Keine regelmäßige Arbeitsstätte bei vorübergehender Abordnung oder Versetzung
BFH 8.8.2013, VI R 72/12Streitig ist, ob Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle steuerlich im Rahmen der Entfernungspauschale oder nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger erzielt als Finanzbeamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Aufgrund eines Schreibens der Oberfinanzdirektion (OFD) A vom 27.7.1993 wurde er mit Wirkung vom 1.8.1993 vom Finanzamt B an die Landesfinanzschule Niedersachsen in Bad Eilsen abgeordnet. Der dortige Einsatz wurde "bis längstens 31.7.1996 befristet". Mit Schreiben vom 22.10.1993 wurde er "aus dienstlichen Gründen mit Wirkung vom 1.11.1993 vom Finanzamt B an die Landesfinanzschule Niedersachsen" versetzt. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass "nach derzeitigem Stand eine Verwendung bei der Landesfinanzschule Niedersachsen bis zum 31.7.1996 vorgesehen" sei.
Mit Schreiben vom 22.5.1997 bestätigte die OFD, dass der Kläger mit Wirkung vom 1.4.1997 für die Dauer von drei Monaten von der Landesfinanzschule Niedersachsen an das Finanzamt B abgeordnet worden sei und beabsichtigt werde, ihn mit sofortiger Wirkung dorthin zu versetzen. Die Kläger sind der Ansicht, dass die Fahrten des Klägers zwischen der Wohnung in B und der Landesfinanzschule Niedersachsen in Bad Eilsen nicht als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sondern als Reisekosten zu behandeln. Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen demgegenüber lediglich als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Das FG hat die Fahrtkosten des Klägers von seinem Wohnort zur Landesfinanzschule zu Unrecht nur begrenzt im Rahmen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG zum Abzug als Werbungskosten zugelassen.
Fahrtkosten eines Arbeitnehmers im Rahmen einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit sind Erwerbsaufwendungen und gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Eine Auswärtstätigkeit liegt u.a. vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird; dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer seiner Berufstätigkeit vorübergehend längerfristig an einer anderen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nachgeht. Eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers wird nur dann zur regelmäßigen Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer dieser Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet hat.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Arbeitnehmer lediglich "vorübergehend" in einer anderen betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätig wird oder eine (neue) regelmäßige Arbeitsstätte begründet hat, hat das FG die der Auswärtstätigkeit zugrundeliegenden Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Blick zu nehmen und anhand dieser ex ante zu beurteilen, ob der Arbeitnehmer voraussichtlich an seine regelmäßige Arbeitsstätte zurückkehren und dort seine berufliche Tätigkeit fortsetzen wird. Das Gesetz gibt derzeit noch keine zeitliche Obergrenze für die Annahme einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit vor.
Vorliegend war eine Tätigkeit des Klägers an der Landesfinanzschule lt. Abordnungsverfügung vom 27.7.1993 und Versetzungsverfügung vom 22.10.1993 "nach derzeitigem Stand bis zum 31.7.1996 vorgesehen". Die berufliche Verwendung des Klägers in Bad Eilsen war demnach, obwohl er im beamtenrechtlichen Sinne nicht nur (vorübergehend) abgeordnet war, trotz der im Grundsatz nach § 31 NBG auf unbestimmte Zeit angelegten Versetzung auf drei Jahre befristet und damit nur vorübergehend. Eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG liegt damit nicht vor. Der Kläger war folglich auswärts tätig. Die Kosten für die Wege zwischen seiner Wohnung und der Landesfinanzschule sind daher in tatsächlicher Höhe gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG zu berücksichtigen.
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