28.09.2012

Keine Gewerbesteuerbefreiung für ambulanten Pflegedienst nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG für Gewinn aus Personalüberlassung an andere Einrichtungen

Überlässt ein ambulanter Pflegedienst anderen Einrichtungen, z.B. Altenheimen, in erheblichem Umfang Pflegepersonal, so sind die damit erzielten Erträge nicht nach § 3 Nr. 20 d GewStG von der Gewerbesteuer befreit. Solche Leistungen des ambulanten Pflegedienstes werden gegenüber den anderen Einrichtungen als Vertragspartner erbracht und stellen keine Leistungen der privilegierten "Einrichtung zur ambulanten Pflege" gegenüber Kranken und pflegebedürftigen Personen dar.

FG Schleswig-Holstein 18.6.2012, 5 K 40111/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betrieb als Einzelunternehmerin einen ambulanten Pflegedienst, mit dem sie kranke und pflegebedürftige Personen mit Hilfe von Pflegefachkräften in deren Wohnungen pflegte. Ab dem Jahr 2005 schloss die Klägerin darüber hinaus mit anderen Einrichtungen wie Altenheimen und privaten Kliniken sog. "Kooperationsverträge", mit denen sie sich als Leistungserbringerin gegenüber den anderen Einrichtungen als Leistungsnehmern verpflichtete, Pflegekräfte nach Bedarf der jeweiligen Einrichtung zur Verfügung zu stellen.

Die Klägerin erhielt von den Einrichtungen für die gestellten Pflegemitarbeiter einen nach jeweiliger Qualifizierung der Mitarbeiter gestaffelten Stundensatz. Im Streitjahr 2007 machte der auf die Gestellung von Pflegepersonal entfallende Umsatz über 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Nachdem die Klägerin zunächst ihren gesamten Gewerbeertrag nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG als von der Gewerbesteuer befreit angesehen und dem entsprechend steuerlich behandelt hatte, vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass hinsichtlich der Gewerbeerträge aus Überlassung von Pflegepersonal die Gewerbesteuerbefreiung nicht greife. Für das Streitjahr wurde ein entsprechender Gewerbesteuermessbescheid erlassen.

Mit ihrer zulässigen Sprungklage machte die Klägerin geltend, dass nach Sinn und Zweck der Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG Pflegeleistungen und eng mit dem Betrieb der Einrichtung verbundene Umsätze von der Gewerbesteuer befreit seien, um Kosten für Patienten bzw. Sozialversicherungsträger zu senken. Entscheidend sei hier, dass das gestellte Personal der Klägerin genau die Leistungen erbringe, die unter die gesetzliche Norm fielen und privilegiert sein sollten.

Das FG wies die Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig

Die Gründe:
Der Gewerbeertrag aus der Gestellung von Pflegepersonal an andere Einrichtungen fällt nicht unter die Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG.

Die Vorschrift des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG stellt - laut BFH - keine unbeschränkte persönliche Steuerbefreiung dar; Träger der in § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG genannten Einrichtungen sind insoweit nicht mit ihrem gesamten Gewerbeertrag befreit. Vielmehr sind nur die aus dem Betrieb der privilegierten Einrichtung resultierenden Erträge begünstigt. Soweit der Träger einer Einrichtung außerhalb derselben Erträge erzielt, unterliegen diese der Gewerbesteuer. Es können daher nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG nur diejenigen Einnahmen und Ausgaben gewerbesteuerfrei sein, die mit Leistungen in den jeweiligen Einrichtungen gegenüber den dort behandelten Personen zusammenhängen, nicht dagegen solche Erträge, die aus Leistungen gegenüber Dritten erwirtschaftet worden sind.

Im Streiffall hat die Klägerin jedoch durch die Personalgestellung nicht mit ihrer privilegierten Einrichtung Leistungen gegenüber den von ihr mit dieser Einrichtung betreuten kranken und pflegebedürftigen Personen erbracht. Nicht die pflegebedürftigen Personen sind Empfänger ihrer Leistungen, sondern die in den Kooperationsverträgen als Leistungsnehmer bezeichneten anderen Einrichtungen. Auch der Sinn und Zeck des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG gebietet hier keine andere Auslegung. Es kann nur diejenige Leistung der Einrichtung privilegiert sein, mit der überhaupt durch einen Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger auch unmittelbar den Sozialversicherungsträgern Kosten entstehen.

Diese entstehen jedoch hier unmittelbar nur durch die in den anderen Einrichtungen erbrachten Leistungen, nicht durch die Überlassung der Pflegekräfte durch die Klägerin. Erhöhte Kosten, die sich mittelbar für die anderen Einrichtungen aufgrund einer Gewerbesteuerpflicht der Klägerin ergeben könnten und die ggf. zu einer weiteren Belastung von Pflegekosten führen könnten, sind dagegen nicht Regelungsgegenstand des in Rede stehenden Steuerbefreiungstatbestandes.

Schließlich liegen auch keine eng mit den Pflegeleistungen des ambulanten Pflegedienstens verbundenen Umsätze vor. Es geht vielmehr darum, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch eine außerhalb der privilegierten Einrichtung liegende Tätigkeit - der Arbeitnehmerüberlassung - zu verschaffen. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass ca. ein Viertel der Pflegekräfte ausschließlich zum Zweck der Überlassung an andere Einrichtungen angestellt worden sind. Zudem steht die Klägerin mit ihrer Personalüberlassung im Wettbewerb zu anderen, nicht privilegierten Vermittlern von Pflegekräften. Auch der Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts gebietet es daher, den sich aus der Gestellung des Pflegepersonals erzielten Gewerbeertrag nicht in die Steuerbefreiung mit einzubeziehen.

Linkhinweis:

Schleswig-Holsteinisches FG NL vom 28.9.2012
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