10.11.2022

Kürzung des Werbungskostenabzugs bei steuerfreien Leistungen aus einem Stipendium

1. Leistungen aus einem Stipendium führen zu Arbeitslohn, wenn das Stipendium dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen dient.
2. Zwischen steuerfreien Stipendienleistungen und beruflich veranlassten (Fort-)Bildungsaufwendungen besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang i.S.v. § 3c Abs. 1 EStG, wenn das Stipendium dazu dient, die beruflich veranlassten Aufwendungen auszugleichen oder zu erstatten.

Kurzbesprechung
BFH v. 29.9.2022 - VI R 34/20

EStG § 3 Nr. 44, § 3c Abs. 1, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5, § 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, § 9 Abs. 5, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
GG Art. 14 Abs. 1


Die Steuerpflichtige absolvierte im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden Zweitausbildung ein Masterstudium in den USA. Für dieses Studium erhielt sie ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Der DAAD zahlte ihr monatliche Stipendienraten zur Bestreitung des Lebensunterhalts in den USA, insbesondere für Wohnung und Verpflegung. Außerdem erstattete er anteilige Studiengebühren und Reisekosten.

Die Steuerpflichtige machte die Studiengebühren, Reisekosten, Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung in den USA und Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten geltend, ohne die Stipendienleistungen in Abzug zu bringen. Das FA zog von den geltend gemachten Werbungskosten jedoch den Reisekostenzuschuss, den Zuschuss für die Studiengebühren und die monatlichen Stipendienzahlungen des DAAD ab. Der nachfolgend eingelegte Einspruch blieb ebenso erfolglos wie die gegen die Einspruchsentscheidung eingelegte Klage. Auch der BFH bestätigte die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz.

Er entschied, dass die Aufwendungen der Steuerpflichtigen für ihr Masterstudium dem Grunde nach vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellen. Allerdings führt die Erstattung von Werbungskosten zu steuerbaren Einnahmen bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen zuvor als Werbungskosten abgezogen wurden. Im Zeitpunkt der Erstattung wird damit im Ergebnis der Werbungskostenabzug rückgängig gemacht.

Dies gilt auch für die von der Steuerpflichtigen vom DAAD bezogen Stipendienleistungen, da diese eine hinreichend innere Verknüpfung mit der angestrebten zukünftigen Berufstätigkeit aufwiesen und damit der Aufwand abgegolten wurde, den sie zu Recht als Werbungskosten gelten gemacht hatte. Da das Stipendium des DAAD nach § 3 Nr. 44 EStG jedoch steuerfrei war, schied eine Kompensation des Werbungskostenabzugs durch eine Einnahme bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus. In diesem Fall durften die Werbungskosten gem. § 3c Abs. 1 EStG, soweit dafür das Stipendium gewährt worden ist, von vornherein nicht abgezogen werden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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