24.03.2011

Kosten behinderungsbedingter Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastungen

Kosten für die behinderungsbedingte Unterbringung in einer sozial-therapeutischen Einrichtung können außergewöhnliche Belastungen sein. Ist das FG auf Grund eines von einem fachkundigen Arzt erstellten Gutachtens von der Notwendigkeit der Unterbringung überzeugt, bedarf es nicht mehr eines amtsärztlichen Attestes.

BFH 9.12.2010, VI R 57/08
Der Sachverhalt:
Der 1939 geborene Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts (AG) wegen Geistesschwäche entmündigt worden. 1993 bestellte das AG seine Schwester zur Regelung aller Angelegenheiten als Betreuerin. Auf Anforderung des AG erstellte ein Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im Dezember 2000 ein "nervenärztliches Gutachten" über den Kläger. Darin heißt es u.a.:

"Das Denkvermögen ist aufgrund der Intelligenzminderung eingeschränkt. Kompliziertere Denkvorgänge kann er nicht vollziehen. Er kann seinen Namen und einfache Drei-Wort-Sätze schreiben. Auch einfache Rechenaufgaben im Zahlenbereich bis 20 kann er durchführen. Er kann mit Messer und Gabel essen, muss zur Körperpflege nicht besonders angehalten werden, räumt sein Zimmer auf und hält Ordnung. Die intellektuellen Umstellungsfähigkeiten sind gering. Es liegt eine geistige und seelische Behinderung vor; diese wird lebenslang bestehen."

Der Kläger lebt seit 1977 in einer sozial-therapeutischen Einrichtung für geistig behinderte Menschen. Durch seine Arbeit in den sozial-therapeutischen Werkstätten dieser Einrichtung bezog er im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielte er Einkünfte aus Rentenbezügen, Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2003) machte er die Kosten der Heimunterbringung i.H.v 20.420 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab, weil der Kläger seine Pflegebedürftigkeit nicht hinreichend nachgewiesen habe.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht die streitigen Heimunterbringungskosten des Klägers als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen.

Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, können nicht nochmals nach § 33 EStG berücksichtigt werden. Krankheitskosten sind regelmäßig eine außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG. Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim. Liegt ein durch Krankheit veranlasster Aufenthalt in einem Heim vor, stellen sich die Aufwendungen für die Heimunterbringung als Krankheitskosten dar. Es gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten.

Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen des Klägers als Krankheitskosten abziehbar. Das FG hat unter Bezugnahme auf das im Rahmen des Betreuungsverfahrens vorgelegte ärztliche Gutachten nach § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass der Kläger im Streitjahr krankheitsbedingt im Heim untergebracht war. Das FG hat zu Recht kein amtsärztliches Attest verlangt. Dem Abzug der Kosten steht nicht entgegen, dass dem Kläger keine Pflegekosten in Rechnung gestellt worden sind.

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