Keine Wiedereinsetzung in versäumte Einspruchsfrist und keine Nichtigkeit von Schätzungsbescheiden
FG Düsseldorf v. 23.6.2020 - 10 K 909/19 E,U,AO
Der Sachverhalt:
Der 1951 geborene Kläger erzielt als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Für den Veranlagungszeitraum 2015 hatte er nach Erlass von Schätzungsbescheiden Einkünfte i.H.v. 2.134 € und Umsätze i.H.v. 21.167 € erklärt. Mangels Abgabe von Steuererklärungen erließ die Behörde am 8.10.2018 auch für die Streitjahre 2016 und 2017 Schätzungsbescheide zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Zur Höhe der Schätzungen vermerkte sie in der Umsatzsteuerakte handschriftlich, dass für die Jahre 2013 bis 2015 Umsätze i.H.v. zusammen 70.000 € geschätzt worden seien und die tatsächlichen Jahresumsätze bis zu 27.000 € betragen hätten. Deshalb seien für 2016 und 2017 jeweils Umsätze von 35.000 € und Gewinne von 15.000 € geschätzt worden.
Die Bescheide wurden an die Privatanschrift des Klägers, von der aus er auch seine selbständige Tätigkeit betreibt, mit Postzustellungsurkunden zugestellt. Ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunden wurden die beiden Einkommensteuerbescheide zusammen in einem Umschlag versendet und am 9.10.2018 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten des Klägers eingelegt. Das Gleiche gilt für die beiden Umsatzsteuerbescheide. Mit Faxen vom 11.11.2018 legte der Kläger gegen die Schätzungsbescheide zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2016 und 2017 sowie gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags und der Zinsen zur Umsatzsteuer 2016 Einspruch ein. Das Finanzamt erwiderte mit Schreiben vom 13.11.2018, dass die Einsprüche verspätet eingegangen seien.
Mit Schriftsatz vom 7.12.2018 meldeten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Finanzamt und beantragten Wiedereinsetzung in die Einspruchsfristen. Sie trugen vor, dass sie von dem Kläger schon am 10.9.2018 bevollmächtigt worden seien. Am 13.9.2018 sei ein Schreiben gefertigt worden, mit dem die Behörde von der Vollmacht (einschließlich Bekanntgabevollmacht) habe unterrichtet werden sollen und zugleich Fristverlängerung beantragt werden sollte. Aus nicht mehr aufklärbaren Gründen habe die bislang stets zuverlässig arbeitende Sekretärin, die von dem mandatsverantwortlichen Prozessbevollmächtigten ausdrücklich beauftragt worden sei, den Schriftsatz und die Vollmacht jedoch nicht an das Finanzamt gefaxt.
Die Anträge auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfristen wurden abgelehnt. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die Gründe:
Die angefochtenen Bescheide sind wirksam bekannt gegeben worden. Soweit der Kläger darauf verweist, dass er seinen Prozessvertretern eine Empfangsvollmacht erteilt habe und die Bescheide deshalb an diese zu adressieren gewesen seien, würdigt er nicht hinreichend, dass das Finanzamt eine Empfangsvollmacht nur dann berücksichtigen kann, wenn es davon Kenntnis hat.
Die Schätzungsbescheide sind auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot nichtig. Dass im Streitfall keine objektive Willkürmaßnahme vorliegt, ergibt sich bereits daraus, dass das Finanzamt seine Schätzungserwägungen in der Umsatzsteuerakte dokumentiert hat. Auch ist der Umstand, dass die Schätzbescheide nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind, entgegen der Auffassung des Klägers kein Indiz "für eine missgünstige Intention zur absichtlichen Schädigung".
Letztlich lagen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die Einspruchsfristen nicht vor. Der Kläger stützt sich im Wesentlichen darauf, dass seinen Prozessbevollmächtigten im September 2018 ein ihm nicht zurechenbares "Büroversehen" unterlaufen sei, als die Benachrichtigung des Beklagten von der Mandatierung und der Empfangsvollmacht versehentlich unterblieben sei. Er übersieht dabei jedoch, dass durch das Büroversehen zwar eine gewisse Handlungskette in Gang gesetzt worden sein mag, diese einer rechtzeitigen Einspruchseinlegung jedoch nicht im Wege stand und das Versehen daher für die Versäumung der Einspruchsfrist nicht ursächlich war. Es war dem Kläger unbenommen, gegen die an ihn persönlich adressierten Schätzungsbescheide bis zum 9.11.2018 selbst Einspruch einzulegen oder - nach Weitergabe an seine Bevollmächtigten - durch diese einlegen zu lassen.
Der Grund dafür, dass die Einsprüche erst am 11.11.2018 und damit verfristet erhoben wurden, liegt nach Aktenlage vielmehr darin, dass der Kläger zu glauben schien, dass die Einspruchsfristen erst an diesem Tag ablaufen würden. Ob diese Annahme auf einer falschen rechtlichen Würdigung (rechtliche Grundlagen der Fristberechnung bei Zustellung durch Postzustellungsurkunde) beruhte, er sich rein faktisch verrechnet hat (Ablesen eines falschen Datums im Kalender) oder ob ihm tatsächlich unbekannt war, dass die Bescheide nicht mit einfachem Brief, sondern mit Postzustellungsurkunden zugestellt worden waren, vermag das Gericht nicht nachzuprüfen. Letztlich handelt es sich bei dem Vortrag des Klägers, die Briefumschläge nicht zu Gesicht bekommen zu haben, um eine bloße Behauptung.
