23.02.2023

Keine Anwendung der Fahrtenbuchmethode bei Schätzung des Treibstoffverbrauchs des überlassenen Kfz

Eine Schätzung von belegmäßig nicht nachgewiesenen Aufwendungen ‑‑hier: Treibstoffkosten‑‑ schließt die Anwendung der Fahrtenbuchmethode für die Bemessung des geldwerten Vorteils aus der Überlassung eines betrieblichen Kfz aus.

Kurzbesprechung
BFH v. 15. 12. 2022 - VI R 44/20

EStG § 6 Abs 1 Nr. 4 S 2, § 8 Abs 2 S 2, § 8 Abs 2 S 3, § 8 Abs 2 S 4, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, § 38 Abs 1, § 38
Abs 3 S 1, § 41a Abs 1 S 1 Nr. 2, § 42d Abs 1 Nr. 1
GG Art 3 Abs 1


Der Wert der einem Arbeitnehmer zur Nutzung überlassenen betrieblichen Kfz zu privaten Fahrten und für die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte ist entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mittels der 1 %-Regelung und der 0,03%-Regelung zu ermitteln (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG). Nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG kann dieser Wert mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte entfallenden Teil der "gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen" angesetzt werden, wenn die durch das Kfz "insgesamt entstehenden Aufwendungen" durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

Ausweislich des Gesetzeswortlauts ist die Fahrtenbuchmethode daher nicht schon dann anzuwenden, wenn ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt wird, welches das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte zu den übrigen Fahrten nachweist. Denn § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG setzt weiter voraus, dass zum einen der Wert der Privatnutzung als Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt wird und zum anderen, dass die durch Belege nachzuweisenden Kosten die durch das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen umfassen. Die Fahrtenbuchmethode gründet damit auf dem Zusammenspiel der Gesamtfahrleistung durch die im Fahrtenbuch selbst vollständig dokumentierten Fahrtstrecken einerseits und einer vollständigen Bemessungsgrundlage dafür andererseits, nämlich dem Ansatz der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen mittels belegmäßiger Erfassung der durch das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen.

Eine Schätzung von belegmäßig nicht erfassten Kosten der überlassenen Fahrzeuge schließt somit die Anwendung der Fahrtenbuchmethode aus. Dies gilt selbst dann, wenn aufgrund der gewählten Schätzungsgrundlagen oder eines "Sicherheitszuschlags" bei der Bemessung des Nutzungsvorteils nach der Fahrtenbuchmethode vermeintlich höhere Gesamtkosten angesetzt werden, als tatsächlich entstanden sind.

Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige nicht sämtliche, durch das jeweils überlassene Kfz entstandenen Aufwendungen belegmäßig nachgewiesen. Die durch die Nutzung dieser Fahrzeuge entstandenen (tatsächlichen) Treibstoffkosten gründeten vielmehr auf einer Schätzung. Zwar hatte die Steuerpflichtige die Einkaufsrechnungen für den insgesamt im Streitzeitraum bezogenen Treibstoff vorgelegt; die anteiligen Treibstoffkosten je PKW hatte sie aber nur anhand des vom Fahrzeughersteller angegebenen Durchschnittsverbrauchs sowie des durchschnittlichen Liter-Kraftstoffpreises ermittelt und damit nicht durch Belege nachgewiesen.

Der BFH hat auch keine verfassungsmäßigen Bedenken in Bezug auf eine Übermaßbesteuerung in den Fällen, in denen der zu versteuernde Nutzungsvorteil wegen fehlender Belege nicht nach der Fahrtenbuchmethode bewertet werden kann, sondern zwingend nach Maßgabe der 1 %-Regelung anzusetzen ist. Denn er hat bereits mehrfach entschieden, dass die 1 %-Regelung verfassungskonform ist, weil der Steuerpflichtige zwischen dieser grob typisierenden Regelung und der Fahrtenbuchmethode, nach der eine Bewertung des vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteils nach Maßgabe der tatsächlich entstandenen Kosten erfolgt, wählen kann. Dieses Wahlrecht wird durch das in § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG geregelte Nachweisverlangen nicht beeinträchtigt. Vielmehr kann eine zutreffende Bewertung des Nutzungsvorteils anhand der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen nur gelingen, wenn diese auch belastbar erfasst werden. Dem trägt der Gesetzgeber Rechnung, wenn er hierfür einen Nachweis mittels belegmäßiger Erfassung anordnet. Ein solcher ist dem Steuerpflichtigen im Regelfall auch möglich und zumutbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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