Kosten des Erststudiums sind keine Werbungskosten
FG Münster 20.12.2011, 5 K 3975/09 FDer Kläger war im Streitjahr 2007 Student und erzielte lediglich geringe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. etwa 1.600 €. Für einen Studienaufenthalt im Ausland hatte er verschiedene Kosten getragen, die er in seiner Steuererklärung als (vorweggenommene) Werbungskosten i.H.v. rund 18.600 € geltend machte. Das Finanzamt berücksichtigte die Studienkosten lediglich als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.H.v. 4.000 €. Außerdem lehnte es die Behörde ab, einen Verlustvortrag i.H.d. weiteren Aufwendungen des Klägers für das Folgejahr festzustellen. So konnte der Kläger, der nach Abschluss des Studiums im Jahr 2008 als Assistent eines Vertriebsvorstandes arbeitete, die Aufwendungen für das Studium auch 2008 steuerlich nicht nutzen.
Der Kläger war der Ansicht, nach den neueren BFH-Entscheidungen hätten auch unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 21.7.2004 nach wie vor Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und damit für ein sogenanntes Erststudium als vorab entstandene Werbungskosten anerkannt werden können. Der erforderliche Veranlassungszusammenhang der Studienkosten mit künftigen Einnahmen sei gegeben, wenn das Studium - wie bei ihm -Berufswissen vermittle und auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sei (BFH-Urteil v. 28.7.2011, Az.: VI R 7/10).
Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt war rechtmäßig.
Der durch das BeitrRLUmsG vom 7.12.2011 neu angefügte § 9 Abs. 6 EStG (Art. 2 Nr. 4 BeitrRLUmsG) ist gem. Art. 25 Abs. 4 BeitrRLUmsG am Tag nach der Verkündung des BeitrRLUmsG, also am 14.12.2011 in Kraft getreten. Danach ergibt sich mit Wirkung zum 1.1.2004 ausdrücklich, dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium keine Werbungskosten darstellen, wenn die Berufsausbildung bzw. das Studium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet (§ 12 Nr. 5 i.V.m. § 9 Abs. 6 EStG in der Fassung des BeitrRLUmsG).
Die gesetzliche Neuregelung verstößt trotz der darin vorgesehenen Rückwirkung zum 1.1.2004 nicht gegen die Verfassung. Denn die sog. echte Rückwirkung ist ausnahmsweise zulässig. Der Gesetzgeber hat nämlich mit der Zuordnung der Aufwendungen zu den Sonderausgaben lediglich die Rechtslage rückwirkend festgeschrieben, die bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der einhelligen Rechtsanwendungspraxis entsprochen hatte. Außerdem hatte der Kläger kein schutzwürdiges Vertrauen in die Abzugsfähigkeit seiner Aufwendungen als (vorweggenommene) Werbungskosten bilden können.
Schutzwürdiges Vertrauen in eine Rechtslage aufgrund einer höchstrichterlichen Rechtsprechung entsteht allenfalls dann, wenn es sich um eine gefestigte, langjährige Rechtsprechung handelt. Als eine solche gefestigte, langjährige Rechtsprechung ist die BFH-Rechtsprechung anzusehen, in der dieser die Kosten des Erststudiums als Sonderausgaben angesehen hat, nicht dagegen die spätere Fortentwicklung bzw. Änderung dieser Rechtsprechung zugunsten der Einordnung als Werbungskosten.
Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip. Die Kosten für die Erstausbildung sind gemischt und nicht zwangsläufig allein beruflich veranlasst. Ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt des Erststudiums an eine spätere berufliche Tätigkeit fehlt regelmäßig. Der Gesetzgeber hat deshalb mit der Zuweisung dieser Aufwendungen zum Bereich der Sonderausgaben eine in seinem Gestaltungsspielraum liegende Wertung vorgenommen.
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