Keine Wesentliche Beteiligung bei lediglich gebundener Mitwirkung an inkongruenter Kapitalerhöhung
BFH 25.5.2011, IX R 23/10Der Kläger hatte im Juli 1999 mit notariellem Vertrag und sofortiger Wirkung einen Geschäftsanteil von 12,6 % an einer GmbH erworben. Nach diesem Vertrag hielten die "Erschienenen" - darunter auch der Kläger - sodann unter Verzicht auf alle Frist- und Formvorschriften eine Gesellschafterversammlung ab und beschlossen eine Erhöhung des Stammkapitals. Damit verminderte sich die Beteiligung des Klägers auf 0,0208 %. Der Kläger wurde als einer von drei Geschäftsführern bestellt. Erst dann wurde der Vertrag von den Vertragsparteien unterzeichnet und notariell beurkundet.
Im August 2000 veräußerte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil. Der Veräußerungsgewinn betrug rund 1,5 Mio. €. Das Finanzamt besteuerte diesen Gewinn nach § 17 EStG, da der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung eine Beteiligung von mehr als 10 % an der GmbH gehalten habe.
Der Kläger trug vor, er habe die Beteiligung i.H.v. 12,6 % nur zu dem Zweck erhalten, um in der unmittelbar anschließend folgenden Gesellschafterversammlung an der Herstellung der von Anfang an zwischen den Geschäftspartnern verabredeten Gesellschaftsstruktur mitzuwirken. Es habe auch von Anfang an festgestanden, dass er keine vermögensrechtlichen Ansprüche aus dieser Beteiligung würde geltend machen können. Der gesamte Beurkundungsvorgang sei unter der Prämisse des Joint Venture Agreements gestanden.
Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Zu Unrecht war das FG von einer wesentlichen Beteiligung des Klägers i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG an der GmbH ausgegangen und hatte den Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftsanteils des Klägers der Besteuerung unterworfen.
Wirtschaftliches Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erlangt, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Es ist nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend.
Diesen Grundsätzen entsprach die Vorentscheidung allerdings nicht. Der Kläger war innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der GmbH nicht wesentlich i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG beteiligt. Er hatte vor der inkongruenten Kapitalerhöhung keine tatsächliche freie Verfügungsbefugnis über eine Beteiligung von 12,6 % erworben. Denn es war ihm zu keinem Zeitpunkt möglich, aus einer wesentlichen Beteiligung resultierende Rechte - jenseits der Mitwirkung an der inkongruenten Kapitalerhöhung - auszuüben.
Seine Position bestand allein in der gebundenen Mitwirkung an der Herstellung der vorweg vereinbarten Gesellschaftsstruktur unter Reduzierung der eigenen Beteiligungsquote. Die aus der Beteiligung resultierenden Verwaltungsrechte standen dem Kläger ausschließlich in Gestalt einer einmaligen vorweg gebundenen Stimmrechtsausübung zu. Für die tatsächliche Wahrnehmung von vermögensrechtlichen Ansprüchen ließ die konkrete Vertragsgestaltung keinerlei Raum.
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