Kindergeld kann auch trotz vorheriger Ablehnung gewährt werden
FG Rheinland-Pfalz 4.6.2012, 5 K 2591/10Die Tochter der Klägerin stand kurz vor ihrem 18. Geburtstag, als die Familienkasse daran erinnerte, dass die Kindergeldzahlungen mit dem Monat April 2009 enden würden. Eine Weiterzahlung sei möglich, wenn sich die Tochter etwa noch in der Schulausbildung befinde. Dem Schreiben war ein Antragsvordruck beigefügt, den die Klägerin im April 2009 unterzeichnete und an die Familienkasse übersandte. Sie gab an, dass ihre Tochter sich noch bis Sommer 2010 in Schulausbildung befinde, worauf die Familiekasse in einem weiteren Schreiben entgegnete, es fehle noch die Schulbescheinigung für die Zeit ab Mai 2009.
Im Januar 2010 wurde der Antrag der Klägerin mit der (unzutreffenden) Begründung abgelehnt, dass die notwendigen Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Darauf hin beantragte die Klägerin im August 2010 erneut Kindergeld und teilte mit, dass die notwendigen Unterlagen bereits vorliegen müssten. Mit Bescheid vom September 2010 wurde dann von der Behörde Kindergeld für die Zeit ab Februar 2010 festgesetzt. Da der frühere Antrag auf Kindergeld mit Bescheid vom Januar 2010 abgelehnt worden sei, könne für die Zeit Mai 2009 bis einschließlich Januar 2010 nicht nachträglich Kindergeld festgesetzt werden. Der Ablehnungsbescheid entfalte insoweit eine zeitliche Sperrwirkung bis zum Zeitpunkt seines Ergehens - also Januar 2010.
Die Klägerin wies darauf hin, dass sie die verlangten Schulbescheinigungen mehrfach an die Familienkasse geschickt hätte, sich mehrfach telefonisch nach dem Sachstand habe erkundigen wollen, was ihr jedoch nicht gelungen sei, weil stets neue Sachbearbeiter zuständig gewesen seien, die nichts hätten sagen können. Das FG gab ihrer Klage statt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das Kindergeld war auch für den Zeitraum vom Mai 2009 bis Januar 2010 zu gewähren.
Die Voraussetzungen zur Gewährung von Kindergeld lagen wegen des Schulbesuchs der Tochter der Klägerin vor. Die Familienkasse war auch nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen gehindert, für den streitgegenständlichen Zeitraum Kindergeld festzusetzen, weil sich die Bekanntgabe des die Sperrwirkung entfaltenden Bescheides vom Januar 2010 nicht feststellen ließ.
Bestehen Zweifel am Zugang eines Bescheids, muss die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachweisen. Aus dem Bescheiddatum lässt sich dabei nicht auf den Tag der Aufgabe zur Post schließen. Da sich die Aufgabe von Verwaltungsakten zur Post im Wissen- und Verantwortungsbereich der Behörde abspielt, hat sie insoweit die erforderliche Beweisnähe inne.
Im vorliegenden Fall enthielt der Bescheid keinen Absendevermerk der Poststelle und auf Hinweis des Gerichts, dass fraglich sei, ob der Bescheid bekannt gegeben worden sei, weil der Absendevermerk fehle, hatte sich die Beklagte nicht geäußert. Schließlich konnten auch aus den Ausführungen der Klägerin keine Anhaltspunkte für den Zugang entnommen werden. Es konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin den Zugang des Bescheides (versehentlich oder bewusst) nicht angegeben hatte, denn ihre Ausführungen waren im Übrigen vollständig und wahrheitsgemäß, bzw. glaubhaft. Infolgedessen entfaltete der Bescheid vom Januar 2010 mangels Bekanntgabe gegenüber der Klägerin keine Wirksamkeit und stand somit der beantragten Kindergeldfestsetzung nicht entgegen.