Keine Verfahrensruhe wegen eines beim EGMR anhängigen Prozesses
FG Münster 25.4.2013, 3 K 3754/11 EDer Kläger, der gewerbliche Einkünfte und Arbeitslohn erzielte, beantragte im Einspruchsverfahren gegen seinen Einkommensteuerbescheid eine Berücksichtigung pauschaler Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung für Abgeordnete. Wegen zweier beim EGMR zur Frage der Übertragung der Steuerbefreiung auf alle Steuerpflichtigen anhängiger Verfahren hielt er ein Ruhen des Verfahrens für zweckmäßig.
Das Finanzamt wies den Einspruch jedoch zurück, da der Kläger nicht dem begünstigten Personenkreis angehöre, die Voraussetzungen einer Zwangsruhe nicht vorlägen und ein Ruhen auch nicht zweckmäßig sei. I.Ü. die Erweiterung der steuerfreien Kostenpauschale auf andere Berufsgruppen daran, dass die beruflich veranlassten Aufwendungen anderer Berufsgruppen als Abgeordneten im Gegensatz zu den besonderen, mandatsbezogenen Aufwendungen der Abgeordneten nicht durch eine Einheitspauschale mit Abgeltungswirkung erfasst würden.
Eine Ausweitung der Regelung durch den Gesetzgeber käme allenfalls auf vergleichbare Berufsgruppen in Betracht, sodass weder verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf die Besteuerung des Klägers bestünden noch Entscheidungserheblichkeit gegeben sei.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zugelassen.
Die Gründe:
Die steuerfreie Kostenpauschale für Abgeordnete ist dem Kläger nicht zu gewähren, da er die einfachgesetzlichen Voraussetzung nicht erfüllt und eine Erweiterung aus Gleichheitsgründen (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht in Betracht kommt. Es besteht auch kein Anspruch des Klägers, das Finanzamt unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung zum Ruhen des Verfahrens zu verpflichten, § 101 FGO. Ein Fall der sog. Zwangsruhe nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO liegt nicht vor und das Finanzamt hat es darüber hinaus ermessensfehlerfrei abgelehnt, eine Verfahrensruhe aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 363 Abs. 2 S. 1 AO anzuordnen.
Das Einspruchsverfahren ruht nur, wenn ein Verfahren beim EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist (§ 363 Abs. 2 S. 2 AO). Mit dem Begriff "Europäischer Gerichtshof" wird in dieser Vorschrift nur ein einziges Gericht bezeichnet, nämlich der EuGH in Luxemburg. Der EGMR kann schon deshalb nicht gemeint sein, weil er nicht unmittelbar in den Besteuerungsprozess einbezogen ist. Seine Entscheidungen haben nicht dieselbe Wirkung wie die der anderen genannten Gerichte.
Aus diesem Grund ist auch die Frage einer Analogie mangels vergleichbarer Lage zu verneinen. Es bestehen signifikante Unterschiede der im Gesetz genannten Verfahren zu den Verfahren vor dem EGMR. Aus einer Entscheidung des EGMR folgen keine unmittelbaren Einwirkungen auf die nationale Rechtsordnung. Die genannten Bundesgerichte legen hingegen Bundesrecht aus und wirken so unmittelbar auf das Rechtsverständnis des einschlägigen einfachen Rechts ein. Darüber hinaus ist eine Analogie mangels planwidriger Regelungslücke auch aus systematischen Gründen abzulehnen.
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