13.03.2017

Kosten bei Schätzungsbescheid und Antrag auf schlichte Änderung

Legt der Steuerpflichtige die Steuererkerklärung erst vor, nachdem sein Einspruch gegen den Schätzungsbescheid zurückgewiesen wurde, trägt er die Kosten der (Anfechtungs-)Klage auch dann, wenn er die Steuererklärung dem Finanzamt noch vor Ablauf der Klagefrist zusammen mit einem Antrag auf schlichte Änderung vorgelegt hat. Es ist derzeit noch ungeklärt, ob ein Antrag auf schlichte Änderung gegen einen Einkommensteuer-Schätzungsbescheid durch Vorlage der Steuererklärung konkretisiert werden kann.

FG Berlin-Brandenburg 2.2.2017, 3 K 3197/16
Der Sachverhalt:
Mangels Erklärung erließ das Finanzamt für 2014 am 17.5.2016 Schätzungsbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung. Hiergegen legte der Kläger am 25.5.2016 Einspruch ein und kündigte die Nachreichung der Steuererklärungen an. Nach fruchtloser Erinnerung vom 22.7.2016 erließ das Finanzamt am 30.8.2016 die Einspruchsentscheidung, mit der es den Einspruch als unbegründet zurückwies und zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob. Die Einspruchsentscheidung wurde der Klägervertreterin am 2.9.2016 zugestellt. Mit Schreiben vom 17.9.2016, beim Finanzamt eingegangen am 19.9.2016, stellte der Kläger einen Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 AO und legte zugleich die Steuererklärungen vor.

Mit Bescheid vom 28.9.2016 lehnte das Finanzamt den Antrag auf schlichte Änderung ab. Zur Prüfung der sich aus den Steuererklärungen ergebenden Sachverhalte seien weitere Prüfungsmaßnahmen und Sachverhaltsaufklärungen erforderlich, was nicht dem Charakter eines Antrages auf schlichte Änderung entspreche. Am 4.10.2016 erhob der Kläger elektronisch Klage. Mit Schreiben vom selben Tage an das Finanzamt, dort eingegangen am 6.10.2016, legte der Kläger Einspruch gegen die Ablehnung des Antrages auf schlichte Änderung ein und führte aus, aufgrund der dem Finanzamt vorliegenden Steuererklärungen sei der Antrag auf schlichte Änderung hinreichend bestimmt.

Mit Änderungsbescheiden vom 28.12.2016 veranlagte das Finanzamt weitgehend erklärungsgemäß. Im Anschluss wurde der gerichtliche Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt mit widerstreitenden Kostenanträgen. Der Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf schlichte Änderung wurde, soweit ersichtlich, vom Finanzamt nicht mehr bearbeitet. Zur Kostenfrage führt der Kläger aus, sein Antrag auf schlichte Änderung sei am letzten Tag der Klagefrist abgelehnt und der Kläger damit in ein Klageverfahren getrieben worden. Ohne die Ablehnung seines Antrages wäre steuerlich dasselbe Ergebnis entstanden, ohne dass das Finanzgericht hätte bemüht werden müssen.

Das FG entschied, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Die Gründe:
Der Kläger trägt die Kosten gem. § 137 S. 1 (i.V.m. § 138 Abs. 2 S. 2) FGO, weil er die Steuererklärungen erst nach Erlass der Einspruchsentscheidung vorgelegt hat, obwohl er sie bereits vor deren Erlass hätte vorlegen können und sollen. Ein Verschulden des Finanzamts gem. § 137 S. 2 (i.V.m. § 138 Abs. 2 S. 2) FGO liegt entweder nicht vor oder ist jedenfalls nicht ursächlich.

Die Reichweite von sog. "Anträgen auf schlichte Änderung" (§ 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO) ist in der Literatur umstritten. Anders als ein Einspruch muss ein Antrag auf schlichte Änderung hinreichend konkretisiert sein (sowohl hinsichtlich der betragsmäßigen Reichweite der erstrebten Änderung als auch hinsichtlich des Lebenssachverhalts, wegen dessen die Änderung begehrt wird); oft wird in diesem Zusammenhang von einer "punktuellen Änderung" gesprochen. Ob dies die Konkretisierung eines gegen einen Schätzungsbescheid gerichteten Antrages auf schlichte Änderung durch Vorlage der Steuererklärung - die häufig eine Vielzahl von Lebenssachverhalten, ggf. auch komplexe Sachverhalte beinhaltet - ausschließt, ob also "hinreichend konkretisiert" auch "hinreichend einfach gelagert" meint, dürfte derzeit als nicht abschließend geklärt anzusehen sein.

Die Möglichkeit wird teilweise bejaht. Demnach sei die Änderung sogar dann möglich, wenn sie nach Ergehen der Einspruchsentscheidung, in welcher der Steuerbescheid bestätigt oder geändert worden ist, innerhalb der Klagefrist beantragt wird bzw. der Steuerpflichtige innerhalb derselben der Änderung zustimmt. Der Steuerpflichtige werde also insoweit nicht zur Klage gezwungen, riskiere es freilich, dass die Änderung von der Finanzbehörde nicht seinem Begehren entsprechend vorgenommen werde und er sich dann gegen den Bescheid mit einem Rechtsbehelf nicht mehr wenden könne.

Vorliegend bedarf die Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn entweder die Auffassung des Klägers trifft zu, dann hätte sein Einspruch gegen die Ablehnung des Antrages auf schlichte Änderung zum Erfolg führen müssen, ggf. mittels nach abweisender zweiter Einspruchsentscheidung zu erhebender Verpflichtungsklage auf Erlass eines Änderungsbescheids. Die hier erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung wäre dann nicht notwendig gewesen und die dann vorliegende rechtsfehlerhafte Ablehnung des Antrages auf schlichte Änderung durch das Finanzamt mithin nicht kausal für die Kosten des hiesigen Verfahrens. Anders gesagt, das hiesige Verfahren wäre dann zur Durchsetzung der Rechtsauffassung des Klägers das falsche Verfahren gewesen.

Oder die Auffassung des Finanzamts trifft zu, dann stellt die Ablehnung des Antrages auf schlichte Änderung keinen Fehler und damit auch kein Verschulden i.S.v. § 137 S. 2 FGO dar. Es ist zwar verständlich, dass der Kläger sich in Anbetracht der unklaren Rechtslage nicht auf einen Einspruch und ggf. nachfolgend eine Verpflichtungsklage gegen die Ablehnung des Antrages auf schlichte Änderung verlassen wollte, sondern aus Vorsicht lieber doch gleich eine Anfechtungsklage erhoben hat. Allein aus der bestehenden rechtlichen Unsicherheit ergibt sich jedoch kein Verschulden des Finanzamts.

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