FG Düsseldorf online
Der 1951 geborene Kläger erzielt als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Für den Veranlagungszeitraum 2015 hatte er nach Erlass von Schätzungsbescheiden Einkünfte i.H.v. 2.134 € und Umsätze i.H.v. 21.167 € erklärt. Mangels Abgabe von Steuererklärungen erließ die Behörde am 8.10.2018 auch für die Streitjahre 2016 und 2017 Schätzungsbescheide zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Zur Höhe der Schätzungen vermerkte sie in der Umsatzsteuerakte handschriftlich, dass für die Jahre 2013 bis 2015 Umsätze i.H.v. zusammen 70.000 € geschätzt worden seien und die tatsächlichen Jahresumsätze bis zu 27.000 € betragen hätten. Deshalb seien für 2016 und 2017 jeweils Umsätze von 35.000 € und Gewinne von 15.000 € geschätzt worden.
Die Bescheide wurden an die Privatanschrift des Klägers, von der aus er auch seine selbständige Tätigkeit betreibt, mit Postzustellungsurkunden zugestellt. Ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunden wurden die beiden Einkommensteuerbescheide zusammen in einem Umschlag versendet und am 9.10.2018 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten des Klägers eingelegt. Das Gleiche gilt für die beiden Umsatzsteuerbescheide. Mit Faxen vom 11.11.2018 legte der Kläger gegen die Schätzungsbescheide zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2016 und 2017 sowie gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags und der Zinsen zur Umsatzsteuer 2016 Einspruch ein. Das Finanzamt erwiderte mit Schreiben vom 13.11.2018, dass die Einsprüche verspätet eingegangen seien.
Mit Schriftsatz vom 7.12.2018 meldeten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Finanzamt und beantragten Wiedereinsetzung in die Einspruchsfristen. Sie trugen vor, dass sie von dem Kläger schon am 10.9.2018 bevollmächtigt worden seien. Am 13.9.2018 sei ein Schreiben gefertigt worden, mit dem die Behörde von der Vollmacht (einschließlich Bekanntgabevollmacht) habe unterrichtet werden sollen und zugleich Fristverlängerung beantragt werden sollte. Aus nicht mehr aufklärbaren Gründen habe die bislang stets zuverlässig arbeitende Sekretärin, die von dem mandatsverantwortlichen Prozessbevollmächtigten ausdrücklich beauftragt worden sei, den Schriftsatz und die Vollmacht jedoch nicht an das Finanzamt gefaxt.
Die Anträge auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfristen wurden abgelehnt. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die Gründe:
Die angefochtenen Bescheide sind wirksam bekannt gegeben worden. Soweit der Kläger darauf verweist, dass er seinen Prozessvertretern eine Empfangsvollmacht erteilt habe und die Bescheide deshalb an diese zu adressieren gewesen seien, würdigt er nicht hinreichend, dass das Finanzamt eine Empfangsvollmacht nur dann berücksichtigen kann, wenn es davon Kenntnis hat.
Die Schätzungsbescheide sind auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot nichtig. Dass im Streitfall keine objektive Willkürmaßnahme vorliegt, ergibt sich bereits daraus, dass das Finanzamt seine Schätzungserwägungen in der Umsatzsteuerakte dokumentiert hat. Auch ist der Umstand, dass die Schätzbescheide nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind, entgegen der Auffassung des Klägers kein Indiz "für eine missgünstige Intention zur absichtlichen Schädigung".
Letztlich lagen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die Einspruchsfristen nicht vor. Der Kläger stützt sich im Wesentlichen darauf, dass seinen Prozessbevollmächtigten im September 2018 ein ihm nicht zurechenbares "Büroversehen" unterlaufen sei, als die Benachrichtigung des Beklagten von der Mandatierung und der Empfangsvollmacht versehentlich unterblieben sei. Er übersieht dabei jedoch, dass durch das Büroversehen zwar eine gewisse Handlungskette in Gang gesetzt worden sein mag, diese einer rechtzeitigen Einspruchseinlegung jedoch nicht im Wege stand und das Versehen daher für die Versäumung der Einspruchsfrist nicht ursächlich war. Es war dem Kläger unbenommen, gegen die an ihn persönlich adressierten Schätzungsbescheide bis zum 9.11.2018 selbst Einspruch einzulegen oder - nach Weitergabe an seine Bevollmächtigten - durch diese einlegen zu lassen.
Der Grund dafür, dass die Einsprüche erst am 11.11.2018 und damit verfristet erhoben wurden, liegt nach Aktenlage vielmehr darin, dass der Kläger zu glauben schien, dass die Einspruchsfristen erst an diesem Tag ablaufen würden. Ob diese Annahme auf einer falschen rechtlichen Würdigung (rechtliche Grundlagen der Fristberechnung bei Zustellung durch Postzustellungsurkunde) beruhte, er sich rein faktisch verrechnet hat (Ablesen eines falschen Datums im Kalender) oder ob ihm tatsächlich unbekannt war, dass die Bescheide nicht mit einfachem Brief, sondern mit Postzustellungsurkunden zugestellt worden waren, vermag das Gericht nicht nachzuprüfen. Letztlich handelt es sich bei dem Vortrag des Klägers, die Briefumschläge nicht zu Gesicht bekommen zu haben, um eine bloße Behauptung.