Kindergeld: Regelmäßige Arbeitsstätte bei Kommissaranwärtern
FG Düsseldorf 19.11.2014, 2 K 278/14 KgDie Tochter der Klägerin war 2009 im Alter von 21 Jahren in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Kommissaranwärterin (gehobener Polizeivollzugsdienst) eingestellt worden und erhielt in der Folgezeit Anwärterbezüge. Sie war während des dreijährigen Vorbereitungsdienstes gleichzeitig Studierende an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV). Die Ausbildung gliedert sch in die fachwissenschaftliche Studienzeit an der FHöV, die fachpraktische Ausbildungszeit beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (Training) und die fachpraktische Ausbildungszeit bei den Kreispolizeibehörden (Praxis). Die Ausbildung schließt mit der Bachelorprüfung ab. Das Prüfungsamt ist bei der FHöV angesiedelt.
Die Klägerin hatte für ihre Tochter Kindergeld für das Jahr 2011 beantragt. In der Erklärung zu den Verhältnissen des Kindes gab sie an, dass die Tochter in ihrem Haushalt lebe und 2011 einen Bruttoarbeitslohn i.H.v. rund 13.424 € erzielt habe. Bei dem Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Sozialversicherung und vergleichbaren privaten Aufwendungen machte sie einen Betrag von 363 € geltend. Der Tochter seien außerdem Werbungskosten i.H.v. 6.708 € entstanden. Die Klägerin war der Ansicht, dass ihre Tochter im Jahr 2011 keine regelmäßige Arbeitsstätte gehabt habe.
Die Familienkasse lehnte die Festsetzung von Kindergeld ab, da die Tochter Einkünfte und Bezüge oberhalb des Grenzbetrags von 8.004 € erzielt habe. Bei der Berechnung erkannte die Behörde Werbungskosten i.H.v. 5.134 € an. Sie war der Ansicht, dass die Tochter an der FHöV ihren Stammausbildungsplatz und damit ihre regelmäßige Arbeitsstätte gehabt habe, so dass die Fahrten dorthin nur mit der Entfernungspauschale anzusetzen seien. Die Klägerin hielt dagegen, dass die Fahrten Dienstreisen gewesen seien.
Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kindergeld für das Jahr 2011. Die Tochter befand sich in Berufsausbildung, so dass die Anspruchsberechtigung nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG gegeben war.
Der Kindergeldanspruch war nicht nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG wegen einer Überschreitung des maßgeblichen Grenzbetrags ausgeschlossen. Die Tochter erzielte im Streitjahr Einkünfte und Bezüge i.H.v. 6.591 €, so dass der Grenzbetrag von 8.004 € unterschritten war. Sämtliche Fahrten der Tochter zu ihren drei Arbeitsstellen - FhöV, LAFP und der Polizeibehörde - waren mit den tatsächlichen Kosten anzusetzen. Dem stand nicht bereits entgegen, dass sich die Tochter im Streitzeitraum in einer Ausbildung befunden hatte.
Zwar hat der VI. Senat des BFH entschieden, dass eine Bildungsmaßnahme vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt sei, so dass eine regelmäßige Arbeitsstätte regelmäßig nicht vorliege (Urteile v. 9.2.2012, Az.: VI R 44/10 u. VI R 42/11). Der erkennende Senat folgt insofern aber der davon abweichenden Auffassung des III. und des V. Senats des BFH. Demnach handelt es sich bei einer Ausbildungsstätte um eine regelmäßige Arbeitsstätte, wenn der Auszubildende im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, aus dem er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, dem Ausbildungsbetrieb zugeordnet ist und diesen über einen längeren Zeitraum fortdauernd aufsucht, um dort seine für den Ausbildungszweck zentralen Tätigkeiten zu erbringen (BFH-Urteile v. 27.2.2014, Az.: III R 60/13, v. 10.4.2014, Az.: III R 35/13, v. 28.8.2014, Az.: V R 22/14).
Für diese Auffassung spricht, dass § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG keinen Anhaltspunkt dafür enthält, dass die Regelung bei Ausbildungsdienstverhältnissen, denen eine zeitliche Befristung stets immanent ist, nicht anzuwenden ist. Auch wenn ein Ausbildungsdienstverhältnis regelmäßig nur zwischen zwei und drei Jahren andauert, ist es einem Auszubildenden möglich, sich für diese Zeit auf die immer gleichen Wege zu seiner Ausbildungsstätte einzustellen und auf eine Minderung seiner Wegekosten hinzuwirken, so dass ein begrenzter Abzug seiner Wegekosten gerechtfertigt ist. Auch wenn das Ziel der Gesamtausbildung darin besteht, dass die Anwärter nach abgeschlossener Ausbildung insbesondere im Streifendienst eingesetzt werden können, kann wegen der Bedeutung der theoretischen Ausbildung nicht davon ausgegangen werden, dass der Tätigkeitsschwerpunkt während der Ausbildungszeit in der Teilnahme am Streifendienst besteht.
Die vorliegende Entscheidung weicht von der Entscheidung des FG Saarland (Urt. v. 25.6.2012, Az.: 2 K 1363/11) ab, so dass es keine einheitliche erstinstanzliche Rechtsprechung zu der Frage gibt, ob ein Kommissaranwärter eine regelmäßige Arbeitsstätte hat. Zudem sind beim BFH weitere Revisionsverfahren anhängig, bei denen es um die Frage der regelmäßigen Arbeitsstätte eines Auszubildenden geht (Az.: XI R 19/14 u. XI R 50/13). Der Zulassung der Revision stand nicht entgegen, dass die zu klärende Rechtsfrage ausgelaufenes Recht betrifft.
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