15.10.2013

Keine Anerkennung fiktiver Veräußerungsverluste aufgrund der verfassungswidrigen Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze

Die verfassungswidrige Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG führt nicht zur Anerkennung eines fiktiven Veräußerungsverlustes. Eine Berücksichtigung derartiger fiktiver Anschaffungskosten ergibt sich nicht aus dem Gesetz und ist auch auf der Grundlage des Beschlusses des BVerfG vom 7.7.2010 (2 BvR 748/05 u.a.) nicht geboten.

FG Münster 22.8.2013, 3 K 3371/11 E
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft die Frage der Berechnung eines Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG unter Berücksichtigung der teilweise für verfassungswidrig erklärten Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze auf 1 Prozent.

Die Klägerin veräußerte einen GmbH-Anteil von 1,33 Prozent, den sie für rund 50.000 € erworben hatte, im Jahr 2008 für 150.000 €. Nachdem das BVerfG am 7.7.2010 (2 BvR 748/05 u.a.) entschieden hatte, dass die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG auf 1 Prozent insoweit verfassungswidrig ist, als Wertzuwächse der Besteuerung unterworfen werden, die bis zur Verkündung der Gesetzesänderung am 31.3.1999 entstanden waren, begehrte die Klägerin die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes. Zur Begründung trug sie vor, dass ihre Anteile zum Aufteilungsstichtag einen Wert von 290.000 € gehabt hätten. Das Finanzamt setzte demgegenüber einen Veräußerungsgewinn von 0 € an.

Das FG wies die Klage ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die beim BFH anhängige Revision wird dort unter dem Az. IX R 41/13 geführt.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ein Veräußerungsverlust i.S.d. § 17 EStG in Folge der Veräußerung im Veranlagungszeitraum 2008 nicht entstanden. Denn der erzielte Veräußerungserlös hat die historischen Anschaffungskosten tatsächlich überstiegen.

Ein gem. § 17 EStG zu berücksichtigender Verlust resultiert auch nicht daraus, dass anstelle der historischen Anschaffungskosten bei Ermittlungen des Veräußerungsgewinns gem. § 17 Abs. 2 EStG der gemeine Wert der veräußerten Beteiligung zum Aufteilungsstichtag als Anschaffungskosten zu berücksichtigen wäre. Eine Berücksichtigung derartiger fiktiver Anschaffungskosten ergibt sich nicht aus dem Gesetz und ist auch auf der Grundlage des Beschlusses des BVerfG vom 7.7.2010 nicht geboten.

Das BVerfG hat die Gesetzesänderung lediglich insoweit wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot für verfassungswidrig erklärt, als Wertzuwächse erfasst werden, die vor Verkündung des Gesetzes steuerfrei hätten realisiert werden können. Aus der Entscheidung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass auch ein fiktiver Veräußerungsverlust bei der Besteuerung zu berücksichtigen wäre. Ausgangspunkt der Berechnung ist stets der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn. Denn allein dies ist der Gewinn, der sich aufgrund des akkumulierten Zuwachses an Leistungsfähigkeit über den vorangegangenen Haltenszeitraum der Beteiligung ergibt.

Linkhinweis:

FG Münster NL vom 15.10.2013
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