Keine Haftung des Grundstückserwerbers für unrichtige Steuerausweise in übernommenen Mietverträgen
Kurzbesprechung
BFH v. 5.12.2024 - V R 16/22
UStG § 14c Abs 1 S 1, UStG § 1 Abs 1a
EGRL 112/2006 Art 203, EGRL 112/2006 Art 19
BGB § 566, BGB § 578
ZVG § 57
Die Steuerpflichtige erstand im Jahr 2013 (Streitjahr) im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens durch Zuschlagsbeschluss eines Amtsgerichts ein mit einem mehrstöckigen Bürogebäude bebautes Grundstück. Die Gebäudeflächen waren größtenteils vermietet. Der Voreigentümer hatte unter anderem am 23.03.2007 einen Mietvertrag mit den Fachkliniken H zum Betrieb einer Tagesklinik, am 07.06.2012 einen Mietvertrag mit A zum Betrieb einer Physiotherapiepraxis sowie einen Mietvertrag mit einer Wohnungsbaugesellschaft abgeschlossen. In diesen Mietverträgen waren jeweils die monatlichen Nettokaltmieten, die sonstigen Kostenvorschüsse und die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer mit dem Zusatz "+ 19 % Mehrwertsteuer" benannt. Im Streitjahr schloss die Steuerpflichtige auch selbst einen Mietvertrag ab, aus dem sie aber keine Miete vereinnahmte.
In ihrer Umsatzsteuererklärung 2013 behandelte die Steuerpflichtige die Umsätze aus der Vermietung der Räume an die Fachklinik H, an A und an die Wohnungsbaugesellschaft als steuerfrei.
Dagegen vertrat das FA die Auffassung, dass die Steuerpflichtige die in den Mietverträgen offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulde und setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr entsprechend fest.
Im Revisionsverfahren bekam die Steuerpflichtige Recht. Der BFH entschied, dass die Steuerpflichtige nicht Steuerschuldnerin nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG ist.
Begründet § 14c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Steuerschuld des Unternehmers, der in einer Rechnung für seine Leistung einen Steuerbetrag unrichtig ausweist, muss die Rechnung auf den Namen des leistenden Unternehmers lauten. Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG setzt zudem voraus, dass die in einer Rechnung als Aussteller bezeichnete Person an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu denen auch das Recht der Stellvertretung gehört, zuzurechnen ist.
Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige die Steuerbeträge nicht selbst - im eigenen Namen - unrichtig ausgewiesen. Denn die Mietverträge wurden vom Voreigentümer abgeschlossen, so dass dieser die Steuerbeträge unrichtig ausgewiesen hatte, wobei er im eigenen Namen gehandelt hatte.
Auch kommt eine Zurechnung nicht auf anderer Grundlage in Betracht. Der BFH stellte heraus, dass ein vom Voreigentümer veranlasster unrichtiger Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG dem Grundstückserwerber oder -ersteher nicht nach § 566 Abs. 1 BGB zugerechnet werden. Der BFH versteht § 566 Abs. 1 BGB nicht als Zurechnungsnorm, die einen vom Voreigentümer veranlassten unrichtigen Steuerausweis dem Grundstückserwerber oder -ersteher zurechnet. Denn zum einen dient eine Steuerschuldentstehung nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG nicht dem Mieterschutz. Zum anderen gehört ein unrichtiger Steuerausweis nicht zu den Vermieterrechten und -pflichten, auf deren Übergang diese Vorschrift gerichtet ist.
Eine Zurechnung folgt auch nicht aus § 1 Abs. 1a UStG. Danach unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (Geschäftsveräußerung) an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer (Satz 1). Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (Satz 2). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (Satz 3).
Unabhängig davon, ob eine Geschäftsveräußerung auch beim Erwerb eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung vorliegt, folgt aus der Annahme einer Geschäftsveräußerung und dem damit verbundenen Eintritt in die Rechtsstellung des Veräußerers nicht, dass ein unrichtiger Steuerausweis, der sich aus einem vom Veräußerer über ein Grundstück abgeschlossenen Mietvertrag ergibt, zulasten des Erwerbers für Zeiträume nach dem Grundstückserwerb eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG begründet. Denn die unionsrechtlich vorgegebene Betrachtung des "Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden" bezieht sich auf den Übertragungsgegenstand - im Streitfall auf den vermieteten Grundbesitz - im Sinne einer umsatzsteuerrechtlichen Einzelrechtsnachfolge.
Im Streitfall gehörte ein unrichtiger Steuerausweis in den Mietverträgen nicht zu den übertragenen Wirtschaftsgütern, auf die sich die umsatzsteuerrechtliche Einzelrechtsnachfolge bezieht. Schließlich kam auch die Annahme eines Überwachungsverschuldens nicht in Betracht, da die Steuerpflichtige in den Mietverträgen nicht als Rechnungsausstellerin benannt war.
