29.10.2014

Kindergeld: Zum Wohnsitz einer natürlichen Person

Angemietete Zimmer können nur dann den Wohnsitz von natürlichen Personen i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 AO darstellen, wenn es sich hierbei um eine auf Dauer zum Bewohnen geeignete Räumlichkeit handelt, die der Betreffende - wenn auch in größeren Zeitabständen - mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich zu Wohnzwecken nutzt. Ob dies bei einem Gewerbetreibenden der Fall ist, lässt sich im Allgemeinen nicht aus der Höhe der im Inland erzielten Einkünfte folgern.

BFH 8.5.2014, III R 21/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und Vater zweier minderjähriger Kinder. Er hatte im Streitzeitraum September 2007 bis März 2008 ein Wohnsitz und ein Gewerbe für eine GbR in Deutschland angemeldet. Die Kinder lebten in dieser Zeit bei ihren Müttern in Polen. Nach den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für 2006 und für 2007 erzielte der Kläger im Jahr 2007 ein zu versteuerndes Einkommen und im Jahr 2008 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Kläger legte einen von Herrn A. als Untervermieter unterzeichneten - inhaltlich kurz gefassten - Untermietvertrag vor, der mit den Worten "Mietvertrag über das Zimmer und Betriebsstätte" überschrieben war. Zudem legte er einen von Frau O. als Vermieterin und Herrn A. unterzeichneten Hauptmietvertrag vor, mit dem Herrn A. die Untervermietung des von ihm angemieteten Einfamilienhauses gestattet wurde.

Der Kläger war in den Jahren 2006 bis 2008 weder in der polnischen noch in der deutschen Sozialversicherung erfasst. Seit Ende Oktober 2008 lebt der Kläger wieder in Polen und erhält dort seit März 2009 wieder polnische Familienleistungen. Bereits für den Zeitraum Juni 2006 bis Mai 2007 hatte er für seine Kinder polnische Familienleistungen erhalten. Die für den Zeitraum Februar 2007 bis Mai 2007 bezogenen polnischen Familienleistungen zahlte er später zurück. Im April 2007 beantragte der Kläger bei der Familienkasse Kindergeld für seine Kinder. Er gab an, in Deutschland nicht sozialversichert zu sein. Weder er noch seine Ehefrau hätten in den letzten fünf Jahren Familienleistungen für die Kinder beantragt oder erhalten. Nach Auskunft des polnischen Leistungsträgers übten weder seine Ehefrau noch seine Ex-Frau berufliche Tätigkeiten aus.

Die Familienkasse entsprach dem Kindergeldantrag allerdings nur teilweise. Sie setzte deutsches Kindergeld für beide Kinder ab Juni 2006 in jeweils hälftiger Höhe fest. Zur Begründung führte die Behörde aus, dass zwar die nationalen Ansprüche zweier Staaten aufeinandertreffen würden, aber ein gesamter Ausschluss des deutschen Kindergeldanspruchs nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nicht gerechtfertigt sei. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision der Familienkasse hob der BFH jedoch das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Feststellungen des FG reichten nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob der Kläger im Streitzeitraum nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG anspruchsberechtigt ist. Danach ist anspruchsberechtigt, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das FG hat entschieden, dass der Kläger über einen inländischen Wohnsitz verfügt hatte. Diese Annahme hielt jedoch einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil es hierfür an einer tragfähigen Tatsachengrundlage fehlte.

Demnach hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung u.U. innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten oder benutzen wird. Hiernach setzt ein Wohnsitz eine Wohnung, d.h. eine stationäre Räumlichkeit voraus, die auf Dauer zum Bewohnen geeignet ist. Dies wiederum erfordert eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Inhabers entsprechende Bleibe. Eine nur vorübergehende oder notdürftige Unterbringungsmöglichkeit reicht allerdings nicht aus. Infolgedessen kann ein angemietetes Zimmer nur dann der Wohnsitz einer natürlichen Person i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 AO sein, wenn es sich hierbei um eine auf Dauer zum Bewohnen geeignete Räumlichkeit handelt, die der Betreffende - wenn auch in größeren Zeitabständen - mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich zu Wohnzwecken nutzt.

Nach alledem blieb im Ergebnis offen, ob der Kläger - ggf. auch in größeren Zeitabständen - eine auf Dauer zum Bewohnen geeignete Räumlichkeit mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt hatte. Das FG hatte keine Feststellungen dazu getroffen, für welche Zwecke das angemietete Zimmer tatsächlich genutzt wurde. Anlass hierzu hätte gerade auch deshalb bestanden, weil der Untermietvertrag als "Mietvertrag über das Zimmer und Betriebsstätte" überschrieben war. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ließ sich im Allgemeinen auch nicht aus der Höhe der vom Kläger im Inland erzielten Einkünfte folgern. Insbesondere ergab sich hieraus nicht, in welcher Häufigkeit und über welche Dauer der Kläger die Räumlichkeit genutzt hatte.

Linkhinweis:

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