Kindergeld: Einvernehmliche Änderung der Berechtigtenbestimmung kann nicht mit Wirkung für die Vergangenheit vorgenommen werden
BFH 19.4.2012, III R 42/10Die Klägerin ist Mutter zweier Kinder und lebt zusammen mit diesen und ihrem Ehemann in einem Haushalt. Der Ehemann war ursprünglich als Vater der Kinder zum Kindergeldberechtigten bestimmt worden. Am 23.12.2005 beantragten die Eltern bei der Familienkasse, die Zahlung des Kindergeldes rückwirkend zum 1.12.2005 auf die Klägerin umzustellen. Der Ehemann erhielt Ende des Monats dennoch das Dezemberkindergeld i.H.v. 308 € überwiesen. Im Januar 2006 ging außerdem ein Kindergeldantrag der Klägerin bei der Familienkasse ein. Mit Bescheid vom 30.1.2006 setzte diese gegenüber der Klägerin Kindergeld für die beiden Kinder ab dem 1.1.2006 fest.
Die Klägerin versuchte weiterhin auf dem Klageweg eine Kindergeldfestsetzung bereits ab dem 1.12.2005 zu erreichen, blieb allerdings erfolglos. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, dass die ursprüngliche Berechtigtenbestimmung zugunsten des Ehemanns mit dem Schreiben vom 23.12.2005 rechtswirksam mit Geltung ab dem 1.12.2005 widerrufen worden sei.
Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH die Entscheidung auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Das FG war zu Unrecht davon ausgegangen, dass die im Laufe des Dezembers 2005 erfolgte Änderung der Berechtigtenbestimmung auf den Monatsanfang zurückwirkte.
Die vom BFH noch nicht entschiedene und in Finanzrechtsprechung und Literatur kontrovers beurteilte Frage, ob die einvernehmliche Änderung der Berechtigtenbestimmung oder der Widerruf auch mit Wirkung für die Vergangenheit vorgenommen werden kann, ist zu verneinen. Die mit einem Berechtigtenwechsel verbundene Neugestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten - bisheriger und neuer Anspruchsberechtigter sowie die jeweils zuständigen Familienkassen - ist grundsätzlich nur für die Zukunft möglich. Eine rückwirkende Gestaltung derartiger Rechtsverhältnisse ist nur dann möglich, wenn sie bislang ungeregelt waren. Der durch eine einvernehmlich geänderte Berechtigtenbestimmung herbeigeführte Wechsel in der Anspruchsberechtigung wird erst mit Wirkung ab dem Folgemonat zugunsten des neuen Berechtigten berücksichtigt.
Der Wortlaut des § 64 Abs. 2 S. 2 EStG lässt nicht erkennen, dass eine bereits erfolgte Bestimmung auch mit materiell-rechtlich rückwirkender Geltung - sog. ex tunc-Wirkung - geändert oder widerrufen werden kann. Da die ex tunc-Wirkung eine gesetzliche Fiktion darstellt - der Sachverhalt, dass ein Elternteil tatsächlich zum Berechtigten bestimmt wurde, wird durch einen tatsächlich nicht verwirklichten Sachverhalt ausgetauscht - und mit ihr erhebliche Rechtsfolgen verbunden sind - der Berechtigte wird rückwirkend zum Nichtberechtigten -, wird sie im Gesetz zumeist ausdrücklich angeordnet. So etwa im bürgerlichen Recht (§§ 142 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB) sowie im öffentlichen Recht (§§ 130, 131 AO, § 70 Abs. 2 u. 3 EStG; § 35 Abs. 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes).
Sonstige Gesichtspunkte, die für eine rückwirkende Änderung der Berechtigtenbestimmung sprechen könnten, waren nicht ersichtlich. Vielmehr sprechen Gründe der Verwaltungsökonomie und der Missbrauchsabwehr gegen eine Rückwirkung.
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