Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit bei Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit
BFH 8.9.2011, II R 54/10Der Kläger ist seit dem 15.9.2008 Insolvenzverwalter über das Vermögen des S. Mit Bescheid vom 27.10.2008 setzte das Finanzamt die Kraftfahrzeugsteuer für einen auf S. zugelassenen PKW gegenüber dem Kläger fest. Der Auffassung des Klägers, die Kraftfahrzeugsteuer sei keine Masseverbindlichkeit, weil er den Geschäftsbetrieb und in Zusammenhang damit auch das Fahrzeug der Schuldnerin aus dem Massebeschlag gemäß § 35 Abs. 2 InsO in der ab 1.7.2007 geltenden Fassung freigegeben habe, folgte die Behörde nicht.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es beurteilte die Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit, da die Rechtsposition als Halter des Fahrzeugs zur Insolvenzmasse gehöre und somit der Verwaltungsbefugnis des Klägers unterliege. Eine insolvenzrechtliche Freigabe des Fahrzeugs ändere an der Halterzuordnung nichts. Dies gelte auch nach der Erweiterung des § 35 InsO um die mit Wirkung vom 1.7.2007 eingefügten Abs. 2 und 3, da diese nur klarstellende Funktion hätten.
Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des FG kann die nach Insolvenzeröffnung begründete Kraftfahrzeugsteuer nicht mit der Begründung als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO beurteilt werden, dass die Rechtsposition als Halter des Kfz zur Insolvenzmasse gehöre. Maßgebend ist vielmehr, ob das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist. Soweit der BFH dazu früher eine andere Auffassung vertreten hat, hat er sie in diesem Urteil aufgegeben.
Zur Beantwortung der Frage, ob das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist und damit ein Bezug der Kraftfahrzeugsteuer zur Insolvenzmasse besteht, ist zwischen der Freigabe des Fahrzeugs (sog. echte Freigabe) und der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nach § 35 Abs. 2 InsO zu unterscheiden. Hat der Insolvenzverwalter eine echte Freigabe des Fahrzeugs erklärt, entfällt ein Bezug der Kraftfahrzeugsteuer zur Insolvenzmasse. Denn durch die Freigabeerklärung wird das Fahrzeug aus der Insolvenzmasse entlassen und fällt in das insolvenzfreie Schuldnervermögen zurück.
Im Gegensatz zur echten Freigabe des Fahrzeugs hat die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nach § 35 Abs. 2 InsO keine Auswirkungen auf die Massezugehörigkeit eines im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorhandenen Fahrzeugs. Durch diese Erklärung wird das Fahrzeug nicht aus der Insolvenzmasse entlassen. Denn eine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit gem. § 35 Abs. 2 InsO umfasst nur den Neuerwerb und nicht das im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits vorhandene Vermögen. Schließlich widerspräche es dem Normzweck des § 35 Abs. 2 InsO, wenn die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit auch das schon vorhandene Vermögen umfasste. Denn dieser besteht u.a. darin, eine Gefährdung der Masse durch eine selbstständige Tätigkeit des Schuldners zu verhindern.
Führte die Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO jedoch dazu, dass das gesamte unternehmerische Vermögen aus der Insolvenzmasse entlassen würde, hätte dies eine erhebliche Verkürzung der Insolvenzmasse und damit gerade deren Gefährdung zur Folge. Ebenso wenig kann eine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO dahin ausgelegt werden, dass der Insolvenzverwalter neben der selbstständigen Tätigkeit zugleich im Wege der echten Freigabe (sämtliches) bereits vorhandenes unternehmerisches Vermögen des Schuldners freigegeben hat. Der Erklärungsinhalt einer Freigabe der selbstständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO erfüllt nicht die inhaltlichen Voraussetzungen einer echten Freigabe eines Gegenstandes. Denn der Insolvenzverwalter ist nur zu einer echten Freigabe einzelner Gegenstände aus der Insolvenzmasse befugt. Und diese müssen mit ausreichender Bestimmtheit bezeichnet sein.
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