Verlag Dr. Otto Schmidt
UStG § 14c Abs 1 S 1, UStG § 1 Abs 1a
EGRL 112/2006 Art 203, EGRL 112/2006 Art 19
BGB § 566, BGB § 578
ZVG § 57
Die Steuerpflichtige erstand im Jahr 2013 (Streitjahr) im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens durch Zuschlagsbeschluss eines Amtsgerichts ein mit einem mehrstöckigen Bürogebäude bebautes Grundstück. Die Gebäudeflächen waren größtenteils vermietet. Der Voreigentümer hatte unter anderem am 23.03.2007 einen Mietvertrag mit den Fachkliniken H zum Betrieb einer Tagesklinik, am 07.06.2012 einen Mietvertrag mit A zum Betrieb einer Physiotherapiepraxis sowie einen Mietvertrag mit einer Wohnungsbaugesellschaft abgeschlossen. In diesen Mietverträgen waren jeweils die monatlichen Nettokaltmieten, die sonstigen Kostenvorschüsse und die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer mit dem Zusatz "+ 19 % Mehrwertsteuer" benannt. Im Streitjahr schloss die Steuerpflichtige auch selbst einen Mietvertrag ab, aus dem sie aber keine Miete vereinnahmte.
In ihrer Umsatzsteuererklärung 2013 behandelte die Steuerpflichtige die Umsätze aus der Vermietung der Räume an die Fachklinik H, an A und an die Wohnungsbaugesellschaft als steuerfrei.
Dagegen vertrat das FA die Auffassung, dass die Steuerpflichtige die in den Mietverträgen offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulde und setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr entsprechend fest.
Im Revisionsverfahren bekam die Steuerpflichtige Recht. Der BFH entschied, dass die Steuerpflichtige nicht Steuerschuldnerin nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG ist.
Begründet § 14c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Steuerschuld des Unternehmers, der in einer Rechnung für seine Leistung einen Steuerbetrag unrichtig ausweist, muss die Rechnung auf den Namen des leistenden Unternehmers lauten. Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG setzt zudem voraus, dass die in einer Rechnung als Aussteller bezeichnete Person an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu denen auch das Recht der Stellvertretung gehört, zuzurechnen ist.
Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige die Steuerbeträge nicht selbst - im eigenen Namen - unrichtig ausgewiesen. Denn die Mietverträge wurden vom Voreigentümer abgeschlossen, so dass dieser die Steuerbeträge unrichtig ausgewiesen hatte, wobei er im eigenen Namen gehandelt hatte.
Auch kommt eine Zurechnung nicht auf anderer Grundlage in Betracht. Der BFH stellte heraus, dass ein vom Voreigentümer veranlasster unrichtiger Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG dem Grundstückserwerber oder -ersteher nicht nach § 566 Abs. 1 BGB zugerechnet werden. Der BFH versteht § 566 Abs. 1 BGB nicht als Zurechnungsnorm, die einen vom Voreigentümer veranlassten unrichtigen Steuerausweis dem Grundstückserwerber oder -ersteher zurechnet. Denn zum einen dient eine Steuerschuldentstehung nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG nicht dem Mieterschutz. Zum anderen gehört ein unrichtiger Steuerausweis nicht zu den Vermieterrechten und -pflichten, auf deren Übergang diese Vorschrift gerichtet ist.
Eine Zurechnung folgt auch nicht aus § 1 Abs. 1a UStG. Danach unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (Geschäftsveräußerung) an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer (Satz 1). Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (Satz 2). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (Satz 3).
Unabhängig davon, ob eine Geschäftsveräußerung auch beim Erwerb eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung vorliegt, folgt aus der Annahme einer Geschäftsveräußerung und dem damit verbundenen Eintritt in die Rechtsstellung des Veräußerers nicht, dass ein unrichtiger Steuerausweis, der sich aus einem vom Veräußerer über ein Grundstück abgeschlossenen Mietvertrag ergibt, zulasten des Erwerbers für Zeiträume nach dem Grundstückserwerb eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG begründet. Denn die unionsrechtlich vorgegebene Betrachtung des "Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden" bezieht sich auf den Übertragungsgegenstand - im Streitfall auf den vermieteten Grundbesitz - im Sinne einer umsatzsteuerrechtlichen Einzelrechtsnachfolge.
Im Streitfall gehörte ein unrichtiger Steuerausweis in den Mietverträgen nicht zu den übertragenen Wirtschaftsgütern, auf die sich die umsatzsteuerrechtliche Einzelrechtsnachfolge bezieht. Schließlich kam auch die Annahme eines Überwachungsverschuldens nicht in Betracht, da die Steuerpflichtige in den Mietverträgen nicht als Rechnungsausstellerin benannt war.