkapital zu. § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG lässt, wie vorliegend in der notariellen Urkunde vereinbart, ausdrücklich abweichende Regelungen zu. Darüber hinaus entscheiden die Gesellschafter gem. den § 46 Nr. 1 i.V.m. § 29 Abs. 2 GmbHG mit einfacher Mehrheit über die Gewinnverwendung. Die Gesellschafter sind dabei frei darüber zu entscheiden, ob der Gewinn thesauriert oder ausgeschüttet wird.

Linkhinweis:

  • Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.fg-muenster.nrw.de .
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