15.05.2013

Klage wegen überlanger Dauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens

Steht die Erfolglosigkeit eines Verfahrens für jeden Rechtskundigen von vornherein fest, ist dessen Verzögerung für den Beteiligten objektiv nicht von besonderer Bedeutung. Dies rechtfertigt es, statt der begehrten Geldentschädigung Wiedergutmachung im Wege einer entsprechenden feststellenden Entscheidung zu leisten.

BFH 17.4.2013, X K 3/12
Der Sachverhalt:
In dem Ausgangsverfahren war der Kläger Erbe seines im Jahr 1996 verstorbenen Vaters. Mit seiner am 27.1.2006 vor dem FG erhobenen Klage machte der Kläger die Beschränkung seiner Erbenhaftung geltend. Am 27.3.2006 begründete er die Klage. Schon in der Klagebegründung erklärte er, die Steuernachzahlungen hätten im Fall eines frühzeitigen Hinweises des Betriebs-Finanzamtes bereits vom Nachlassverwalter beglichen werden können, da genügend Masse vorhanden gewesen sei.

Mit einem am 2.6.2006 beim FG eingegangenen Schriftsatz des Klägers endete der Wechsel der vorbereitenden Schriftsätze zwischen den Beteiligten. Das FG wurde zunächst nicht weiter tätig. Auf eine am 12.10.2007 eingegangene Sachstandsanfrage des Klägers teilte es diesem am 23.10.2007 mit, der Zeitpunkt einer Terminierung sei wegen der Vielzahl der anhängigen älteren Verfahren ungewiss. Mit Verfügung vom 17.2.2010 forderte das FG - mittlerweile war die Zuständigkeit auf ein neugegründetes FG übergegangen - die Steuerakten und weitere Gerichtsakten. Für letztere erteilte der Kläger allerdings keine Einverständniserklärung. Das FG sah in der Folgezeit von einem weiteren Tätigwerden ab.

Am 18.1.2012 verfügte der Senatsvorsitzende des FG die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung auf den 1.3.2012. Zugleich erteilte er dem Kläger einen rechtlichen Hinweis, wonach die Klage unbegründet sein dürfte, weil die Einkommensteuer 2002 keine Nachlassverbindlichkeit darstelle. Der Kläger erklärte daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, dem Finanzamt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Zur Begründung führte er aus, es habe sich nachträglich herausgestellt, dass der Nachlass ergiebiger gewesen sei als zunächst angenommen.

Das FG wies den Kläger am 7.2.2012 darauf hin, dass es an einer Hauptsacheerledigung fehlen dürfte, weil nach Rechtshängigkeit kein erledigendes Ereignis eingetreten sei. Vielmehr dürfte die Klage von Anfang an unbegründet gewesen sein. Es regte eine Klagerücknahme an. Hierauf rügte der Kläger unter Hinweis auf das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) eine überlange Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens. Er begehrte gem. § 198 GVG eine Entschädigung.

Der BFH gab der Klage nur teilweise statt.

Die Gründe:
Das finanzgerichtliche Verfahren war unangemessen verzögert worden. Das - eher einfach gelagerte - Ausgangsverfahren war mehr als sechs Jahre beim FG anhängig. Während eines Zeitraums von fünfeinhalb Jahren war das FG weitestgehend untätig geblieben. Für die Entscheidung dieses Verfahrens konnte sich der Senat auf die Feststellung beschränken, dass die Verfahrensverzögerung durch das FG sich "in der Nähe" des vom Kläger genannten Zeitraums von vier Jahren bewegt hatte. Nähere Festlegungen zu der im Regelfall noch als angemessen anzusehenden Dauer finanzgerichtlicher Verfahren brauchte er noch nicht zu treffen, da von der Festsetzung einer Geldentschädigung abzusehen und die Entschädigungsklage insoweit abzuweisen war.

Dies beruhte darauf, dass der Kläger vor dem FG in seiner eigenen, zu Beginn des dortigen Verfahrens eingereichten Klagebegründung Tatsachen vorgetragen hatte, aus denen sich zweifelsfrei ergab, dass seine Klage unbegründet war. Steht die Erfolglosigkeit eines Verfahrens für jeden Rechtskundigen von vornherein fest, ist dessen Verzögerung für den Beteiligten objektiv nicht von besonderer Bedeutung. Dies rechtfertigt es, statt der begehrten Geldentschädigung Wiedergutmachung im Wege einer entsprechenden feststellenden Entscheidung zu leisten.

Hintergrund:
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren im Dezember 2011 haben die Beteiligten die Möglichkeit, die unangemessene Dauer eines solchen Verfahrens zu rügen und hierfür Wiedergutmachung, ggf. auch in Form einer Geldentschädigung, zu erlangen. Für Entschädigungsklageverfahren aus dem Bereich der Finanzgerichtsbarkeit ist in erster und letzter Instanz der BFH zuständig.

Der BFH hat nun eine erste Sachentscheidung auf der Grundlage dieser neuen gesetzlichen Regelungen getroffen und im konkreten Fall eine Verfahrensverzögerung festgestellt, dem Kläger allerdings nicht die beantragte Geldentschädigung zugesprochen.

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BFH PM Nr. 27 vom 15.5.2013
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