21.09.2011

Klageerhebung per E-Mail ohne qualifizierte digitale Signatur unwirksam

Eine landesrechtliche Regelung, die verlangt, dass elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG zu versehen sind, "sofern für Einreichungen die elektronische Form vorgeschrieben ist", ist dahin auszulegen, dass eine Klageerhebung per E-Mail eine solche Signatur erfordert. Bei Fehlen der Signatur reicht es nicht aus, dass sich aus der E-Mail oder den Umständen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben.

BFH 26.7.2011, VII R 30/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger erhob gegen einen Haftungsbescheid des Finanzamts Klage per E-Mail. Diese ging unsigniert bei der elektronischen Poststelle des FG am Samstag, dem 17.5.2008 um 23:10 Uhr ein. Nachdem der Eingang am 5.6.2008 festgestellt worden war, wies das FG den Kläger am folgenden Tag darauf hin, dass die von ihm erhobene Klage nicht mit einer Signatur versehen und wegen dieses Formmangels nicht wirksam erhoben worden sei.

Am 24.6.2008 übersandte der Kläger eine unterschriebene Klageschrift und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, er habe keine Kenntnis von den Anforderungen an eine elektronische Klageeinreichung gehabt. Als juristischer Laie sei ihm hinsichtlich der gesetzlichen Anforderungen an eine elektronische Klageerhebung kein Vorwurf zu machen. Zudem hätte das Gericht die Möglichkeit gehabt, ihn auf die mangelnde Form der Klageerhebung noch vor Ablauf der Klagefrist hinzuweisen. Die Mitteilung über die Fristversäumung sei ihm nicht vor dem 10.6.2008 zugegangen, so dass die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gewahrt sei.

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Urteil des FG verletzt entgegen der Auffassung des Klägers Bundesrecht nicht.

Seit dem Jahr 2005 sieht die FGO vor, dass Klagen bei Finanzgerichten elektronisch eingereicht werden können. Es bleibt den Bundesländern überlassen, Art und Weise der elektronischen Einreichung von Dokumenten durch eigene Rechtsverordnungen zu regeln. Für Klageschriften müssen die Verordnungen allerdings die Beifügung einer qualifizierten digitalen Signatur nach § 2 Abs. 3 SigG vorsehen. Geht eine Klage ohne diese Signatur ein, ist sie unwirksam und wird einer schriftlich, aber ohne Unterschrift erhobenen Klage gleichgestellt.

Die im Streitfall einschlägige hamburgische Rechtsverordnung (ERVV HA 2008) sieht die Beifügung einer qualifizierten digitalen Signatur vor, "sofern für Einreichungen die elektronische Form vorgeschrieben ist". Das FG urteilte, es sei zwar keine elektronische Einreichung von Klagen vorgeschrieben. Die Formulierung in der Verordnung sei aber verunglückt und erkennbar dahin zu verstehen, dass sie die wahlweise zulässige elektronische Klageerhebung betreffe. Deshalb behandelte das FG die Klage als unzulässig.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG die Unzulässigkeit einer ohne qualifizierte Signatur per E-Mail übermittelten Klage aus § 2 Abs. 3 S. 1 ERVV HA 2008 ableitet. Bei der Auslegung von Landesrecht durch das FG hat der BFH lediglich zu überprüfen, ob diese Auslegung mit (höherrangigem) Bundesrecht übereinstimmt und ob die Auslegung durch das FG bundesrechtlichen Auslegungsregeln entspricht. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken gegen die Handhabung des FG.

Revisionsrechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das FG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) verneint hat. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Entscheidung insoweit auf der Verletzung von Bundesrecht i.S.d. § 118 Abs. 1 S. 1 FGO beruht.

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BFH PM Nr. 77 vom 21.9.2011
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