22.03.2019

Keine Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten bei Verzicht auf Erstattung

Krankheitskosten, die ein Steuerpflichtiger selbst trägt, um eine Beitragsrückerstattung von seiner privaten Krankenkasse zu erhalten, sind mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG zu berücksichtigen. Die Erlangung von Beitragsrückerstattungen durch die Versicherung berührt das von § 33 EStG geschützte erhöhte Existenzminimum grundsätzlich nicht.

Niedersächsisches FG v. 20.2.2019 - 9 K 325/16
Der Sachverhalt:

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger bezieht Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die Klägerin solche aus nichtselbständiger Arbeit. Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Berücksichtigung von Krankheitskosten des Klägers für das Jahr 2014 als außergewöhnliche Belastungen. Diese Beträge wurden von den Klägern anhand von Kopien der Rezepte und Arztrechnungen belegt. Hierzu tragen die Kläger vor, Erstattungen für Arztrechnungen und Rezepte von der Krankenkasse seien nicht erfolgt. Stattdessen habe man die Beitragsrückerstattung in Form einer so genannten Pauschalleistung für das Jahr 2014 in Anspruch genommen.

 

Die Kläger sind der Auffassung, trotz Verzichts auf den Erstattungsanspruch handele es sich bei den Krankheitskosten um außergewöhnliche Belastungen. Der Krankenkassentarif des Klägers führe aus tatsächlichen Gründen zu einer Zwangsläufigkeit. Das Tarifmodell des Krankenversicherungsvertrages des Klägers sei wie folgt: Bis zu dem Betrag von 600 € könne er keine Krankheitskosten erstattet bekommen. Werde dieser Betrag überschritten, zahle der Versicherer die getätigten Beträge - soweit erstattungsfähig - zurück. Werde der Erstattungsanspruch geltend gemacht, zahle der Versicherer nicht nur in demjenigen Jahr die Beitragsrückerstattung nicht aus, sondern auch in dem folgenden Jahr. Dies geschehe unabhängig davon, ob Krankheitskosten entstehen oder nicht. Hierdurch entstehe für den Kläger ein zumindest tatsächlicher Zwang, der durch den Versicherungstarif begründet werde, den Erstattungsanspruch nicht geltend zu machen.

 

Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

 

Die Gründe:

Das Finanzamt hat die geltend gemachten Aufwendungen für Krankheitskosten zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG berücksichtigt, da sie den Klägern nicht zwangsläufig erwachsen sind.

 

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Zwangsläufig sind die Aufwendungen, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Bei typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird nach ständiger Rechtsprechung die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen unwiderlegbar vermutet und deren Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen unterstellt. Allerdings setzt Zwangsläufigkeit i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG grundsätzlich zudem voraus, dass der Steuerpflichtige etwaige Ersatzansprüche gegen Dritte erfolglos geltend gemacht hat.

 

Vorliegend lässt der Verzicht des Klägers auf die Erstattung der von ihm getragenen Aufwendungen für Krankheitskosten - soweit sie den Selbstbehalt von 600 € übersteigen - die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen entfallen, auch wenn dieser Verzicht aufgrund der hierdurch bedingten Beitragsrückerstattung von Krankenkassenbeiträgen wirtschaftlich vorteilhaft für die Kläger ist. Der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Verzicht entsteht, führt nicht zu einer Unzumutbarkeit der Geltendmachung der Ersatzansprüche gegen die Krankenkasse. Kann sich ein Steuerpflichtiger durch Rückgriff gegen seinen Versicherer schadlos halten, ist eine Abwälzung seiner Kosten auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt, es sei denn, es liegen Gründe vor, die den Verzicht selbst oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen als unzumutbar erscheinen lassen könnten.

 

Ziel des § 33 EStG ist es nicht, dem Steuerpflichtigen die Inanspruchnahme seiner Versicherung zu ersparen, wenn dies für ihn zu einer Reduzierung der Versicherungsprämien durch eine Beitragsrückerstattung führt. Die Erlangung von Beitragsrückerstattungen durch die Versicherung berührt das von § 33 EStG geschützte erhöhte Existenzminimum grundsätzlich nicht. Zwar kann es wirtschaftlich vernünftig sein, auf die Erstattung gezahlter Krankheitskosten zu verzichten, um so eine betragsmäßig höhere Beitragserstattung zu erlangen. Es ist aber nicht Aufgabe des Steuerrechts dafür zu sorgen, dass dieser Vorteil auch nach Durchführung der Besteuerung erhalten bleibt. Der Steuerpflichtige kann sich frei entscheiden, ob er sich Krankenkassenbeiträge erstatten lässt oder nicht. Er hat damit die Möglichkeit - auch unter Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen - sich für die voraussichtlich günstigste Variante zu entscheiden.

 

Dass die Kläger höhere Sonderausgaben hätte steuerlich abziehen können, wenn er sich die Aufwendungen für die Krankheitskosten hätte erstatten lassen, ist im Streitfall unerheblich. Denn es handelt sich um einen fiktiven Sachverhalt. Der Besteuerung ist indes der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zugrunde zu legen. Lediglich die Krankheitskosten i.H.d. Selbstbehalts von 600 €, die nicht vom Versicherungsschutz abgedeckt sind, stellen dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen dar. Da dieser Betrag unter der zumutbaren Belastung liegt, ergibt sich insoweit keine steuerliche Auswirkung.

 

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